MASMÜNSTERS ENTSTEHUNG
(Stöber I,59S3)
Der reiche Graf Maso, der Besitzer des Schlosses Ringelstein (Der am Eingange des Städtchens, aus der Wiese herausragende, an der Doller gelegene Masostein, der noch geringe Mauerreste zeigt, gilt als Ueberrest dieses Schlosses.) hatte nur ein einziges Kind, einen Knaben von acht bis zehn Jahren, Nun geschah es, daß die heilige Odilia, welche seit wenigen Jahren erst, 720, in den Himmel aufgenommen worden war, den frommen, lieblichen Knaben, in Begleitung seines Vaters und dessen Schwester, der heiligen Attala, durch das Dunkel der nahen Waldung kommen sah. Bei dem Gedanken, wie vielen Widerwärtigkeiten und Anfechtungen derselbe noch im Leben ausgesetzt sein könnte, bat sie Gott, ihn doch jetzt, in der Blüte der Reinheit seines Herzens und Wandels, zu sich zu nehmen. Die Bitte wurde ihr gewährt, und alsogleich erschien sie den einsam Wandelnden in ihrer ganzen Himmelsglorie. Alle drei wurden durch die hehre Erscheinung von freudigem Schauer ergriffen und sanken betend auf ihre Knie nieder. Einige Tage darauf fiel der Knabe in die Doller und ertrank. S95
Darüber betrübte sich der unglückliche Vater so sehr, daß er beschloß auf allen Glanz und Reichtum der Welt zu verzichten. Er ließ ein Frauenkloster bauen und errichtete über dem Grabe seines geliebten Kindes ein Münster, unter der Patronschaft des heiligen Leodegar, der Odilias Oheim war. Es wurde von ihm Masos Münster genannt, und später entstand um dasselbe herum das freundliche Städtchen Masmünster.
DAS HEILIGE KREUZ ZU NIEDERMUENSTER
Wir treffen die Erzählung zum ersten Mal bei dem Humanisten Jakob Wimpfeling 1508 an. Sie findet sich dann bei Hieronymus Gebwiller in seinem Buche <<S.Odilien Fürstlichen herkommens, heiligen lebens und wandels Histori>> (1521). Der Jesuit Lyra von Molsheim berichtet, daß er die Legende in einer aus der alten Kartause von Straßburg stammenden Handschrift vom Jahre 1434 gefunden habe. (Die Kartause befand sich vor den Toren der Stadt Straßburg in dem Gelände zwischen dem heutigen Eckbolsheim und Könighofen. In der Reformationszeit zwang man die Mönche, ihr Kloster zu verlassen. Sie siedelten sich in Molsheim an. Das Archivum Sacristiae dieses Klosters bietet eine Summe interessanten Materials.) Pater Lyra veröffentlichte den vorgefundenen Text 1671 in lateinischer, 1672 in deutscher Sprache. Was in den früheren Berichten nur kurz angedeutet war, wird von ihm in breiter Ausführlichkeit erzählt.
Die Begebenheit wird in die Zeit Karls des Großen verlegt. Hugo von Burgund, den Neider bezichtigen, <<dem König Karl>> nach dem Leben getrachtet zu haben, konnte seine Unschuld glänzend beweisen. Karl überreicht ihn <<ein hüpsches, vergültes Lädlein, darinn ware Kostlich Heilthumbt. Namlich die beschneidung vnseres Herren Jesu S96 Christi, von dem Creutz Christi, von vnser Frawen Kleidung, von den armen S.Basilien vnnd Dionisij, auch vil anderer heiligen gebein.>> (Gebwiller). Da er sich nicht für würdig hielt, einen solchen Schatz zu besitzen, wollte er ihn <<in ein CREVTZ mit SILBER beschlagen fassen vnd dasselbig Creutz einem Cämelthier vflegen, wohin dan daß Cämelthier diss Creutz hintrug, da solt es bleiben>>. (Gebwiller.) Fünf fromme Ritter sollten nachfolgen, <wo es hin gieng>>. Das Kamel zog durch Burgund und kam endlich ins Elsaß <<gegen Niedermünster zu, vnnd gieng daselbs an die port, als ob es kloffen wollt, vnd stund still>>. (Gebwiller.)
