Anhang 13c
Hermann Beckh: "Aus der Welt der Mysterien"
Das Christusgeheimnis der alten Mysterien
6. Aufsatz in 'Die Drei' 1926
In dem Buche 'Das Christentum als mystische Tatsache' hat Rudolf Steiner zuerst gezeigt, wie Christus-Offenbarung in den urindischen Mysterien lebte, wie prophetisch-übersinnlich in ihnen geschaut wurde, was dann im Mysterium von Golgatha Erdengeschichte wird. Von der Aufnahme dieser, einem heutigen theologischen Denken noch so sehr widerstrebenden Wahrheit wird es abhängen, ob eine den Fortschritt des Menschheitsbewußtseins tragende Christuserkenntnis in Zukunftzeiten wird dasein können.
Am schwersten greifbar ist die Christus-Offenbarung in den urindischen Mysterien. Alles ist da noch wie Rückerinnerung des verlorenen Paradieses. Das Paradies ist nach des Menschen Sündenfall in ätherischen Überhöhen, im Reiche des höheren Äthers zurückgeblieben. Die 'in den Äther verflogene Wunderheimat', von der Novalis in den 'Hymnen an die Nacht' spricht, ist noch durchaus die Heimat des urindischen Bewußtseins. Welten-Offenbarung des Christus lebt in diesem Bewußtsein. Aber schwer wird ihm das andere, wodurch für uns heute das Christusbewußtsein erst seinen vollen, wahren Inhalt empfängt: hinzuschauen nicht nur auf den Christus im Übersinnlichen, auf die vorgeburtliche Offenbarung des Christus, sondern auf dasjenige, was der Christus für Erde und Menschheit bedeutet, hinzuschauen auf ihn als auf den Geist, der - um es mit Worten Rudolf Steiners auszudrücken - 'zu der Erde Heil, zu der Menschheit Freiheit und Fortschritt durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist'.Ein solches Hinschauen auf das Mittelpunktereignis der Erdengeschichte, wie es als ein prophetisches ja auch in den alten indischen Mysterien durchaus denkbar gewesen wäre, es hatte in den indischen Mysterien keine solche Stätte, daß wir heute noch die Spuren davon irgendwie entdecken könnten. Es fehlte dem Inder noch der Blick für dasjenige, was in Auswirkung des Sündenfalles durch Ahriman aus der Erde geworden war. Damit aber auch für die ganze Erden-Offenbarung des Christus. Nur da, wo er zwischen Luzifer und Ahriman in der Mitte erblickt wird, erscheint der Christus in voller Realität.
Von der Art, wie Christus als Weltenschöpfer im indischen Urbewußtsein lebte, bewahrt, wie Rudolf Steiner hervorgehoben hat, der Rigveda einen Nachklang in den Hymnen an Vishvakarman, den 'Allschöpfer' (Rigveda 10,81+82). Wir fühlen uns ihnen noch immer näher der alten Urweisheit als in der ganzen späteren Brahman-Philosophie. Der Rigved stellt sofort das große Bild des Weltenopfers vor uns hin, sowie das andere bedeutungsvolle Bild des Welten-Zimmermanns, das mit dem Walde, den Bäumen, dem Bauholz usw. in allen Einzelheiten ausgemalt wird. Als dieser Welten-Zimmermann heißt Vishvakarman auch Tvashtar. Seine Gehilfen sind Elementarwesen, die Ribhus (sprachlich = elbisches Wesen). Wir erleben heute dieses ganze Bild des Welten-Zimmermanns wie einen leisen, fernen kosmischen Anklang an das Christus-Erdenleben in Palästina (vgl. hierzu besonders die Christiania-Vorträge von Rudolf Steiner). Wie im Evangelium Christus, wird in den Veda-Hymnen Vishvakarman der 'Herr und Meister' genannt, mit einem Worte suri, das mit dem griechischen kyrios verwandt ist, und zugleich einen (den Philologen nicht einleuchtenden) Anklang an surya, 'Sonne' enthält, also 'der Herr des Sonnen-Ichs'. Und es wird - darauf hat auch Rudolf Steiner immer hingewiesen - im Rigveda (10,82,2) Vishvakarman als das in Überhöhen über den sieben Rishis waltende Wesen angeschaut, wie das eine ungebrochene göttliche Licht, das in den Rishis wie in sieben Einzelfarben gebrochen ist.
Ferner als in anderen Mysterien fühlen wir uns im alten Indien dem Menschheitsgedanken, ferner dem Christus als dem Repäsentanten der Menschheit. Das Menschenwesen verschwimmt noch in der unbestimmten Gesamtheit aller Wesen. Um so tieferen Eindruck macht das an den Urmenschen, Purusha, gerichtete Lied des Rigveda (10.90). Da ist es wirklich auch im alten Indien der Mensch, der als der Anfang aller Dinge erscheint, der durch ein großes kosmisches Selbstopfer alle niedrigeren Wesensreiche aus sich herausgesetzt hat (ein Gedanke, der, wie Rudolf Steiner in 'Rätsel der Philosophie' zeigt, auch im modernen Denken wieder Eingang gefunden hat). Mit allen rituell-kultischen Einzelheiten wird dieses große Weltenopfer des Menschen bildhaft ausgemalt. Wie einen letzten Erinnerungsnachklang an den in späterer indischer Weisheit verlorenen, in den ältesten Urmysterien aber wohl auch dort einmal vorhandenen Menschheitsgedanken können wir dieses Lied empfinden. Die Christus-Welten-Intuition wäre vollständig und überwältigend, wenn mit dem kosmischen Selbstopfer der Weltenschöpfung der irdische Gegenpol der Opfertat von Golgatha verbunden wäre, wie er sich für uns heute mit jenem Purushaliede des indischen Rigveda immer verbinden wird. In Weltenhöhen verbleibt dem Inder die Opfertat, auf die wir heute als auf das Mittelpunktsereignis der Erden- ujnd Menschheitsgeschichte hinschauen.
