Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

B, Zweiter Abschnitt

6. Die Heilung des Hauptmannssohnes

(Joh. 4,43-54)

Schütze - Zwillinge


S241   Auf die Episode mit der Samariterin am Brunnen folgt, den Abschluß des vierten Kapitels bildend, die Heilung des Hauptmannssohnes zu Kapernaum. Auch hier ist es so, daß ein für die am Äußerlichen haftende Betrachtung nicht durchschaubarer Zusammenhang des Evangeliums aus dem kosmischen Rhythmus, aus der Konstellation heraus sofort verständlich wird. Es ist ein hauptsächlicher Gewinn des Hinschauens auf den kosmischen Rhythmus, daß Zusammenhänge des Evangeliums, die sonst undurchschaubar bleiben könnten, klar werden.

   So löste sich im zweiten Kapitel des Johannes-Evangeliums das anscheinende Rätsel der Verbindung des Hochzeitswunders von Kana mit dem Motiv der Tempelreinigung und Tempelzerstörung aus dem tieferen Gesichtspunkte, auf den die S242 Konstellation des Kapitels (Wassermann - Löwe) uns führen konnte. Ebenso wurde im dritten Kapitel der Zusammenhang der Johannes-Episode am Schluß mit dem ihr scheinbar ganz fernliegenden Nikodemusgespräch am Anfang aus der Konstellation Steinbock - Krebs vollkommen deutlich. Und nicht anders ist es hier im vierten Kapitel, wo sich an die Episode mit der Samariterin die scheinbar so völlig andersartige der Heilung des Hauptmannssohnes anschließt. Auch für diese Episode enthält, wie für die der Samariterin am Brunnen, die Konstellation Schütze - Zwillinge den entscheidenden Gesichtspunkt.

   Als Zarathustra-Zeichen ist uns dabei das Höhenzeichen der Zwillinge schon im ersten Teile des Kapitels entgegengetreten. Es handelt sich dabei nicht nur um den chronologischen Gesichtspunkt, daß die Ära Zarathustras (des von Plutarch gemeinten Ur-Zarathustra) durch den Frühlingspunkt der Sonne im Sternbild der Zwillinge gekennzeichnet ist, sondern um die ebenfalls im vorigen Kapitel schon berührte Tatsache, daß der Impuls Zarathustras mit seiner Lehre von Gut und Böse, Licht und Finsternis auch geistig ein "Zwillings-Impuls", seine Lehre eine "Zwillings-Lehre" ist. Während die vorangegangene urindische Zeit (das Krebs-Zeitalter) noch ganz hingegeben war der göttlichen Ur-Einheit, lenkt Zarathustra im Zeitalter der Zwillinge den Blick auf die Zweiheit, den Welten-Gegensatz. Das moralische Urproblem wird in gewaltiger Größe zuerst von Zarathustra an die Menschheit herangebracht.

   Es gibt einen zuerst von Rudolf Steiner angegebenen Gesichtspunkt, der die "sieben Zeichen"...*


* Gemeint ist:

1. Hochzeitswunder von Kana (cap. 2)

2. Heilung des Hauptmannssohnes (cap. 4)

3. Heilung des Kranken von Bethesda (cap. 5)


4. Speisungswunder (cap. 6)

5. Wandeln auf dem Meer (cap. 6)

6. Heilung des Blindgeborenen (cap. 9)

7. Erweckung des Lazarus (cap. 11)


...des Christus im Johannes-Evangelium mit der Siebenheit der Sakramente*, ...

      

* Sakramente und kultische Handlungen. Um die Verbindung mit der göttlichen Welt herzustellen, werden im religiösen Leben Rituale vollzogen. Im Christentum werden sie Sakramente, heilige Handlungen genannt, weil Christus selbst in ihnen wirksam ist. Diese Handlungen begleiten das tägliche Leben der Gläubigen von der Geburt bis zum Tod und werden als feierliche Höhepunkte in die Biographie eingefügt.(aus: www.die christengemeinschaft)

Die sieben Sakramente in der Christengemeinschaft sind (bei Hermann Beckh nicht aufgezählt):

die Taufe. Durch die Taufe wird der Mensch in die Christenheit aufgenommen.

die Konfirmation. Durch die Konfirmation wird der Schritt von der Kindheit in die Jugend begleitet.

die Beichte. Das eigene Leben wird angeschaut und dadurch gestärkt.

die Menschenweihehandlung ist das Sakrament von Brot und Wein.

die Trauung segnet die Lebensgemeinschaft.

die Priesterweihe. Durch die Priesterweihe werden Priester geweiht.

die Heilige Ölung hilft die Schwelle zur geistigen Welt zu überschreiten

 