Auffallend ist, daß die Legende mit der nachweisbar erheblich älteren Erzählung des <<Willehalm>> eine große Aehnlichkeit zeigt. Karl der Große steht im Mittelpunkt. Verurteilung, Begnadigung, Ueberlassung der Reliquien ganz wie in unserer Legende. Aber von Niedermünster ist nicht die Rede. Auch fehlt das Kamel, das an der Menschen Statt allein die Entscheidung zu treffen hat. Und das Kamel ist ein sicheres Zeichen dafür, daß wir es mit einem Zusatz zu tun haben, der aus der Zeit der Kreuzzüge stammt.
Karl der Große hat aus dem Osten Reliquien erhalten, doch nirgends finden wir eine zuverlässige Notiz, daß Niedermünster für ihn und seinen Kreis die in der Legende gekennzeichnete Bedeutung gehabt habe. Man vergegenwärtige sich nur, daß in den Dokumenten dieser Zeit nur das Kloster Hohenburg erwähnt wurde, und daß nicht einmal der Name der Heiligen fällt, die dieses Kloster gegründet haben soll, der Odilia. Ein verehrtes Kreuz war in Niedermünster vorhanden. Doch darüber kann kein Zweifel sein, daß es um 1180 noch nicht dort war. Herrad von Landsberg, die in ihrem Hortus Deliciarum alles anführt, was den Berg und seine nächste Umgebung verherrlichen kann, weiß nichts von einem solchen Kreuze. Der - aus allen ihm erreichbaren Quellen schöpfende - Sammler und Kompilator Herzog weiß 1592 folgendes zu berichten: <<Dasselbst ist ein Creutz von Silber vnnd Golde, in welches S97 mit alten Buchstaben geschriben, im jar nach der Menschwerdung Christi 1197 ist dises Creutz gemacht worden, von Edelinda, Ebtissin, jhrer Regierung im 22. Jarvnder Henrichen, Römischen Keiser vnnd König zu Sicilien, seines Reichs im sechsten jar>>. Danach wäre die Errichtung des Kreuzes in die Zeit nach dem Tode der Herrad von Landsberg zu setzen.
Ich lasse nun die Fassung, die Stöber der Legende gegeben hat, folgen:
Ein Graf, nach andern ein Herzog von Burgund, namens Hugo, hatte im Jahr 803 von Karl dem Großen kostbare Reliquien zum Geschenke erhalten und wollte dieselben hinwieder einer heiligen Stiftung zuwenden. Er ließ deshalb einer heiligen Stiftung zuwenden. Er ließ deshalb ein mit silbervergoldeten Platten belegtes und reich verziertes Kreuz verfertigen, in welches er die Heiligtümer verbarg. Sodann lud er dasselbe auf das Kamel und befahl fünf von seinen angesehensten Rittern, dem Tiere freien Lauf zu lassen und ihm zu folgen. Es hielt zuerst in St.Nabor stille, und man bezeichnete den Ort später durch eine Kapelle. Sodann stieg es das Tal aufwärts und gelangte nach Niedermünster, welches somit in den Besitz der Reliquien kam, unter welchen sich sogar die alte Krone der allemannischen Könige befunden haben soll.
Etwas rechts von dem Wege, der von Truttenhausen nach Niedermünster führt, steht die St.Jakobs-Einsiedelei, die, nach der Sage, von den fünf burgundischen Rittern erbaut worden ist, welche den Rest ihrer Lebenstage in der Einsamkeit zubringen wollten.
RICHARDIS
Die Legende, deren Kernstück erst im 10. Jahrhundert, also eine beträchtliche Zeit nach dem Tode der Heiligen, nachweisbar ist, enthüllt uns die Seelenstimmung und die S98 Glaubensbedürfnisse einer ganz bestimmten Zeit. Die Eingeschränktheit des geographischen Horizontes hatte wohl manche Nachteile, gewiß aber auch den Vorteil, daß sie die Möglichkeit einer durch die Außenwelt weniger abgelenkten Innenschau und Gemütsvertiefung, wenn nicht schuf, so doch erleichterte. Wenn man die Blicke rückwärts lenkte, suchte man nach Gestalten, die dem entsprochen haben könnten, was jetzt als Wunschbild einen beseelte und hochhielt. Im Elsaß kam außer der Odilie in erster Linie Richardis in Betracht. Frauen waren es. In ihnen sind die Bedingungen religiöser Hingabe am schönsten vorhanden. Das Seelenhafte, das stärker als das immer mehr im Schwinden begriffene Aktiv-Geistige in weiten Kreisen damals gepflegt wurde, war sozusagen in dem Wesen der Frau in seiner schönsten Blüte beobachtbar. Die Frau war geradezu die Verkörperung des Seelenhaften. Daß die an Innigkeit wachsende Marienverehrung eine solche Haltung mit ihren besten Kräften nährte, bedarf keines besonderen Nachweises. Richardis als eine Frau, die sich allen Anfechtungen und Hemmnissen zum Trotz in die Zone reiner seelischer Virginität erhob, war für die religiös erregte Phantasie ein willkommenes Bild. Was die Ueberlieferung sonst noch von ihr berichtete, wurde hervorgeholt und wunschgemäß umgestaltet: Richardis wurde zur Heiligen, die ihre Unschuld durch das Bestehen der Feuerprobe bewies.