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Wie müßten wir heute im Sinne der Anthroposophie das Wesen bezeichnen, das sich dem alten Inder in den Ätherhöhen seines Bewußtseins zunächst offenbart, wenn er in die Richtung des Christus schaut? Wer ist das Wesen, das noch nicht der Christus in der Zeit vor Golgatha gerade in denjenigen Regionen lebt, die der Mensch nach dem Sündenfall mit der 'Vertreibung aus dem Paradiese' verloren hat, das Wesen, das gleichsam diejenige Menschheits-Substanz in sich trägt, die den Fall in die Sünde nicht mitgemacht hat, in die menschlichen Inkarnationen auf der Erde nicht eingetreten ist, das Wesen, das in den Reichen des Vorgeburtlichen zurückgeblieben ist? Anthroposophie nennt dieses Wesen den nathanischen Jesus, richtiger ausgedrückt: sie weist auf den Zusammenhang hin, den dieses Wesen mit Jesus von Nazareth hat, mit dem nathanischen Jesus des Lukasevangeliums, in dem es sich dann irdisch verkörpert. Im Zyklus 'Christus und die geistige Welt' zeigt Rudolf Steiner, wie die Christus-Wesenheit vor Golgatha in lemurischer und atlantischer Vorzeit dreimal jene andere Wesenheit durchdringt, die sich dann später auf Erden als der 'nathanische Jesus' verkörpert, wie sie sich gleichsam in ihr 'verseligt', und wie harmonisierende Einwirkungen auf das durch Folgeerscheinungen des Sündenfalls immer wieder in Unordnung und Disharmonie gebrachte innere Menschenwesen sich dadurch vollziehen. So schimmert in der vorchristlichen Zeit die Christus-Offenbarung und Christus-Opfertat in einer gewissen Weise hindurch durch die Sphäre eines anderen, engelartigen, eine Stufe über dem Menschen gebliebenen Wesens, desselben, das dann auf Erden als 'nathanischer Jesus' die leibliche Hülle für die irdische Christuverkörperung abgeben konnte. Die vorirdische Sphäre dieses Wesens ist dieselbe, in der auch das indische Urbewußtsein noch lebte, aus der das indische Mysterienwesen der Urzeit seine eigentlichen Inspirationen und Offenbarungen empfing.
Aus dieser Sphäre, die wir auch als die des in Ätherhöhen zurückgebliebenen Lebensbaumes, des Ewig-Weiblichen und Vorgeburtlichen bezeichnen können (vgl. den vorigen Aufsatz-Anhang 13b), steigt der große indische Eingeweihte Krishna hernieder, um beim Übergang ins finstere Zeitalter (Kali Yuga), in die dritte nachatlantische Kulturperiode, dem indischen Geistesleben die bestimmende Richtung zu geben. Dem indischen Bewußtsein stellt sich diese Erdenerscheinung des Krishna als ein sogenannter 'Herabstieg' oder 'Herniederstieg', indisch: ein Avatara des Vishnu dar, eben derjenigen Gottheit, in deren Bild das spätere indische Bewußtsein gewisse, wenn auch gebrochene Strahlen der kosmischen Christus-Wesenheit aufnimmt. Die ganze indische Avatara-Lehre ist eine solche gebrochene, aber darum nicht minder bedeutungsvolle Erkenntnis des kosmischen Opferwirkens der Christus-Wesenheit. Auf eine ganze Reihe von Avataras des Vishnu schaut das indische Bewußtsein hin. Zunächst sind das Verkörperungen in niedrigeren Wesensstufen. Eine solche ist beispielsweise die Fisch-Verkörperung, der Matsya-Avatara des Vishnu. In die Sprache der modernen Geisteswissenschaft übersetzt, heißt das: das indische Urbewußtsein schaut zurück auf die früheren Zeiten der Erdenentwicklung, da Erde und Sonne noch vereinigt waren, oder sich eben erst trennten. Damals stehen Sonne und Menschenwesen im Zeichen der Fische, das heißt, der Mensch berührt zuerst mit demjenigen Teile seiner noch ätherischen Wesenheit, die dem Tierkreizeichen der Fische zugehört und den heutigen Füßen entspricht, das Erdenfeuer, um sich in diesem Teile zu verleiblichen. Der damaligen Entwicklungsstufe entsprach die Fischform. Der Inder sagt: das Göttliche hat sich damals hineingeopfert in die Wesenheit der Fische, Vishnu verkörpert sich als Fisch.
Durch die Stufenfolge der Tierformen hindurch entwickelt das physische Menschenwesen allmählich die heutige menschliche Form. So folgen auch den vormenschlichen Vishnu-Avataras später die menschlichen, Rama, der königliche Eingeweihte der indischen Urzeit, und Krischna, der Eingeweihte der späteren Zeit, sind die vorzüglichsten dieser menschlichen Verkörperungen des Vishnu. Auch Buddha wird von den Brahmanen als ein solcher Avatara des Vishnu angesehen.
