Anthroposophie        =           Dreigliederung

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Symbole im Alten Testament
Das Buch mit sieben Siegeln

Die Symbole in der Genesis des Moses

   Die Bibel ist >das Buch mit den sieben Siegeln<, das Buch schlechthin. Daher stammt ihr Name, denn Biblia (griechisch-lateinisch) heißt das Buch. Die Bibel war für die Menschheit der letzten Jahrtausende das Buch der Offenbarung, das sie mit der geistig-göttlichen Welt verband. Dennoch ist sie ein Buch mit sieben Siegeln. Unendliche Ströme okkulter Weisheit sind in diesem Buch zusammengeflossen und ruhen wie kostbare Edelsteine in dieser Schatztruhe verborgen. Nur der vermag den Schatz zu hene, der den Schlüssel zu dieser Truhe besitzt. Doch eben - dieser Schlüssel ist schon seit langem verlorengegangen. In eben demselben Maße, wie die Menschheit sich das Wissen der Sinneswelt eroberte, verlor sie ein Verständnis für die übersinnliche Anschauung, wie sie aus diesem altehrwürdigen Dokument spricht.

  Das geht schon aus der Genesis, dem Ersten Buch Moses hervor. Wie sehr man den Zugang und damit ein Verständnis zu diesem ganz aus übersinnlicher Anschauung hervorgegangenen religiösen Dokument verloren hat, zeigt sich darin, daß man es in ganz sinnenfällig-realistischer Art nahm und glaubte, daß es sich beim Sechs-Tage-Werk des Mosaischen Schöpfungsberichtes um einen Zeitraum von >6 Tagen< handelte, in dem die Welt geschaffen wurde. Unendlich viel Spitzfindigkeit ist von seiten der Theologie aufgebracht worden, um die Bibel gegenüber der modernen naturwissenschaftlicchen Entwicklungslehre zu retten und zu rehabilitieren.

  Damit ist dr Materialismus in die Theologie und in die Auslegung der Bibel selbst eingezogen. Da aber die Bibel auf uralter Mysterienanschauung beruht, so kann sie heute, nachdem die letzten Reste einer instinktiven hellseherischen Anschauung verschwunden sind, nur durch eine neue Geist-Erkenntnis entsiegelt werden, die als moderne Initiationswissenschaft den Zugang zu den Quellen neu erschlossen hat. Diese Quellen liegen im Übersinnlichen. Wer eine solche übersinnlich-geistige Welt leugnet oder behauptet, daß sie dem menschlichen Bewußtsein immer verschlossen bleiben muß, der verbaut sich selbst den Zugang zu einem Verständnis der religiösen Urkunden sowohl des Alten wie des Neuen Testaments. Und in dieser Lage ist ja heute weitgehend die moderne Theologie.

  Es kann sich in diesem Rahmen nicht darum handeln, eine geisteswissenschaftliche Exegese und Erläuterung zu den biblischen Berichten zu geben (25. Vergleiche die Christologie Rudolf Steiners). Unser Anliegen ist vielmehr, die Symbolsprache des Alten Testament an einigen markanten Beispielen aufzuzeigen und ihre Abwandlung im Laufe ihrer Entstehungsgeschichte ins Bewußtsein zu heben. Das lassen sich drei Bewußtseinsschichten nachweisen, die im Alten Testament anzutreffen sind:


1. Die aus den ägyptischen Mysterien stammenden Bilder der Genesis des Moses, die in dieser Form für das noch kindliche Bewußtsein des israelitischen Volkes gegeben wurden.


2. Die hellsichtigen Erlebnisse einzelner Propheten, deren symbolisch-imaginatiover Charakter einer späteren Zeit entstammt, doch gleichfalls auf übersinnliche Quellen zurückgeht.


3. Die Zeichen und Symbole, die einer späteren Zeit entstammen.


  Wir haben es auch hier mit einer stufenweisen Abwandlung des geistig-übersinnlichen Bewußtseins zu tun. Die erste Stufe geistigen Erlebens ragt noch bis ins Kosmische hinein. Sie konnte allerdings schon damals, zur Moseszeit im 15. vorchristlichen Jahrhundert, nur durch die Einweihung errungen werden. Da die Menschheit zu dieser Zeit, und besonders im israelitischen Volk, keinen unmittelbaren Zugang mehr zum konkret geistigen Erleben besaß, so mußten diese kosmischen Bilder in Form von kindlich gehaltenen Imaginationen gegeben werden. Dies spirituelle Höher der Uroffenbarung, wie sie noch in den Veden und Upanishaden der Inder hindurchschimmert, hatte das israelische Volk längst verlassen zugunsten eines intellektuellen Erdenbewußtseins. Versuchen wir uns einen Zugang zu diesen drei Bewußtseinsebenen zu verschaffen.