Wer durch die Schule der modernen Naturwissenschaft hindurchgegangen ist, wird gerade in diesem Zuge der Legende eine unmögliche Ueberhöhung des historischen Tatbestandes erblicken. Daß jemand vom Feuer nicht versehrt wurde, widerspricht allen Erfahrungen der heutigen Zeit: so wird man zu dekretieren geneigt sein. Wenn es aber doch Fälle gab, in denen die geistige Kraft stark genug war, den Körper durch die Pein der Flamme zu tragen? Liegen hier nicht Phänomenkomplexe vor, die durch eine sture Negation nicht aus der Welt geschafft werden S99 können? Mit der Verfeinerung und Vergeistigung der Anschauungen und Methoden wird dieses Problem sicher seine Lösung finden. Ob mit der Feuerprobe nicht auf in gewissen esoterischen Kreisen bekannte Form seelisch-geistiger Bewährung hingewiesen werden soll, oder ob es sich um eine im Physischen sich vollziehende Prozedur eines Gottesgerichts handelte, soll vorläufig nicht entschieden werden. Zunächst interessiert uns die Frage. Was sagt die älteste erfaßbare Ueberlieferung? Kennt sie bereits eine im Konkreten realiter vollzogene Feuerprobe? Hierauf ist mit einem runden Nein zu antworten. Alte Breviere enthalten wohl von einer bestimmten Zeit an die Erzählung der Feuerprobe. Doch das römische Brevier von 1865 hat gerade diesen Punkt weggelassen. Hat die Kirche damit ihre frühere Auffassung korrigiert? Im Volke lebte die Erzählung ruhig weiter: Richardis habe die Feuerprobe bestanden, als das <<wachsbestrichene Hemd>> vor einer ganzen Versammlung angezündet worden war, und das Feuer ihrem Leib keinen Schaden zufügte. Doch für die Wissenschaft erhebt sich die Frage: Ist das historische Bild der Heiligen auf Grund des überlieferten Materials tatsächlich rekonstruierbar? Ist es möglich, eine jahrhundertealte Uebermalung wirklich zu beseitigen?
Eine Notiz, die sich bei ältesten Chronisten findet, erregt unsere Aufmerksamkeit. Danach stammt Richardis' Vater aus Schottland. Die spätere Ueberlieferung ließ diese Tatsache wieder fallen und machte aus Erchenger einen Ettichonen. Wie, wenn man jede Erinnerung an Schottland und wohl gar an die iro-schottische Mission bannen wollte, um jede Abweichung von der einwandfrei römisch-katholischen Einstellung des Grafen sowie der Richardis a limine abzuweisen?
Legende und Geschichte divergieren meines Erachtens hier in einer auffallenden Weise, die uns zeigt, daß die Kirche eine ihr genehme Gestalt zur Erweckung von Frömmigkeits- und Andachtsgefühlen verwendet, wie sie es aus S100 volkserzieherischen Gründen für zweckmäßig hält. Unter keinen Umständen durfte Richardis mit einer Bewegung in Verbindung gebracht werden, die nicht rein petrinisch-katholisch war. Die Kirche hat sich ja auch alle Mühe gegeben, die Differenzen, die zwischen der iro-schottischen Auffassung und der ihrigen bestehen, als unerheblich hinzustellen, ja überhaupt völlig zu beseitigen. Die Dokumente, die über die iro-schottische Mission berichten, sind, worauf wir schon aufmerksam machten und was ich nicht energisch genug hervorheben kann, von vornherein im Sinne der Kirche gehalten oder überarbeitet werden. Verlorene Liebesmühe! Die spirituelle Basis der iro-schottischen Religionsgemeinschaft - ich will den Ausdruck <<Kirche>> nicht gebrauchen - ist johanneisch und gründet in einer Christusauffassung, die sich von der petrinischen Roms in Wesentlichem unterscheidet. Sie ist dokumentarisch nicht mit der gleichen Deutlichkeit erfaßbar wie die offizielle Kirche, aber sie lebt in mündlicher Tradition im Verborgenen immer weiter und taucht nur ab und zu in einer dann von der Kirche sofort als häretisch verurteilten und gebrandmarkten Form auf. Die Linie der Kontinuität solcher Phänomene aufzusuchen, ist eine nicht gering zu achtende Aufgabe eines Historikers, dem die Erforschung der Wahrheit höchste Pflicht ist.