Was über den Herniederstieg des Krischna aus der 'Sphäre des nathanischen Jesus' gesagt wurde, ist nicht so zu verstehen, als ob Krischna eine eigentliche Verkörperung der Wesenheit des nathanischen Jesus wäre, wenn auch gesehen werden muß, wie nahe er ihr steht. Wenn uns gesagt wird, daß im 'nathanischen Jesus' diejenige Wesenheit lebte, die vorher noch nie eine irdische Verkörperung durchgemacht hat, die ganz und gar der nach dem Sündenfall in höheren Welten zurückgebliebenen Menschheits-Substanz angehört, so kann diese Wesenheit nicht vorher schon als Krischna dagewesen sein. Rudolf Steiner betont auch, daß Krischna nur eine Art Maya-Verkörperung, keine volle irdische Verkörperung jener Wesenheit war. Das ist eine Tatsache, die durch eine unabhängige Betrachtung der indischen Dokumente volle Bestätigung erfährt. Man sehe sich nur einmal jene Persönlichkeit des Krischna an, wie sie uns vor allem in dem Eops Mahabharata, in der Erzählung vom großen Kriege, geschildert wird. Da steht er oft vor uns als der verschlagene Politiker, der eine so schwer durchschaubare Rolle im ganzen Geschehen des großen Krieges spielt. Den Schlüssel haben wir nur, wenn wir uns sagen: für diese Wesenheit selbst war die Rolle, die sie auf Erden spielte, war alles Irdische überhaupt eigentlich völlig bedeutungslos, war Maya, sie lebt so ganz in ihrer überirdischen Sphäre und stellt sich nur so in alles Erdengeschehen und Menschentum hinein, daß sie dessen Wesenlosigkeit den Menschenseelen zur Offenbarung bringt. Der ganze Krieg, so empfinden wir, muß sein, damit in dem Zusammensturze alles Irdischen die Unbesiegbarkeit des höheren Lebens sich offenbart. Etwas von dieser Stimmung weht dann auch in der Bhagavadgita, in jener Belehrung, die der göttliche Krischna als der Wagenlenker des Helden Ardschuna diesem im Anblick der kampfbereiten Schlachtreihen gibt: 'Kämpfe, erfülle deine Kriegspflicht, aber sei bei all dem gleichgültig gegen Sieg und Niederlage, Leben und Sterben, sei einzig hingegeben dem Göttlichen in dir, so wirst du eingehen zu mir, mit mir als deinem göttlichen Selbste dich vereinigen'. Man könnte versucht sein, die Art, wir hier vom Göttlichen her Erfüllung der Erdenaufgaben zur Pflicht gemacht wird, mit dem christlichen Impulse in Verbindung zu bringen. Dabei würde aber der entscheidende Gesichtspunkt übersehen, daß jene Erfüllung der Erdenpflichten, der Kriegerpflichten in der Bhagavadgita nicht darum gefordert wird, um in schöpferischer Liebe der Erde das Göttliche einzupflanzen, sondern um durch restlose Erfüllung der schicksalmäßigen Aufgaben mit dem Irdischen fertigzuwerden, das dann seiner eigenen Wesenlosigkeit überlassen wird. Nicht Verbindung mit dem Irdischen im Sinne des Christusimpulses, sondern Loslösung vom Irdischen steht im Hintergrunde aller Krischna-Ermahnungen. Es spricht in ihnen ein Wesen, das selbst vom Irdischen losgelöst, dessen ganze Erdenverkörperung nur Maya ist.
Inwiefern die Region des höheren Äthers, der Krischna eigentlich angehört, die des Ewig-Weiblichen, der Isis-Bildekräfte (Klangäther und Lebensäther) ist, wird gerade in der indischen Darstellung des jugendlichen Krischna sehr anschaulich. Ein Hauch des Kosmisch-Jungfräulichen umwebt, wie die Gestalt des nathanischen Jesus, so auch die des indischen Krischna. In zarten, duftigen Bildern tritt uns dieser Zug in den Erzählungen entgegen, wo die Spiele und Scherze des jugendlichen Krischna mit den Hirtinnen geschildert werden. Wir fühlen uns da in einer Sphäre ähnlich derjenigen des Hohen Liedes, das ja auch aus den Geheimnissen des höheren Ewig-Weiblichen verstanden werden muß. Viel näher als die Gestalt des Krischna im Mahabharata steht diese Gestalt des jugendlichen Krischna dem nathanischen Jesus. Aber was hier wirkliche Erdenverkörperung wird, bleibt dort noch Maya, so wie überhaupt in den indischen Mysterien das ganze Verhältnis zum Irdischen noch auf Maya abgestimmt ist. Bezeichnenderweise erscheint dieser Name Maya (obwohl sonst im Indischen nicht Frauenname) auch als Name der Mutter des Buddha, an der so vieles, und doch nicht alles, an die christliche Maria erinnert. Und wieder empfinden wir, wie ein Geheimnis, das erst in Maria volle Erdenwirklichkeit und Erdenoffenbarung wurde, in der indischen Buddha-Geschichte noch wie in einen Maya-Schleier gehüllt ist.