 

Die Symbole in der Genesis des Moses

  Daß Moses eine Einweihung durchmachte, und zwar bereits bei seiner Geburt, geht schon aus dem legendären Bericht hervor, daß er bei seiner Geburt ausgesetzt und von der ägyptischen Königstochter aus dem Wasser gezogen wurde. Sie nannte das Knäblein Moses, weil sie sagte: >Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen<.

  In dem Bild des Eingeschlossenseins in einem sargähnlichen Kästchen wird in okkulter Weise darauf hingedeutet, daß dieses Kind in unterbewußter Weise etwas empfängt, was man sonst nur durch die Einweihung erhalten kann: den Strom geistiger Weisheitskräfte. Hier sei nur das Prinzipielle hervorgehogen, was uns Moses als einen Eingeweihten erkennen läßt: >Das Symbol der Osiris-Truhe als des Einweihungssarges ist in die allerersten Lebensschicksale des Moses hineingestellt als Zeichen für das wunderbare Wiederaufleben einer in früheren Leben durchgemachte Einweihung. Und daß sich dieses Ereignis in Ägypten zuträgt, und zwar nicht im Lande Gosen unter den Israeliten, sondern fern davon im Zentrum der ägyptischen Tempelkultur, ist tief im Schicksal begründet. Ägypten hat Moses zu sich gezogen. Es ist, als ob sich erst in diesem Augenblick deutlich zeigt, warum 400 Jahre vorher Joseph sein Volk nach Ägypten holte. Eingebettet in das vollendete Werk der Hermesweisheit, kann Moses seinen Weg und sein Werk beginnen. Herausgelöst aus dem israelitischen Volkszusammenhang, wächst er als Sohn des ägyptischen Pharaonenhauses heran< (26. Emil Bock: Moses und sein Zeitalter).

  Worin Moses eingeweiht wird, ist die Zeiten-Weisheit, die als geistiger Entwicklungsimpuls der Menschheitsgeschichte zugrunde liegt. Und damit schafft er die Brücke zwischen der zeitlosen alt-orientalischen Weisheit zu der abendländischen Geschichtsauffassung, die ganz auf die historische Evolutionslinie aufgebaut ist: >Die Anregung zu einem geschichtlichen Anschauen geht aus von der hebräischen Weltanschauung. Das erste große Beispiel einer historischen Betrachtungsweise ist das Alte Testament. Dadurch wird dem Abendlande das Vermächtnis übergeben zur historischen Betrachtungsweise.<

(27. Rudolf Steiner: Das Markusevangelium 1912).

  In dicht zusammengedrängter Form und Fülle sehen wir, wie in den Büchern Moses der historischen Geschichte die kosmische und die mythische Geschichte vorangehen. Sie bieten ein großartiges Beispiel, wie die irdische Menschheitsgeschichte aus der Himmelsgeschichte hervorgeht. Und eben deshalb müssen die jeweiligen Bilder verschieden gelesen und aufgefaßt werden, je auf welche Stufe sie stehen.

  Vom Atem der kosmischen Himmelsgeschichte erfüllt ist der Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel. So umfassen die sieben Schöpfungstage große kosmische Zeiträume, es sind die >Werdekreise< (Tholedoth), wie sie noch in den Überschriften angedeutet sind:


1. >Die sind die Werdekreise des Himmels und der Erde in ihrer Schöpfung< (1. Moses 2,4).

2. >Hier sind aufgezeichnet die Werdekreise des Menschen< (Adam - 1. Moses 5,1).

3. >Dies sind die Werdekreise des Noah< (1. Moses 6,9).

4. >Dies sind die Werdekreise des Tharah< (Abraham - 1. Moses 11,27).

5. >Dies sind die Werdekreise des Perez< (David - Ruth 4,18).

    (28. Emil Bock: Urgeschichte der Menschheit, und Rudolf Steiner: Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. München 1910).