Wenn Richardis' Vater der iro-schottischen Richtung angehört hätte, und die Notiz, daß er aus Schottland stammte, diesen Tatbestand in einer verhüllenden Form dennoch zu erkennen gäbe, dann wäre auch Richardis' Art der religiösen Einstellung völlig klar, und ihr durch die Verheiratung mit Karl dem Dicken notwendig gewordenes Bekenntnis zum römischen Katholizismus würde an der Grundrichtung ihrer Herzensüberzeugung nichts geändert haben: Es war eben wie die Heirat eine durch die politische Verhältnisse diktierte Konzession. Richardis hätte in Christus das hehre Sonnenwesen gesehen, als das ihn die iro-schottische Kirche preist und feiert. Sie würde S101 auch die keltischen Sonnenmysterien als die Stätten angesehen haben, an denen man auf den <<Kommenden>> hinwies.
Ich knüpfe, um den Blick des Lesers in die von mir gemeinte Richtung zu weisen, an einen Namen an, der die verschiedensten Interpretationen erfahren hat. Das ist Eleon, die Bezeichnung des Ortes, an dem Richardis ein Kloster gründete, also Andlau und seine Umgebung. Christliche Frömmigkeit hat aus Eleon eine Oelburg gemacht und mit dem griechischen <<elaion>> in Verbindung gebracht.
Es ist ja auch tatsächlich später von Hedwig, der Mutter des Papstes Leo IX. ein solcher Oelgarten dort angelegt worden. Jedenfalls ist der Oelbaum für ein esoterisches Christentum ein Zeichen, das mit der Ich-Entwicklung in Zusammenhang steht und bereits in vorchristlicher Zeit von den Griechen als ein Symbol, das die Ich-Entwicklung in Attika fördern sollte, mit Athene, der Göttin der Weisheit, in Verbindung gebracht worden. Trotzdem wird diese Deutung des Namens angesichts der spezifisch-elsässischen Verhältnisse nicht übernommen werden dürfen. Man hat das Wort Eleon deshalb aus dem Keltischen ableiten wollen. Man zog <<e>> = eng und <<luibin>> (luib) = Tal heran. Eine Deutung, die der geographischen Situation gerecht würde. Andere Forscher verwiesen auf das Wort <<hely>> = Jagd, das mit dem deutschen hallo verwandt ist. Wie ich glaube, führt uns das Germanische eher auf die richtige Spur. Hal und Hell: das sind Bezeichnungen, die Akustisches und Optisches verbinden. In den alten Mysterien nahm man geistig den Sonnenaufgang als ein Tönen wahr. Man erinnere sich daran, wie Goethe dies in seinem <<Faust>> festhielt:
Die Sonne tönt nach alter Weise...
und:
Tönend wird für Geistesohren
Schon der junge Tag geboren.
S102 Eleon war eine Sonnenweihestätte. Wenn berichtet wird, daß Richardis' Eltern bereits hier eine Kirche erbaut hätten, so führte sie mit ihrem Sonnenchristentum nur das weiter, was vorher als ein zu Erwartendes geschaut worden war. Uebrigens war ja in keltischen Kreisen der Boden für das Christentumm auch durch bestimmte Prophezeiungen noch besonder vorbereitet. Das Wort weiser Frauen, daß eine Virgo paritura (= eine Jungfrau, die gebären wird) kommen müsse, bildet die Brücke zum hehren Marienmysterium.