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Das Wort Yoga, in dem, in dem alle Ermahnungen und Lehren Krischnas in der Bhagvadgita gipfeln, enthält den zentralen Impuls der indischen Mysterien und des indischen Geisteslebens. Je mehr das alte Urbewußtsein im Laufe der Zeit verdämmert, 'in den Äther verfliegt', desto wichtiger wird es für den indischen Eingeweihten und Geistesschüler, sich mit jenem Urbewußtsein durch Yoga, durch die methodisch geübte Konzentration, Meditation, Kontemplation (die, anders als heutige Geistesschulung, in Indien mehr auf dem rhythmischen System aufgebaut war) wieder zu verbinden. In einer doppelten Weise wird das Christusgeheimnis der alten Mysterien an diesem indischen Yoga offenbar. Da ist einmal diejenige Seite, die wir die mystische Seite des indischen Yoga nennen können, die den Yoga erscheinen läßt als den Weg der mystischen Verinnerlichung, den Weg nach innen, der gegangen wird, um das höhere Selbst des Menschen, das Ich zu finden. Ruhe im Ich (Kaivalyam) ist das mystische Ziel des Yoga. Diese Ruhe im Ich bleibt, wie schon der Name Kaivalyam (Abgeschlossenheit, Sich-Abschließen) sagt, ebenso wie das buddhistische Nirvana, dem Inder etwas Negatives, ein Sich-Verschließen vor der Welt. Er findet noch nicht im vollen wachen Bewußtsein den positiven Inhalt dieses Ich (der im alten vedischen Brahman mehr träumend erlebt wurde). Erst in Christus wird dieser positive Inhalt des Ich gefunden. Christus ist in diesem Sinne der Vollender der mystischen Seite des Yoga, ist derjenige, der der mystischen Seite des indischen Yoga ihre Einseitigkeit nimmt. Bezeichnend ist dabei, wie im indischen Yoga auf das göttliche Selbst als den Herrn im Ich, Ishvara (sprich Isch-wara, Ton auf der ersten Silbe!), hingeschaut wird - das Wort kommt von isch, 'eigen sein, herrschen' und ist mit altdeutsch aigan, dadurch auch wiederum mit 'Ich' verwandt. Wo nämlich in den Yogasutras die Wesenheit dieses Ischvara näher bestimmt wird, erscheint er als der in die menschlichen Inkarnationen nicht eingetretene, von Sündenfall und Karma unberührt gebliebene Teil des Menschenwesens (Puruscha), mit anderen Worten wiederum noch nicht als der Christus im umfassenden Sinne, sondern als die Jesus-Krischna-Wesenheit, die überall im Hintergrunde der indischen Mysterien steht, die Wesenheit des nathanischen Jesus, von deren Beziehung zu Indien oben die Rede war. Auch in der Bhagavadgita wird Krischna oftmals Ischvara genannt. Ob der sprachliche Zusammenhang zwischen Ischvara und Jehoschuah, Jesus, den man oft hat finden wollen, wirklich besteht, bleibe dahingestellt. Er kann gefunden werden, wenn die heilende Weltenkraft (dieser Sinn liegt zunächst in Jehoschuah) in ihrem Zusammenhang mit dem Ich erlebt wird, wenn man hinschauen lernt auf die göttliche Kraft, die da 'heilet das Ich in den Seelengründen' (Worte des Osterrituals). So ist Christus erst die Vollendung des Ischwara, der Ich-Seite (oder mystischen Seite) des indischen Yoga.
Neben dieser mystischen Seite hatte der Yoga dann noch eine andere, die magische Seite. Von magischen Kräften sprechen wir überall da, wo Geisteskraft nicht nur in sich selber lebte, sondern wo sie schöpferisch und verwandelnd im Stoffe, im Irdischen wirkt. Reich war das Gebiet magischen Wirkens im alten Indien, als jenes Irdische dort in der Urzeit selber noch näher dem Ätherischen war. Magische Kräfte wirkten da noch im Wort, im Mantram, durch magische Kräfte wurde da in den Mysterien noch unmittelbar vom Lehrer auf den Schüler gewirkt. Eine Erinnerung an diese magische Epoche auch des indischen Geisteslebens bewahrt vor allem der - bei den Brahmanen nicht mehr geachtete - Atharvaveda (vgl. über ihn den Aufsatz 'Der Lebensbaum'-Anhang 13b). Von magisch heilenden, verwandelnden, beschwörenden, bezaubernden Kräften ist darin viel die Rede. Und weil Magie ihrem Wesen nach Erdenwirken, Erdenverwandlung ist, wird innerlich-folgerichtig in diesem Veda auch die - in Indien sonst so sehr zurücktretende - Erde in ihrer Göttlichkeit gefeiert in dem groß angelegten Hymnus Atharvaveda XII.I, wo gleich im Eingang mit einer gewissen Christus-Tiefe die Erde als kosmischer Opferaltar hingestellt wird, wo dann (v.8) gesagt wird (v.11): 'Mir zum Heil seien deine schneebedeckten Bergeshöhen und deine Wälder, o Erde. Auf der braunen, der schwarzen, der roten, der buntfarbigen festen Erde... unbesiegt, unverletzt, unverwundet stehe ich auf dieser Erde da'. Aber imme mehr tritt eben dieses Erdenelement - besonders in den übrigen, in den eigentlich kanonischen Veden - im indischen Geistesleben zurück. Und so ist es auch mit dem magischen Elemente des indischen Yoga. Es liegt ja im Wesen des Yoga, daß dieses magisches Element dort eine gewisse Stätte behält. Noch in den verhältnismäßige späteren Yogasutras des Patandschali (Ton auf der drittletzten Silbe) wird von den durch geistige Konzentration auf bestimmte Punkte zu erlangenden magischen Kräften (Siddhi) gesprochen. Zähmung wilder Tiere durch Gedanken der Liebe, Überwindung der Erdenschwere, Durchdringung fremder Gedanken und manches andere finden wir da, neben wunderbaren Graden der Beherrschung und Vervollkommnung des Körpers - das physisch-medizinische Element spielte ja ursprünglich im Yoga die allergrößte Rolle. Aber diese magischen Kräfte, die nur wie Begleiterscheinungen auf dem Wege auftreten, müssen fallen gelassen werden, wenn das göttliche Ziel des Yoga, die Abgeschlossenheit im Ich (Kaivalyam) erreicht werden soll. Im Irdischen, so wird gesagt, sind sie Vollkommenheiten, für das höchste Ziel sind sie Hemmungen, niedrigere Kräfte, die um des Höheren willen aufgegeben werden müssen.