...diese wiederum mit der Siebenheit der großen "nachatlantischen Kulturperioden" der Menschheit in eine innere Beziehung bringt. So ist z.B. die Beziehung des ersten jener Zeichen, des durch Christus bei der Hochzeit zu Kana gewirkten Wandlungswunders zum Sakramentalen der Taufe im Johannes-Evangelium selbst S243 offensichtlich, wenn man weiß, daß die sort erwähnte "Reinigung" (griech. katharismos) eine Art Taufzeremonie bedeutet. Es ist nichts anderes, als das zuerst bei der Wassertaufe des Johannes im ersten Kapitel angeschlagene "Motiv der Taufe", das uns dann im zweiten Kapitel wieder begegnet. Auch die Konstellation Wassermann deutet darauf hin. Kennt man weiterhin die Beziehung, wie sie zwischen dem Wasser überhaupt, den"Wassern des Jordans" dann noch in einem ganz besonderen Sinne und dem Wesen des Ätherischen besteht, und erinnert man sich dabei der ganzen Rolle, die das Wässrige physiologisch bei der Geburt spielt, so wird man auch verstehen, wie jene an die atlantische Flutkatastrophe sich anschließende menschliche Frühkultur (die erste, "urindische" Periode) noch ein gewisses Hinschauen auf die paradiesische Urvergangenheit des Menschen, wo alles noch mehr im Ätherischen war, in sich schloß. In diesem Sinne spricht Novalis in den "Lehrlingen zu Sais" über die ätherischen Urgewässer: "Wie diese Wellen lebten wir in der goldenen Zeit; in buntfarbigen Wolken, diesen schwimmenden Meeren und Urquellen des Lebendigen auf Erden, liebten und erzeugten sich die Geschlechter der Menschen in ewigen Spielen; wurden besucht von den Kindern des Himmels, und erst jener großen Begebenheit, welche heilige Sagen die Sündflut nennen, ging diese blühende Welt unter; ein feindliches Wesen schlug die Erde nieder, und einige blieben geschwemmt auf die Klippen der neuen Gebirge in der fremden Welt zurück."

   Wie das Sakrament der Taufe des Neugeborenen, enthält die erste nachatlantische Kulturperiode die Beziehung zum ätherisch-mütterlichen Elemente der "Urgewässer", und beides finden wir wiederum anklingend in den Geschehnissen von Kana und in der ganzen dortigen Mysterien-Sphäre. Die innere Hinordnung zu dem, was dann in der "zweiten nachatlantischen Kulturperiode", im Zarathustra-Zeitalter, in jener Ära also sich vollzieht, wo der Mensch zum erstenmal vollbewußt auf den Weltengegensatz von Gut und Böse, Licht und Finsternis hinblickt, hat dann dasjenige Sakrament, welches in den späteren Entwicklungsjahren des jungen Menschen der Taufe nachfolgt. Wie mit der Geburt und Kindheit die Taufe, S244 verbindet sich mit der Jugend, mit demjenigen Lebensalter, wo der junge Mensch in der Geschlechtsreife des geschlechtlichen Gegensatzes, damit zugleich aber gewisser moralischer Probleme und Forderungen, des Gegensatzes von Gut und Böse sich bewußter wird, das Sakrament der Konfirmation. Dieser Gesichtspunkt führt uns dann zugleich an die geistigen Hintergründe des zweiten der sieben Zeichen, der am Schlusse des vierten Johannes-Kapitels erzählten Heilung des Hauptmannssohnes zu Kapernaum näher heran.

   Wir verstehen von hier aus deutlich, inwiefern die Konstellation Zwillinge - Schütze auch den Schlußteil des vierten Kapitels beherrscht. In den Zwillingen wird die unterscheidende Erkenntnis von Gut und Böse, Licht und Finsternis urprünglich als ein göttlicher Impuls gegeben. Durch die Erdenkräfte des Verstandes (Schütze) wird das alles ins Niedere, Irdisch-Menschliche gezogen. Die Widersachermächte Luzifer und Ahriman, kommen jetzt an das Menschenwesen heran. Aus den "himmlischen Zwillingen" (Zwillinge) ist jetzt die Zweiheit der Widersachermächte geworden. Im Lebensalter der Geschlechtsreife, wo auch der Intellekt, das verstandesmäßige Denken in der Menschenseele heranreift, wird dasjenige, was in der Gesamt-Kulturentwicklung der Menschheit im Zarathustra-Zeitalter in besonderer Weise erlebt wurde, gleichsam in der einzelnen Lebensentwicklung durchgemacht.