Ist aber Richardis mit dem iro-schottischen Christentum verbunden, so können wir bei ihr eine Geistigkeit voraussetzen, die mit dem alten Mysterienwissen nicht nur innig verwachsen war, sondern auch in der praktischen Lebensgestaltung alte - in der iro-schottischen Religionsgemeinschaft bewahrte - Mysterienvorschriften befolgte. <<Proben>>, man könnte sie auch <<Taufen>> nennen, gehören zu den unerläßlichen Bedingungen einer wahren esoterischen Schulung. Eine solche Probe ist die Feuerprobe. Sie wird bestanden, wenn schwere Schicksalschläge, Leid und Enttäuschungen über den Menschen hereinbrechen. Alles Unlautere verbrennt in uns: das nieder Ich stirbt, und das höhere, mit Christus verbundene, von Liebeskräften durchdrungene Ich kommt zur Urständ. Jetzt wird die geistige Struktur der Dinge sichtbar. Wir müssen uns Richardis vorstellen als eine Frau, die durch beschauliche Konzentratiosübungen immer größere Herrschaft über ihre Leiblichkeit erlangte und in reiner Gottes-Minne den Geistkern der Welt erfaßte. Sie hat in der Ehe mit dem nervenkranken, seelisch zuweilen völlig zerrütteten Schwächling, der ihr Mann war, eine hohe Kraft der Selbstüberwindung und der reinen Hingabe gezeigt. <<Sie hat die Feuerprobe bestanden>>: so sagten die Zeitgenossen, auch wenn sie von den Einweihungsmethoden der Mysterien nichts mehr wußten. <<Die Feuerprobe>>! Das wurde für S103 eine spätere Zeit der Anlaß, den ganzen Vorgang als äußerlich vollzogen vorzustellen.
Wenn wir Richardis richtig beurteilen wollen, dürfen wir folgenden Umstand nicht übersehen: Richardis schloß sich an den Bischof Luitward an. Damit eröffnete sich ihr jene Form der Geistigkeit, die im Kloster auf der Insel Reichenau, das, als eine Gründung der Iro-Schotten johanneischem Einfluß offen war, in würdigen Vertretern weiter lebte. Daß diese Spiritualität über den Rahmen enger Kirchlichkeit hinaus ging, davon zeugen noch Wandgemälde, die auf tiefste Zusammenhänge esoterischen Erlebens hinweisen. In wieweit hier sogar etwas von dem Geiste der Gralsbewegung sich bekundet, soll nicht im einzelnen untersucht werden. Es genügt, die Tatsache festzustellen, daß hier eine Frömmigkeit beheimatet war, die durchaus johanneisches Gepräge trug. Wir müssen uns den Bischof Luitward, der als der Kanzler des Reiches die Zügel der Regierung an Stelle des unfähigen Herrschers in festen Händen hielt und mit Richardis des öfteren schwierigste Fragen beriet, als einen Menschen vorstellen, der das iro-schottische Erbteil keineswegs zu verleugnen gewillt war. Damit steht durchaus in Einklang, daß er von seinen Feinden später um seiner Christusauffassung willen der Ketzerei bezichtigt wurde. Eine aus dem iro-schottischen Christentum erwachsene Frömmigkeit muß wohl als das Bindeglied bezeichnet werden, das ihn in besonderer Weise Richardis nahe brachte. Wohl gehörte Richardis als die Gattin des Karolingers der offiziellen Kirche an, wohl zog sie 881 mit ihrem Gatten nach Rom, um dort mit diesem vom Papste gekrönt zu werden. Doch als sie im nächsten Jahre wieder nach Italien ging, versäumte sie nicht, Ravenna aufzusuchen, jene Stätte, die Frühchristliches so schön bewahrt hat, die bis in die künstlerische Gestaltung und Bemalung des Innen-Raums der Kirchen ein johanneisches Christentum erkennen läßt. Hier sah sie neben der petrinischen Auffassung des Weltheilandes den S104 johanneischen Christus: Apollohaft strahlend steht die bartlos-jugendliche Gestalt da, im selben Raume, der das traditionelle petrinische Christusbild zeigt. Hier sah sie auf dem Sarkophag, der sich in Apollinare in Classe befand, die Sonnenzeichen, mit denen sich das Früh-Christentum, an uralte heilige Ueberlieferung anknüpfend, den aus den kosmischen Höhen niedergestiegenen Christus vergegenwärtigte.
In der Legende tritt uns aber noch ein Faktor entgegen, der, wie ich glaube, auf älteste Zeiten zurückweist und mit dem eben Erwähnten wohl in Einklang zu bringen ist: Das ist die Erzählung, daß Richardis durch einen Bären den Ort erfuhr, an dem sie ihr Kloster gründen sollte.