So tritt auch im indischen Yoga die magische Seite gegen die mystische zurück. Immer mehr strebt das indische Geistesleben nach einseitiger mystischer Verinnerlichung, immer mehr kommt Magie - von der in indischen Sagen noch alles voll ist, so wie das indische Urbewußtsein noch ganz erfüllt davon war - in Mißkredit. Als niedere Sensation empfand man die Ausübung von Kräften, die dem Inder einst etwas Heiliges war. In diesem Sinne warnt auch Buddha - der aus dem Geiste des alten Yoga heraus die Lehre und den Weg aufbaute - seine Schüler, auf solchen Künste sich einzulassen, die man als mit der Vornehmheit eines höheren Geistesstrebens in Widerspruch empfand. Wohl kannte er für sich die höhere Seite des magischen Wirkens. Einmal sprach er davon in einem weltbedeutenden Augenblick zu seinem Lieblingsjünger Ananda, sprach ihm von Verbindung mit dem Irdischen und Verwandlung des Erdenleibes durch solche Kräfte zum Heile von Erde und Menschheit (vgl. den Buddha-Aufsatz, hier noch nicht wiedergegeben). Aber das Wort wurde nicht verstanden, weil Erde und Menschheit für seinen Sinn noch nicht reif war, weil in dem von Buddha gemeinten hohen und heiligen Sinn magische Kräfte damals noch nicht in den Dienst des Erdenwirkens gestellt werden konnten. Was in der Buddha-Zeit, fünfhundert Jahre vor Golgatha, nicht möglich war, es wird dann - in einer andern, als der von Buddha angegebenen Art, nämlich nicht durch das Verbleiben im Erdenkörper, sondern gerade durch den Tod hindurch - Erdentatsache in Christus, wird zur Tatsache der Auferstehung. Wie alle wahre Liebe, auch in ihren niedrigeren Formen, magisch wirkt, eine Element des Magischen in sich hat, so ist das Mysterium von Golgatha als die höchste Liebestat der Götter damit zugleich auch die höchste erdenverwandelnde Tat weißer Magie, das größte magische Geschehen der ganzen Erdengeschichte. Erst da wird die Ausübung magischer Kräfte, die einst im indischen Yoga, wo sie vor allem zuhause war, noch wie eine Ablenkung von wahren Geisteszielen empfunden wurde, ihrer rechten Vollendung entgegengeführt. So ist Christus - wenn wir das Wort recht verstehen - der Vollender auch der andern, der magischen Seite des Yoga. Verwandlung der Erde durch Christuskraft ist jetzt das hohe, seinem innersten Wesen nach magische Ziel alles durchchristeten Erdenwirkens. Von nun an hat in Christus die Zurückweisung des Erdenwirkens um der mystischen Ich-Verinnerlichung willen keine Berechtigung mehr, sondern das menschliche Ich ist als Christus-Erden-Ich nur in dem Maße vollkommen, als es sich auch seiner magischen Kraft, seiner Möglichkeit, vom Geistigen aus das Irdisch-Natürliche zu bearbeiten, zu verwandeln und umzugestalten, bewußt geworden ist.