   Das vollzieht sich nicht immer ohne innere und äußere Schwierigkeiten, Krisen und Anfechtungen. Das körperliche und seelische Gleichgewicht ist durch diese Entwicklungskrisen in erheblichem Maße gefährdet und bedroht. Damit ist zugleich auf das Rätsel der Erkrankung des Hauptmannssohnes und seiner Heilung durch Christus hingedeutet. Eine Krisis der Entwicklungsjahre hat das Kind in hitzige Fieberzustände gebracht. Die "Weltengegensätze" haben sich fühlbar gemacht. Die Erzählung läßt durchblicken, daß das Kind durch die Macht der Blutszusammenhänge tief mit dem Vater verbunden ist; daß der Christus dieses weiß, und es zuerst dem Vater als "Glaubensschwäche", als Schwäche des "Willens im Ich" anrechnet, daß er fremde Hilfe anruft, von äußerer Magie S245 das Heil erwartet, wo die innere Magie des Ich den Ausgleich der Weltengegensätze zu wirken berufen wäre. Es ist eins der immer wieder anklingenden Motive des Johannes-Evangeliums: der Weg vom Vater zum Sohn aus der Macht des Ich heraus wird so schwer gefunden. Da deutet der 50. Vers - wie immer in solchen Fällen leise - auf eine Wandlung in der Seele des Vaters, die durch das Christus-Ich ausgelöst wird. Im Willen erwacht das väterliche Ich. Es ist nicht nur das magische Wort des Christus, das die Heilung bewirkt. Sondern wie beim ersten Zeichen, dem Verwandlungswunder von Kana, die Kraft der Mutter intim mitwirkte, so hier, bei der Heilung des Hauptmannssohnes, die Kraft des Vaters. Beide Zeichen stehen in einem intimen Zusammenhang, der auch durch die örtliche Nähe (V.46) angedeutet ist. Wie beim zweiten Johannes-Kapitel die Mysterien des Weiblichen und der Mutter, stehen beim vierten diejenigen des Männlichen und des Vaters im Hintergrund. Schon hier - wie bei der Samariterin am Brunnen - kündigt sich der Wille im Ich als das im letzten Grunde die Heilung Bewirkende, und damit zugleich bereits das Motiv des folgenden Kapitels an.

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7. Der Kranke von Bethesda

(Joh.5)

Skorpion - Stier


S246   Bedeutungsvoll fanden wir im vierten Johannes-Kapitel anklingen das Motiv, das wir nennen können:  der Wille im Ich, in dem sich das Männliche in der Seele offenbart, jenes "Element des Mannes", als welches schon für Novalis die reine Willenskraft dasteht. Schon die Hochzeit von Kana offenbarte jenen Gegensatz des Männlichen in der Seele als desjenigen, was zwischen dem Ich und dem Physischen des Menschen waltet, dem Vaterprinzip, und dem Weiblich-Mütterlichen als demjenigen, was mehr in der Innerlichkeit wirkt.

   Jener Wille im Ich war es, an den der Christus die nach dem Wasser der neuen Lebensquelle verlangende Samariterin mahnend erinnert, wie er die Aufforderung an sie richtet: "Gehe hin, rufe deinen Mann". Dieselbe Kraft des Willens im Ich, die zugleich als die Ur-Glaubenskraft im Menschen erscheint, such der Christus dann bei dem Vater des kranken Knaben wachzurufen, der die Hilfe zunächst nur von außen, von der fremden Persönlichkeit erwartet. Und wir sahen, wie es neben dem, was von Christus her wirkt, schon etwas von jener Glaubenskraft und Willenskraft im Vater ist, die die Heilung des in der Entwicklungskrise befindlichen Kindes vom Fieber hier zustande kommen läßt, wie es die durch die Christuskraft verstärkte Kraft des Vaters ist, durch die hier dem Sohne geholfen wird (so wie S247 bei dem Verwandlungswunder von Kana die durch die Christuskraft verstärkte Kraft der Mutter in einer gewissen Weise als das Wirksame erscheint).

   Für den ganzen, immer an gewisse Tatsachen und Gesetzlichkeiten des Musikalischen und Symphonischen erinnernden Aufbau des Johannes-Evangeliums war es uns schon öfter aufschlußreich, zu erkennen, wie die in einem Kapitel zuerst angeschlagenen Motive im nächsten wieder erscheinen, wie sie den Inhalt der folgenden Kapitel in entscheidender Weise mit bestimmen. So wird der Inhalt des fünften Kapitels bestimmt durch das Motiv des Willens im Ich in enger Verbindung mit dem Motiv der Heilung, das zuerst im Schlusse des vierten Kapitels erschien. Auch hier erleben wir stark das Männliche in der Seele als das, was unmittelbar zwischen dem Ich und dem Physischen wirkt; Wille im Ich, im Ich des Kranken selbst, erscheint hier als dasjenige, was letzten Endes die Heilung bewirkt. Hier ist es nicht mehr die Kraft des Vaters, die durch Christus als Hilfe für den Sohn aufgerufen wird, sondern die Kraft im eigenen Selbst, und als das eigentliche "Wunder" oder "Zeichen" erscheint nur eben die Art, wie diese Kraft durch Christus geweckt, durch das Wort des Christus aufgerufen wird. "Aus dem Ich die neue Gesundheit" konnten wir das Motiv des fünften Kapitels früherhin nennen (Teil A cap.6).