  Wir blicken so durch die einzelnen Schöpfungstage wie duch große Himmelsfenster in ein kosmisches Werden hinein, das sich im Geistigen abspielte, bevor die Erde sich zu ihrer materiellen Form und Gestalt verdichtete, ein Vorgang, wie ihn alle Mysterien beschreiben, die aus übersinnlicher Mysterienanschauung hervorgegangen sind.

  Auch Heraklit nennt jene drei Äonen, die dem vierten, der physischen Erde, vorangegangen sind: das Urfeuer, die Luft und das Wasser. Aus ihrer Verdichtung bildet sich dann der vierte Aggregatzustand: das Irdische.

  Was uns hier besonders beschäftigen soll, da es ein bedeutsames Licht auf die spezifische Blickrichtung des Alten Testamentes wirft, ist die Bildersprache der Versuchungsgeschichte. Drei Fragen können sich hier ergeben:

1. Warum wird dem Menschen die Schuld das >Sündenfalls< beigelegt, da dieser doch erst durch den Genuß vom Baum der Erkenntnis das zur eigenen Entscheidung nötige Unterscheidungsvermögen erhält, was er vorher noch nicht besaß? - Dieser Zug findet sich nur in der hebräischen Darstellung.

2. Warum wird der Nachdruck darauf gelegt, daß es Eva, die Frau ist, die der Versuchung der Schlange zuerst verfällt?

3. Und warum erscheint hier die Schlange, die bei anderen Völkern das Symbol der Weisheit ist, als Träger der verderbenbringenden luziferischen Kräfte?

  In diesen Zügen spiegelt sich das Sondergut der hebräischen Genesis. Es muß sich darin noch ein tieferer Sinn verbergen, wenn wir konstatieren müssen, daß nur der Schöpfungsbericht des Moses diese Züge in den Vordergrund stellt.

  Das erste ist die Schuldfrage. Diese wird bei Moses ganz auf den Menschen abgewälzt. Der erste Mensch war ungehorsam und muß für diesen Ungehorsam, womit er das göttliche Gebot übertritt, büßen. Doch nicht nur er, sondern alle Geschlechter nach ihm stehen unter der Folge dieses Ungehorsams. Muß sich dem gegenüber unser Gerechtigkeitsempfinden nicht auflehen?

  Daß das moderne Bewußtsein mit dieser Auffassung nicht mehr zurechtkommt, zeigt der niederländische Katechismus für Katholiken, der gegen den Willen der kirchlichen Autoritäten in Deutschland in deutscher Sprache erschienen ist. Vergleichen wir die ursprüngliche Fassung im deutschen Schulkatechismus über die >ererbte Schuld< mit der neuen Fassung im niederländischen Katechismus. Im deutschen Schulkatechismus heißt es:

  >Weil Adam als Haupt der ganzen Menschheit gesündigt hat, geht die Sündenschuld Adams auf alle seine Nachkommen über (Erbschuld oder Erbsünde). Wegen der Sünde Adams werden wir ohne das Gnadenleben geboren, das wir nach Gottes Absicht von Adam erben sollten... Auch die schlimmen Folgen der Sünde Adams sind auf alle Menschen übergegangen. Daher ist in uns eine Neigung zur Sünde, die böse Begierlichkeit...<

  Der niederländische Katechismus: >Unser egoistisches Unvermögen, einander zu lieben, steht damit im Zusammenhang; auch unser Versäumnis, unser Leben und unser Denken zu ändern; auch wir fügen Menschen Schaden zu; wir wirken mit beim großen Bösen der Welt; wir haben schmutzige Hände... Die Sünde, die andere ansteckt, ist nicht durch einen Adam am Anfang der Menschheit begangen worden, sondern durch Adam, den Menschen, jeden Menschen... Wir müssen uns vor Augen halten, daß diese >Ursprungssünde< keine Sünde im gewöhnlichen Sinne des Wortes ist; sie bekommt erst Gestalt in unserern persönlichen Sünden.<

  Hier wird also versucht, eine Brücke zu bauen für das moderne Bewußtsein. Wir sind alle in die Sünde verstrickt, die damals über die Menschheit gekommen ist. Während bei den anderen Völkern (Germanen, Ägypten, Indern) auf ein übersinnliches Geschehen hingewiesen wird, was sich über dem Menschen abspielt als eine Götterangelegenheit, in deren Folgen dann der Mensch hineinverstrickt worden ist, wird in der Genesis des Moses der Mensch allein hierfür verantwortlich gemacht. Und zwar der weibliche Teil in ihm: Eva. Warum? -


Poeppig - Ursymbole II