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Im Gegensatz zu dem indischen Geistesleben und seinen Mysterien, wo der magische Impuls immer mehr gegen den einseitig mystischen zurücktritt, sind die Mysterien Zarathustras (zweite nachatlantische Kulturperiode) in starker Weise vom magischen Impuls getragen. Als der wahre Ur-Magier steht Zarathustra vor unserem geistigen Blick. Ganz anders als in den indischen Mysterien tritt Erdenwirken und Erdenverwandlung durch Geisteskraft - dies aber ist ihrem Wesen nach Magie - bei ihm in den Vordergrund. Und es kann das darum bei ihm der Fall sein, weil Zarathustra auch auf diejenige Macht bewußt hinschaut, die durch den Sündenfall der Gebieter im Todesreiche der geist-entfremdeten Erdenstofflichkeit geworden ist: Ahriman (Angromainyush, siehe den Zarathrustra-Aufsatz). Durch dieses Hinschauen auf Ahriman, das dem Inder noch fremd ist, gewinnt auch dasjenige auf Christus bei Zarathustra erhöhte Wirklichkeit. Aus der indischen Welt des im Wesen ruhenden Wesens sind wir jetzt eingetreten in diejenige der Offenbarung, die eben dadurch möglich ist, daß sich die Finsternis als Gegensatz dem Lichte entgegenstellt. Und in der Überwindung und Umgestaltung des ahrimanischen Wesens, in der Verwandlung von Finsternis in Licht hat das Erdenwirken seine ihm klar gesetzte Aufgabe. Da sind in ihrer ganzen Anwendung magische Kräfte etwas anderes als im indischen Yoga. Wenn durch die Liebeskraft des Heiligen, des Yogin, wilde Tiere besänftigt werden, so ist das für ihn eine bloße Bestätigung der Realität geistige Kräfte, alles bleibt da in einer Sphäre, die an diejenige des heiligen Franziskus von Assisi erinnert. Erst bei Zarathustra kommt auch auf diesem Gebiet ein positives Wirken für Erdenaufgaben in Frage. Da werden auch wilde Tiere durch magische Kräfte gezähmt, aber nicht zur Offenbarung der Wahrheitsmacht des Yoga, sondern damit in der zahmen Tiergattung dem Menschen ein Gefährte und Gehilfe bei der Erden-Kulturarbeit erwachse. Neben einem ihr auch eigenen höheren Sinn, wonach sie zum Bilde wird für die Zähmung und Läuterung des Astralischen, der menschlichen Leidenschaftsnatur, hat diese Zähmung wilder Tiere bei Zarathustra einen ganz realen Erdensinn. Irdisch-selbstverständliche Tätigkeiten wie Ackerbau und Viehzucht, wurden in den Zarathustra-Mysterien der Urzeit einstmals durch Anwendung magischer Kräfte ins Leben gerufen. Im Zarathustra-Aufsatz wurde darauf hingewiesen, daß wir uns von Buddha oder irgend einem andern indischen Weisen und Führer niemals Worte gesprochen denken könnten, wie wir sie im Avesta finden, wo Zarathustra der erste Priester, der erste Krieger, der erste Viehzüchter genannt wird.
Ein starkes Christus-Element liegt in dieser Hervorhebung des Erdenwirkens und der Erdenpersönlichkeit bei Zarathustra. Wir empfinden: in Indien gibt es noch gar nicht die vollmenschliche Individualität, auch große Wesenheiten, wie die sieben Rishis, wirken noch wie die sieben Farbenstrahlen des einen Urlichts, erst in Zarathustra ist das Urbild und Vorbild der starken Individualität und Erdenpersönlichkeit gegeben. Und es wirkt darin Zarathustra wie der erste Hinweisende auf den großen Menschheits-Repräsentanten, den Christus selbst. Im Isis-Aufsatz (Anhang 13a) wurde gezeigt, wie Zarathustra in einem den Christus und die Christus-Erden-Tat vorbereitenden Opferwirken sein geistiges Wesen gleichsam Stück für Stück in die großen Mysterien-Impulse der vorchristlichen Menschheit ausgießt. Den Abschluß findet dieses Opferwirken in seiner Verkörperung als der Jesusknabe der salomonischen Linie (von dem im Matthäusevangelium die Rede ist). Als dieser opfert er sich gleichsam leiblich in die Wesenheit des andern, des nathanischen Jesus (dies ist der geistige Hintergrund des Luk.3,41ff erzählten Geschehens, vgl. den Aufsatz 'Der Lebensbaum - hier Anhang 13b), um dann, nachdem er sein Ich, das große Menschheits-Zarathustra-Ich in diesen anderen Jesus hinübergetragen, auch dieses Ich noch hinzuopfern bei der Jordantaufe dem Welten-Sonnen-Ich, dem Christus, der nun in die leibliche Hülle des Jesus von Nazareth einzieht.
Wie im Hintergrunde der urindischen Mysterien die Wesenheit des nathanischen, erscheint im Hintergrunde der Zarathustra-Mysterien die des salomonischen Jesus, nur so, daß hinter diesem Jesus viel deutlicher, als es in Indien der Fall war, der Christus selber erschaut wird. Gewaltig eindrucksvoll wirkt bei der am Schlusse des Zarathustra-Aufsatzes mitgeteilten großen Christus-Verheißung des Avesta, wie die göttliche Christus-Sonnen-Aura unterschieden wird von der Persönlichkeit des Heilands (das Wort Suoshyant heißt genau wie Jehoschuah, Jesus, der Rettende, Heilende), auf den sie übergehen soll, dann die Art, wie die Apostel in diesem Zusammenhange erwähnt werden, wie von der 'Vorwärtsbringung', Vorwärtsentwicklung der Welt (ein Impuls, den wir so im alten Indien noch gar nicht finden), von der 'Wiederbelebung des ersterbenden Erdendaseins', von der Überwindung des Todes und der Auferstehung der Toten gesprochen wird, und dann noch vor allem von dem Impulse der Freiheit, von dem, was wir die Philosophie der Freiheit nennen ('der ihr - der Welt - verhilft zu ewigem Leben, zu ewigem Gedeihen, zu freiem Willen'). Der Inder kennt eigentlich den Willen noch nicht, er hat kaum ein Wort dafür. Die Weltbedeutung Zarathustras ist die, daß er als Verkünder der Erdenpersönlichkeit und des Erdenwirkens der Inaugurator des Willens ist. 'Wenn durch den Willen die Welt vorwärtsgebracht wird', schließt die große Christusverheißung. Und die für eins der früheren Dornacher Glasfenster gegebenen Worte 'Es gebiert sich der Wille' (Es befindet sich dieses Bild als Titelbild bei der Januar-Nummer der Zeitschrift 'Die Drei', in der der Zarathustra-Aufsatz zuerst erschien). charakterisieren wirklich den Impuls des Zarathustra. In diesem Impulse wird Zarathustra der Vorbereiter der christlichen Willenseinweihung.