   Rein äußerlich schließt sich die Heilungsgeschichte des fünften Johannes-Kapitels eng an die er andern Evangelien an (vor allem an die Heilung des Gichtbrüchigen Mark.2). Der kosmische Rhythmus ließ im Markus-Evangelium überall deutlich erkennen, wie hier durch die heilende Kraft des lebendigen göttlichen Wortes (Stier) die aus dem Todeszeichen (Skorpion) wirkende Macht der Finsternis und Krankheit überwunden wird. In der Tierkreis-Achse des Wortzeichens Stier und des Todeszeichens Skorpion liegen eindeutig all diese Krankenheilungen. Auch der so oft durch eine solche Krankenheilung, besonders wenn sie am Sabbat erfolgt (vgl. Mark.3), aufgerufene Widerspruch der Pharisäer, die ganze dadurch herbeigeführte Auseinandersetzung des Christus mit den S248 Pharisäern liegt in der Polarität der beiden Zeichen: dem lebendigen heilenden Worte des Christus (Stier), so sahen wir, setzt sich da immer entgegen die erstarrte und erstorbene Satzung des Judentums (Skorpion).

   So schließt sich auch im fünften Johannes-Kapitel an die Sabbatheilung die Auseinandersetzung des Christus mit den Juden. Auch in ihr stehen sich Lebensmacht (Stier) und Todesmacht (Skorpion) gegenüber. So ist gerade bei diesem Kapitel des Johannes-Evangeliums die Konstellation bereits durch das Markus-Evangelium eindeutig gegeben. Auf dieselbe Tierkreis-Achse führt folgerichtig der Rhythmus des Johannes-Evangeliums selbst und die ihm eigene Bewegungsrichtung hin: an die Konstellation Schütze - Zwillinge im 4. Kapitel schließt sich da, wenn wir weiter nach abwärts dem Richtungssinne des großen Weltenjahres folgen, im fünften Kapitel die Konstellation Skorpion -Stier. Das finstere kritische Todeszeichen Skorpion ist bei der im Johannes-Evangelium vorherrschenden Betonung der unteren dunkeln Zeichen hier das primär betonte. Das entspricht auch der Tatsache, daß die durch dieses Zeichen angedeutete Menschheitskrisis, die dann den wesentlichen Inhalt der fünf nächsten Kapitel des Johannes-Evangeliums bildet, schon im Schlusse des fünften Kapitels erkennbar ist. Überall werden wir gewahr, wie die bestimmenden Motive eines Kapitels oder Evangelien-Abschnittes schon in dem, was unmittelbar vorausgeht, angedeutet werden, wie ein bestimmter innerer Zusammenhang die einzelnen Kapitel verbindet, der dann auch im "kosmischen Rhythmus" wieder zum Ausdruck kommt.

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   So bildet das fünfte Johannes-Kapitel schon den Übergang von den ersten, den Mysterien-Kapiteln zu den späteren, die wir als die Kapitel der Menschheits-Krisis immer deutlicher erkennen werden, die wir kurz auch als die "Menschheits-Kapitel" bezeichnen können. Ist nichts mehr im Inhalt des fünften Kapitel aufzufinden, was och noch seinen Zusammenhang mit den "Mysterien-Kapiteln" erkennen läßt?

S249  Ein solches deutliches Mysterien-Motiv liegt schon in dem Teiche von Bethesda selbst und der heilwirkenden Kraft seines Wassers. In einem Weihnachtsvortrag erwähnt Rudolf Steiner die Sage von den Samenkörnern des im Paradiese verlorenen Lebensbaumes. Aus diesen von Seth auf Adams Grab gepflanzten Samenkörnern wuchs ein Baum, von dessen Holz verschiedene wunderbare Dinge, zuletzt das Kreuz von Golgatha gebildet wurden. Der zaubermächtige Stab des Moses war aus jenem noch die Kräfte des Lebensbaumes in sich tragenden Holz geschnitten. Und es wurde daraus einer der großen Pfeiler im Tempel Salomonis gezimmert, derselbe Pfeiler, der dann aus einem besonderen Anlasse in den Teich Bethesda versenkt wurde (Albert Steffen hat das Motiv in den ersten Szenen seines (auch bei der Darstellung des Markus-Evangeliums öfter erwähnten) Dramas "Hieram und Salomo" eigenartig verarbeitet). So wirkt auch in den heilenden Kräften seines Wassers noch etwas von der Kraft des Lebensbaumes.