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Wie im Hintergrunde der urindischen Mysterien die Wesenheit des nathanischen, im Hintergrunde der Zarathustra-Mysterien die Wesenheit des salomonischen Jesus (und hinter ihm der Christus), so erscheint im Hintergunde der ägyptischen Mysterien die Wesenheit des Christus selbst, der Repräsentant der Menschheit in seiner ganzen umfassenden kosmisch-irdischen Bedeutung. Was da durch alle vier Sothis-Perioden hindurch (vgl. Anhang 13a) auf verschiedenen Stufen und in verschiedenen Bildern erlebt wird, es ist einfach der Mensch selbst in allen Teilen seiner geistig-physischen Wesenheit. In einem weltallweiten Bewußtsein wurde in den ältesten Zeiten der Fixsternweisheit dieses Menschenwesen noch erlebt. Das Ich glänzte dem Eingeweihten noch aus Fixsternweiten entgegen. Und Zarathustra, der größte Eingeweihte, der große Inspirator aller nachindischen Mysterien (auch der ägyptischen Hermes-Sternenweisheit, denn Hermes trug den Astralleib des Zarathustra), wußte als sein Ich die umfassende göttliche Seele der Menschheit selbst, und diese Menschenseele, Isis, hatte ihr Bildnis im leuchtenden Sirius, dem hellsten Sterne des Fixsternhimmels. Und sie war das Sternen-Gralsgefäß für das Menschheits-Ich (der Inder nannte es Purusha): Osiris - Orion. In den Geheimnissen vom Klangäther und Lebensäther, Weltenleben und Weltenharmonie wurd erlebt Isis, aussprechend das ewige Weltenwort. Begegnung mit den oberen Göttern in der Sphäre der Throne war noch das Christus-Menschheitserlebenis der alten Fixsternweisheit. Und in der Verbundenheit von Isis und Osiris, Sirius-Orion, stellte sich die göttliche Einheit des Menschenwesens dar, in seiner Urverbundenheit des Ewig-Männlichen und Ewig-Weiblichen. Diese Verbundenheit aber ist der Christus. Der heilige Isis-Name selbst, 'H-S-T', trägt wie ein verschleiertes Geheimnis dasjenige des Christus, des Menschheitsrepräsentanten in sich, dasselbe Geheimnis, auf das auch die drei Gestalten der Dornacher Christusgruppe hindeuten. Doch erscheinen sie in den drei Lauten alle noch wie in ihrer göttlichen Wesenheit, auf ihrer Saturnstufe. Rudolf Steiner selbst hat es in einem seiner letzten Vorträge ausgesprochen, wie die Seele der Menschheit, die neue Isis, wie schlafend hinter dieser Dornacher Christusgruppe erschaut werden kann.
Wie ein großes Weihnachtserlebnis der Menschheitskindheit war dieses Christus-Erlebnis im Weltensternenbaum des Lebens. Das Mütterlichste der Welt, Isis, die Sternenjungfrau, als die Trägerin aller heilenden, gesundenden Kräfte des Kosmos, wurde da geschaut. Und es war das Erlebnis wie das Einschlürfen eines belebenden, gesundenden Trankes, des Sternen-Soma (vgl. Anhang 13b). Noch der indische Rigveda bewahrt einen Nachklang davon in der Soma-Mystik, die in gewisser Weise allen vorchristlichen Mysterien, auch denen des Zarathustra angehört. Agni, das Opferfeuer, und der Soma, sind da wie zwei verbundene, im Mittelpunkte alles Mysterienwesens stehende göttliche Wesenheiten, und es hatte Agni eine doppelte Seite, er war das äußere Feuer wie das innere Feuer im Menschen, das Feuer im Blute, im Stoffwechsel, in der seelischen Begeisterung und Erhebung. Das Mysterium des Blutes verbirgt sich in Agni - das Welten-Opferfeuer im Urbeginn, die Saturn-Wärme lebt fort im Blute -, das Mysterium des Leibes (Soma heißt im Griechischen Leib) im Soma, denn auf dem alten Monde noch war dieser Menschenleib flüssige Wesenheit, erst auf der Erde hat er sich bis ins Knochensystem verfestigt.
Gehen wir von der ältesten Fixstern-Weisheit in die nächste Sothis-Periode, in die Zeit der Planeten-Weisheit, so finden wir da noch immer das dritte der großen Mysterien-Erlebnisse, das Schauen der Sonne um Mitternacht (vgl. den Berliner Zyklus 'Die Mysterien des Morgenlandes und des Christentums' von Dr.Rudolf Steiner GA144). Und Osiris - das weiß auch der Ägyptologe (Vgl. Brugsch 'Religion und Myathologie der alten Ägypter' S249) - ist diese geistige Sonne der Mitternacht. Jetzt ist es die Monden-Sichelschale der Isis, die als der kosmische Gralskelch erlebt wird (Doch ist Isis nicht eigentlich Mondengöttin, ihr Planet ist Venus, wie ihr Fixstern Sirius ist), der die Sonnen-Hostie in sich trägt. Das Christus-Erlebnis ist von der Sternenstufe auf die planetarische, die Sonnen-Stufe, gerückt. Und der kosmische Trank der Gesundheit ist jetzt der Monden -Soma geworden (Soma heißt im Indischen Mond), zugleich ist es die astralische Wesenheit des Menschen, die jetzt im Monde erlebt wird.
Auf der nächsten Stufe, derjenigen der Elementen-Weisheit, wird das Menschenwesen, Isis-Osiris, noch erlebt im Elementarischen der Erde, im Ätherischen der Pflanze, der Soma ist jetzt der Pflanzen-Soma, der ätherische Soma geworden. In der vierten und letzten, für das Christus-Erlebnis so entscheidenden Sothis-Periode versinkt auch diese Blume des Ätherischen im Grabe des Physischen, des Erdenleibes. Es naht die Weltenzeit, wo das Ich, das einst im weltallweiten Bewußtsein aus Fixsternwelten erlebt wird, im Menscheninnern selbst zu sprechen anfängt. Aber dieses letzte und entscheidende Erlebnis vollzieht sich nicht mehr im alten Ägypten. In den wunderbaren und erschütternden Bildern der ägyptischen Plagen zeigt die Moses-Geschichte, wie dieses Erlebnis vom alten Ägypten und seinen Mysterien nicht aufgenommen wurde. Es waren die ganzen ägyptischen Mysterien in einer gewissen Weise auf dieses entscheidende Menschheitserlebnis hin angelegt. Aber nicht auf ägyptischem Boden konnte das 'was kommen sollte' sich vollziehen. Ägypten behält von all dem, was jetzt in dieser entscheidenden vierten Sothis-Periode sich vollzieht, nur die äußere Hülle, das Grab, die ägyptischen Mysterien sind in ihre Gräber-Periode eingetreten. Eine Gräber-Kultur und Mumien-Kultur ist die ganze äußere und geistige Kultur Ägyptens geworden. Der Mund der Isis ist verstummt. Das Herantreten an die Pforte des Todes allein, hinter der kein lichter Ausblick mehr sich eröffnet, bleibt als Mysterien-Erlebnis übrig, die Finsternis und Einsamkeit des Todes und des Grabes ist es, was der Einzuweihende an der heiligen Mysterien-Stätte noch erlebt. In keiner Periode der Menschheitsgeschichte ist das Grab und der Tod erschütternder erlebt worden. Und es mußte dieses Erlebnis des Grabes und des Todes, diese Grablegung alter Mysterien-Weisheit vorausgehen ihrer Auferstehung in Christus. Der Christus selbst, der im salomonischen Jesus bedeutungsvoll mit Zarathustra, dem Inspirator auch der ägyptischen Mysterien, verbunden war - bedeutungsvoll ist in dieser Hinsicht auch die Reise des Jesuskindes nach Ägypten -, kommt zu seiner Erdenverkörperung und Erden-Offenbarung in dem Ägypten benachbarten Lande Palästina, wohin Moses, der Eingeweihte der ägyptischen Mysterien und ihrer Elementen-Weisheit, die Hebräer führen wollte, das er aber selbst nich mehr betrat. Altes Götterdenken mußte sich kreuzigen lassen im Erdendenken, welches der Menschheit zu bringen die Sendung des Moses war, und der Abschluß dieser Kreuzigung war die physische Kreuzigung des Christus-Jesus auf Golgatha. In den alten Mysterien-Ländern Indien, Persien, Ägypten, wäre es - das hat Rudolf Steiner ausgesprochen - nie zu einer Kreuzigung des Christus gekommen, in Ehrfurcht hätten Perser, Inder, Ägypter ihm das Gold ihrer Weisheit, den Weihrauch und die Myrrhen ihrer Anbetung geopfert. Nur durch den Erdentod hindurch aber konnte der Sinn des Erdengeschehens sich vollenden, konnte das große Freiheitserlebnis im Ich - auf welches weissagend schon Zarathustra hingewiesen hatte - gefunden werden. Der Soma, der einst in den alten Mysterienländern als Sternen-Soma, als Monden-Soma, als elementarischer Soma getrunken ward, er wurde im Erdenleibe des Christus-Jesus, der jetzt das göttliche Gralsgefäß geworden ist, zu dem, was Soma im Griechischen bedeutet, zum Menschenleib, der den Inbegriff der göttlichen Kräfte des Weltalls in sich vereinigt.
Blickt man so auf die großen Zusammenhänge mit der vorchristlichen Entwicklung hin, so kann empfunden werden, wie das Entscheidende der vierten Sothis-Periode nicht mehr im alten Ägypten, sondern in Palästina, im Mysterium von Golgatha sich vollzieht. Es kann das Mysterium von Golgatha selbst, das schon im Auszug der Hebräer aus Ägypten sich bedeutungsvoll vorbereitet, empfunden werden wie die vierte und abschließende Epoche der altägyptischen Mysterien, die die eigentlichen Christus-Mysterien im Vorchristentum sind. Durch dieses Mysterium von Golgatha wird der äußeren Gräber-Kultur Ägyptens, das von der Seele seiner Mysterien verlassen war, der lebende Inhalt hinzugefügt. Durch das Grab der Erde hindurch schreitet der Christus zur Auferstehung, die in der Erdenzukunft sich vollendet. In ihm finden auch die versunkenen Schätze der alten Mysterien ihre Auferstehung. Alte Sternenweisheit, die vorchristliche Gralsoffenbarung, kommt wieder herauf als das esoterische Christentum des heiligen Grals. Und die im Auferstandenen erwachende Menschheitsseele, die neue Isis, wird der Menschheit zu einer neuen Offenbarung der Geheimnisse der Sternenschrift.
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