   Was haben wir uns unter diesen "Kräften des Lebensbaumes" vorzustellen? Nichts anderes, als die Kräfte des höheren Äthers, des Lebensätherischen vor allem, also dasjenige, was wir schon aus dem dritten Johannes-Kapitel als das "Lebenswasser" kennen; das "Motiv des Lebenswassers", das dann im vierten Kapitel so bedeutungsvoll wieder erscheint, und von da hinüberwirkt in das fünfte, wo die Wasser von Bethesda noch etwas von jenem Lebenswasser enthalten (der "alten Lebensquelle", wie wir sehen werden). Mit jenen "Kräften des Lebensbaumes" war die Menschheit in ihrem noch mehr ätherischen, ihrem "paradiesischen Zustande" noch wirksam verbunden, da hatte sie noch teil am göttlichen Leben, von dem der "Sündenfall" dann die "Absonderung" bewirkte. Was bewirkte diese Absonderung? Im "Baum der Erkenntnis", so sagt uns die Imagination der Bibel in ihrer sprechenden Deutlichkeit, im vorzeitigen Essen von den Früchten des Erkenntnisbaumes liegt die Ursache, daß der Baum des Lebens verloren ging. Etwas Todbringendes liegt in der "Erkenntnis", die den Menschen seiner paradiesischen Unschuld entfremdet, ihn von den Kindheitskräften des sprießenden Lebens abschnürt. Auch in der S250 hitzigen Fieberkrankheit des Hauptmannssohnes von Kapernaum wirkte jene "Erkenntnis von Gut und Böse", wie sie an den jungen Menschen in der Lebenskrisis des Entwicklungsalters herankommt, wo er den "Sündenfall" des Menschengeschlechts in einer gewissen Weise individuell an sich erlebt. Aber dieselben Kräfte und Kämpfe lassen ihn auch vom Kinde zum Manne reifen, sie bringen nicht nur äußere Männlichkeit, sondern den "Mann in der Seele", den Willen im Ich, in ihm zur Reife. Wie in den höheren Ätherarten, den Kräften des Lebensbaumes (Lebensäther und Klangäther) das Ewig-Weibliche und Weiblich-Mütterliche, so lebt in den unteren Ätherarten (am Wesen der Lichteskräfte entzündet sich "Erkenntnis"), in Lichtäther und Wärmeäther als den Kräften des Erkenntnisbaumes das Ewig-Männliche. Im Todbringenden der Erkenntniskräfte reift zugleich das Ich, zunächst als das dem Göttlichen entfremdete, als das niedere Ich. Nur vom Göttlichen her kann es wieder zum höheren Ich emporgehoben werden. Wie Christus dieses bewirkt, bildet den Inhalt des Johannes-Evangeliums, zunächst seiner fünf ersten Kapitel, der "Mysterien-Kapitel".

   So kling in den Wassern des Teiches von Bethesda zunächst wiederum das "Motiv der alten Lebensquelle", die noch den Zusammenhang mit dem Paradiesesstrom hat. Wer waren die Kranken, die in jenen Wassern ihre Heilung finden konnten? Offenbar gerade diejenigen, die noch etwas von den alten Kräften, von den Engelkräften der Menschheitskindheit oder doch von der Empfänglichkeit für diese Kräfte sich erhalten hatten. Diese Empfänglichkeit ermöglichte ihnen noch immer einen gewissen Zugang zu jener "alten Lebensquelle", in der noch etwas von den Kräften des paradiesischen Lebens wirksam war.

   Vom Geheimnis diese Kräfte spricht das Johannes-Evangelium im 5. Vers, wo von dem Engel die Rede ist, der zu bestimmten Zeiten - in bestimmten Rhythmen - das Wasser des Teichs in Bewegung bringt und ihm dadurch seine heilkräftige Wirkung mitteilt. Wir werden diese - philologisch umstrittene - Textstelle nicht ausmerzen dürfen, wenn wir S251 nicht einen zur Erklärung des ganzen Kapitels unerläßlichen Schlüssel aus der Hand geben wollen. Was wir in einer mehr abstrakten Sprache als "ätherische Bildekräfte" bezeichnen, es erscheint, mit hellsichtigem Blick elementarisch-wesenhaft angeschaut, als die "Welt des Engels".

   Warum konnte der achtunddreißigjährige Kranke, von dem das fünfte Johannes-Kapitel erzählt, die Heilung in dem wunderwirkenden Wasser nicht mehr finden? Ist es nicht mehr als seltsam, daß er so lange Zeit den Versuch macht, und daß ihm jedesmal ein anderer zuvorkommt? Ist nicht, auch wenn wir alles dieses wirklich noch buchstäblich als äußeren Vorgang nehmen könnten, der Vorgang zugleich ein Bild von etwas Geistigem? Wer ist, geistig genommen, der "Andere", der immer vorher ins Wasser steigt? Kennen wir ihn nicht alle nur zu gut, den "Andern", der immer vor uns sich hindrängt, den Andern, der wir im Grunde selber sind, der als das Bild unseres persönlichen Wesens unser oft so unerwünschter Gefährte ist? (Den "Spiegelmenschen" nennt ihn ein moderner Dramatiker - Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray). Zu tief war jener achtunddreißigjährige Kranke schon in die Persönlichkeit hinuntergestiegen, zu sehr in die durch den Sündenfall der Menschheit bewirkte Absonderung von der göttlichen Lebensquelle verstrickt, als daß ihm dasjenige, was von jener Lebensquelle übrig war, noch Hilfe hätte bringen können.

   Stand er oder steht er deswegen in unserer menschlichen Bewertung tiefer als die andern, die noch die Heilung im Wasser finden konnten? Würde eine solche Bewertung dem johanneischen, dem Christus-Sinne entsprechen? Das Gegenteil ist richtig. Das Ich zu entwickeln, war und ist der von Göttern gewollte Sinn der Erde und der Menschheit. Von der "Aufgabe Ich" spricht Novalis in den Fragmenten. Was er aber als Göttergeschenk zur rechten Zeit hätte empfangen sollen, empfing der Mensch durch die Widersachermächte vor der Zeit. Als zweischneidige Waffe erwies sich da die Gabe des Ich, das als das "niedere" - d.h. dem Götterwillen entfremdete - Ich den Träger selbst durch das Seelische bis ins Körperliche hinein trifft und verwundet, ihn den Mächten der S252 Krankheit und des Todes überantwortet. Nicht das Göttergeschenk des Ich dem Menschen auszulöschen, sondern es dem Götterwillen im Menschen zurückzugeben, ist der Sinn des Christus-Ereignisses und die Aufgabe des Menschen. "Die Wunde heilt der Speer nur, der sie schlug" -- dieses Wort, das in Wagners Parsifaldichtung das Ich-Geheimnis ausspricht, wirft auch Licht auf die Geheimnisse des fünften Johannes-Kapitels.

   Weil er zu viel vom Ich in sich hatte, weil er ein im Sinne der Ich-Entwicklung fortgeschrittener Mensch war, konnte jener Kranke die Heilung durch die ätherischen, die Engel-Kräfte des Wassers nicht mehr finden. Nicht von den alten Kräften, sondern nur vom Ich her konnte ihm darum die Hilfe kommen: "Die Wunde heilt der Speer nur, der sie schlug." Für die durch die Trübung des Ich verursachte Krankheit wird der Wille im Ich, jene reine Willenskraft, von der Novalis sagt, daß sie das "Element des Mannes" ist, und daß wir durch sie gesund sind und werden, die Heilung.

   Darum ist dieser Wille im Ich auch der Punkt, an dem Christus die Möglichkeit findet, helfend einzugreifen, wenn er an jenen Kranken die Frage richtet: "Willst du gesund werden?" Nicht um irgendeine magische Heilwirkung von außen ist es ihm zu tun, sondern den Willen im Ich, die "Kraft in ihm selbst" will Christus im Kranken erwecken.

   Wie in einem andern Fall, den wir aus dem Markus-Evangelium kennen (ME160ff), das rechte Wort, so erweckt Christus hier im 5. Johannes-Kapitel den rechten Willen. Dieser Wille im Ich, diese Kraft "in ihm selbst" ist dann bei der Heilung des Kranken das eigentlich Wirkende.

   Man bedenke einmal, welche Kräfte des Willens veranlagt sind in dem Kranken, der achtunddreißig Jahre hindurch den Mut und die Hoffnung nicht aufgibt, gesund zu werden, der trotz ununterbrochener, beharrlicher Fehlschläge immer wieder den Versuch unternimmt, das heilspendende Wasser zu gewinnen, der, das Göttliche in der leiblichen Gesundheit erfühlend, mit allen Kräften der Sehnsucht, mit aller Inbrunst S253 der Seele diese Gesundheit erstrebt und begehrt. Prägen wir uns das ganze Bild dieses Kranken lebendig ein, so werden wir erkennen: er war im Grunde in ihm, jener Wille, der ihn dann wirklich gesund machte. Aber der Fluch der Menschheit lastete auf diesem Willen, da war er noch wie in einem Banne, wie in einer Verzauberung. Und nur Christus, das göttliche Urbild des menschlichen Ich-Wesens selbst, nicht die gefallene Menschennatur vermag diesen Bann zu lösen. Es war wie bei der Samariterin am Brunnen, zu der Christus sagt: "Der Mann, den du hast, der ist nicht dein", was Meister Eckhart dann erklärt: "Das war ihr freier Wille, der gehörte ihr nicht, denn er war gebunden in Todsünden, und sie hatte keine Macht über ihn: wessen man nicht mächtig ist, das gehört einem nicht; es gehört mehr dem, der die Macht hat."

***

   Erst das fünfte Johannes-Kapitel läßt uns in voller Tiefe die Menschheitskrankheit, und in der Menschheitskrankheit die Tiefe des menschlichen Sündenfalles erleben. Erst jetzt berühren wir ganz tief und schmerzlich die Welt der Sinne - die in den "fünf Hallen" jener Heilstätte (Joh.5,2) wie im Bilde vor uns liegt -, während wir in den vorausgehenden Mysterien-Kapiteln noch wie in einem Höhenlichte lebten, in einer vom allgemeinen Menschheitsleiden noch nicht voll berührten Höhenluft atmeten. Die Atmosphäre des fünften Kapitels - wir fühlen es sogleich - ist eine andere: über ihr liegt es wie ein schwerer stickiger Dunst von allen Gebresten der Menschheit. In den größten aller Gegensätze hat uns die dieses Kapitel beherrschende Konstellation, die Tierkreis-Achse Skorpion- Stier geführt: während wir in dem einen dieser Zeichen, im Stier wieder beim "Wort im Urbeginn", das auch hier seine göttlich heilende, den heilenden Willen im Menschen-Ich weckende Macht offenbart, angelangt sind, läßt uns das andere Zeichen Skorpion die ganze Tiefe des menschlichen Sündenfalles, den ganzen kritischen Ernst der Menschheitskrankheit und der in ihr wirkenden Todesmächte erleben. 

S254  Auch für den ganzen nun folgenden Streit über die Sabbatheilung, für die ganze Auseinandersetzung zwischen Christus und den Juden (V.16ff), so sahen wir, ist diese Konstellation Skorpion - Stier charakteristisch. Das Lebendige des göttlichen Wortes (Stier) in Christus und seiner heilenden Liebeskräfte (Venus) und das am erstorbenen Gesetzesbuchstaben festhaltende, den Todesmächten Skorpion und ihrer finsteren Dämonie (Mars) verhaftete Judentum stehen sich da gegenüber. Hinter dem toten Buchstaben der steinernen Gesetzestafeln sieht der Christus noch die an Moses ergangene lebendige Offenbarung des Göttlichen im Sinaiwort, zu der das jüdische Pharisäertum nicht mehr hindurchdringt (Joh.5,45-47, dann 1Kor.10,4). Der Gegensatz der Todesmacht (Skorpion) und der Lebensmacht (Stier) waltet da auch zwischen Schrift und Wort: "So ihr aber seinen (des Moses) Schriften nicht glaubet (sie nicht mehr lebendig im Herzen vernehmt), wie könntet ihr da noch meine Worte lebendig im Herzen vernehmen?" (V.47).

   In alldem wirkt die große Menschheits-Krisis, die dann der Inhalt der folgenden Kapitel (6-10) bildet, schon herein, so wie ja auch das Zeichen dieser Krisis, als das wir immer den Skorpion erkannten (ME119ff),180ff,310ff), schon über dem fünften Johannes-Kapitel steht. Wie fast überall im Johannes-Evangelium, erscheint auch hier das leitende Motiv eines Kapitels oder Abschnitts schon im Vorausgehenden angedeutet. So finden wir bereits im Schlusse des fünften Kapitels, in der Auseinandersetzung des Christus mit den Juden, immer wieder die Worte "krinein - scheiden, richten" und "krisis - Scheidung, Gericht" (V.22,24,27,30, neben vielen anderen dem Bilde des irdischen Gerichtsverfahrens entnommenen Ausdrücken).

   Für die Erkenntnis der geistigen Hintergründe dieser ganzen Auseinandersetzung, wie der ganzen in den folgenden Kapiteln des Johannes-Evangeliums geschilderten Krisis, ist in der Antwort des Christus wichtig jener erste, zur Rechtfertigung der Sabbatheilung vor den Juden vorangestellte Satz (V.17), der in Luthers (hier schwer verständlicher) Übersetzung lautet: "Mein Vater wirket bisher, und ich wirke auch." Klarer wäre: "Bis hierher S255 wirket mein Vater, und nun wirke ich." Der Sinn ist: In der jetzt abgeschlossenen Vergangenheit offenbarte sich das Wirken des Vaters in den Zwangsläufigkeiten der Gesetzesnotwendigkeit; von jetzt ab aber, von der Gegenwart an und in die Zukunft hinein wirkt das Ich, in dem die schöpferische Freiheit sich offenbart. In dieser Offenbarung des Ich vollzieht sich der Übergang vom Vater zum Sohn als der Übergang vom Toten zum Lebendigen (Joh.5,24), von der Notwendigkeit zur Freiheit, vom Gesetze zur Gnade. Ein Grund-Motiv des Johannes-Evangeliums, das schon in den Eingangsworten (cap. 1 V.17) enthalten ist: "Das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit (d.h. innere Freiheit im Lichte des unverlöschlichen Bewußtseins) ist durch Jesus Christus geworden."

   Dieses Wirken aus der bis dahin verborgenen Kraft des im Lichte der klaren Weltenwahrheit lebenden Ich steht jetzt erst in seinem Anfang, es wird sich in der Zukunft bei den zum Ich Berufenen (den "Seinigen", Joh.1,11.12) immer machtvoller offenbaren, "denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst schöpferisch wirkt, und wird ihm noch größere Werke zeigen als diese, daß ihr euch verwundern werdet" (Joh.5,20). Die Liebe im Urbeginn ('Il primo Amore') wollte dieses Fortschreiten zum Ich, in dem das Geschöpf sich selbst zur schöpferischen Freiheit entwickelt. Die Art, wie sich in rein ridisch-menschlichen Verhältnissen die Liebe des Vaters zum Sohn offenbart, kann wie der irdische Ausdruck und zugleich wie ein bedeutungsvolles Bild desjenigen angesehen und erkannt werden, was im johanneischen Sinn, im weltentiefen Sinne des Johannes-Evangeliums die Liebe des Vater zum Sohne ist,*...


* In einem bemerkenswerten Aufsatz -"Götterdämmerung und Auferstehung" (Christengemeinschaft IV12) zeigt Emil Bock, wie das johanneische Motiv der "Liebe des Vaters zum Sohn" auch bei Wagner (Ring, Tristan, Meistersinger, Parsifal)

eine entscheidende Rolle spielt. Auch dort ist erkennbar, wie jener Übergang sich erst im christlichen Mysterium vollzieht, und wie da, wo er unvollkommen bleibt, Menschheitstragik sich offenbart.


...vgl. auch Joh. 3,35: "Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben."

S266   Im "Übergang an den Sohn", im Ich-Erlebnis, vollendet sich erst der Sinn der Vater-Schöpfung, der Wille des Vaters. Nicht also zwischen Vater und Sohn liegt die Scheidung der Geister, die Krisis; erst in der Menschheit, da wo sich das Menschheitliche jenem Übergang vom Vater zum Sohne im Ich verschließt, offenbart sie sich. Da wird das Ich selbst der Menschheit zur Krisis, zu dem entscheidenden Punkte, wo die Geister sich scheiden, wo sich zeigen muß, ob der Sinn des Menschentums ergriffen oder ob er von der Seele zurückgewiesen wird, Joh. 5,22f): "Denn der Vater richtet niemand; sondern alles Gericht hat er dem Sohne gegeben, auf daß sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren". Nicht daß irgendein richterlicher Zwang geübt wird, sondern daß die Finsternis im Ich sich dem Lichte verschließt (Joh.3,19), ist das Wesen dieses "Gerichts", dieser "Krisis".

   So ernst offenbart das fünfte Johannes-Kapitel den Gegensatz der Lebensmacht (Stier) und der Todesmacht (Skorpion), der Lebensmacht, die den Menschen zur Freiheit und Vollmacht des eigenen Ich wiederum aufrufen will, so daß aus der wiedererwachten Macht dieses Ich die Sündenkrankheit und mir ihr die Krankheit des Leibes selbst geheilt wird, und der Todesmacht, die sich diesem lebenerweckenden und heilungbringenden Durchbruch des Ich gerade verschließt, die, in die Wahl zwischen Leben und Tod, Zwangsläufigkeit und Freiheit gestellt, den Tod erwählt, beim starren Gesetzeszwang der Todesmächte, die bis dahin gewaltet haben, stehen bleiben möchte. In der Art, wie der Sabbath, der Saturnstag, der Todes-Tag bei den Juden heilig gehalten wird, findet das alles seinen reiligiös-kultischen Ausdruck (Über die tieferen spirituellen Hintergründe bei alledem s.ME86f).

   Das Erscheinen des Christus auf Erden ist die Welten-Schicksalsstunde, wo auch für die ins Grab des Irdischen, der physischen Leiblichkeit eingekerkerten Seelen die Stimme des Geistes vernehmlich wird (Joh. 5,25-29). Dem Rufe zum Leben folgt die Seele aus der Freiheit des Ich, zu der sie sich nur im Lichte des Bewußtseins erheben kann, in jenem Lichte, dem sie sich auch wiederum nur selbst S257 verschließen kann, wenn sie durch ihre Taten die Finsternis um sich gezogen, das Gewebe der Finsternis um sich gesponnen hat: "das Licht scheinet in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen." Innerste Geheimnisse der seelisch-geistigen Tatenwirkung, des Karma sind im 28. und 29. Verse des fünften Johannes-Kapitels (dazu auch Joh.3,17-21) von Christus, dem "Herrn des Karma" ausgesprochen. Nur die selbstgeschaffene, selbstgewobene Finsternis im Herzen kann bewirken, daß die Lichtstrahlen der geistigen Welt das Herz nicht erreichen, daß die Stimme des Christus im Herzen nicht widerklingt. In diesem Widerklingen im Herzen liegt das Geheimnis des "Glaubens" beschlossen. Die Geheimnisse des Schicksalsbuches (Karma) und des Lebensbuches, in dem die ewigen Namen geschrieben sind (Teil A cap.7), leuchten darin auf. Von da aus verstehen wir dann Joh. 3,18, wo das Geheimnis der Krisis, des "Gerichtes" zum erstenmal anklingt: "Wer an ihn glaubet, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet, denn er glaubet nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr denn das Licht, denn ihre Taten belasteten ihr Schicksal" (Luther 'denn ihre Werke waren böse'). Das griechische Wort, das Luther mit "böse" übersetzt, von Ponos (Last), heißt eigentlich "lastvoll, belastend" und drückt das karmisch Belastende, Niederdrückende, Verfinsternde des menschlichen Tuns aus.

   So erscheint das zuerst im dritten Johannes-Kapitel angeschlagene "Motiv der Krisis" bedeutungsvoll wieder im Schlusse des fünften, um von da aus auf den ganzen folgenden Abschnitt des Johannes-Evangeliums (cap. 6-10) ein entscheidendes Licht zu werfen.

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Johannesevangelium 8