Im Griechischen heißt der Bär Arktos, im Altkeltischen Art. Könnte nicht darin ein versteckter Hinweis auf die dem Norden entstammende Artus-Sage enthalten sein? Aus dem Norden strömte einst eine Fülle geistiger Impulse nach den südlicher gelegenen Gegenden. Alte Weisheit birgt sich fraglos auch in dem Komplex, der sich um Artus gebildet hat. Die Sonne und ihre zwölf Zodiakalaspekte sind das Vorbild für das, was in solcher Mysterienrunde nach Taten drängt. Vorchristliches deutet mit tiefen Weihehandlungen auf das Mittelpunktsereignis der Weltgeschichte, auf den Niederstieg des Christus und den Opfertod auf Golgatha.
Der Bär legt sich huldigend und schmeichelnd der Kaiserin zu Füßen. Soll das nicht heißen: Was die Artusbewegung an Spiritualität besaß, geht jetzt in ein esoterisches Christentum über?
Wir haben bereits oben auf den <<Liber de Flore>> hingewiesen und die Zusammenhänge aufzudecken versucht, die mit dem großen Inspirator der iro-schottischen Religionsgemeinschaft bestehen. Auffallender Weise wird in dem erwähnten Buche auf Artus zurückgegriffen, indem ihm inhaltsschwere Prophezeiungen in den Mund gelegt werden. Hier ist die totale Christianisierung eines vorchristlichen Initiationsträgers als vollzogen dargestellt. Hatte die S105 Artusrunde früher im Bewußtsein gelebt, daß sie <<dem Kommenden>> die Wege ebne, so war jetzt ihr Haupt zum Verkünder des Schicksals der Kirche selber geworden.
Hinter der gut römisch-katholischen Gestalt der Richardis dürfen wir, wenn wir die verwehten Spuren der Ueberlieferung richtig deuten, eine Richardis vermuten, die einem auf iro-schottischer Basis erwachsenen Christentum ergeben war. Für sie ist Christus, wie es das Kreuzeszeichen auf dem Sarkophag in Ravenna offenbart, der hehre Sonnengeist, die strahlende Liebeskraft, die aus den Weltenhöhen zur Erde niederstieg. Wenn die alten Germanen das Sonnenzeichen der Hagal-Rune ritzten, waren sie bereits von einem Lichtschimmer dieser <<alles neu machenden>> Geistigkeit berührt. Die katholische Kirche hat die Erinnerung an eine solche Christusauffassung zu tilgen gewußt. Und wenn sie auch noch auf dem Meßgewand ihrer Priester und in der Monstranz ein Abbild der strahlenden Sonne zeigt, theoretisch-dogmatisch ließ sie Christus als Sonne nur noch im figürlichen Sinne gelten, wenn sie ihn als <<Die Sonne der Gerechtigkeit>> (Sol Justitiae) bezeichnet.
DIE LEGENDE
Richardis war die Tochter Erchengars, des Grafen des Nordgaues im Elsaß. Im Kloster von Hohenburg wurde ihr eine Erziehung zuteil, die ihrem stillen und gottergebenen Wesen ganz entsprach. Ihre Vermählung mit Karl, dem Sohne Ludwigs des Deutschen, wurde von ihrem Vater angeordnet. Sie fügte sich seinem Willen, führte aber ein Leben neben ihrem Gatten in jungfräulicher Unberührtheit wie zuvor im Kloster. Fünfundzwandzig Jahre nach der Eheschließung gab ihr Mann unter Eide eine Erklärung ab, in der er dies bestätigte.
S106 Als Karl in Italien Krieg führte und für längere Zeit Deutschland fernbleiben mußte, übertrug er Richardis die Regierung in Schwaben, in der Schweiz und im Elsaß. Sie zeigte sich dieser Aufgabe durchaus gewachsen. Um sich von den Regierungsgeschäften etwas zu erholen, begab sie sich für einige Tage nach Hohenburg. Dort hatte sie einen Traum: Ein Engel vom Himmel trat auf sie zu und sagte ihr: <<Du willst ein Kloster bauen, um der Seele deines Vaters den Frieden zu gewähren. Ich will Dir die Stelle beschreiben, an der du das tun sollst. Gehe hinab ins Tal! Auf dem Grund und Boden, der deinem Vater gehörte, wirst du einen Bären antreffen, der eben im Begriffe ist, für seine Jungen ein Lager zu bereiten. Dort, wo der Bär mit seinen Tatzen die Erde aufwühlt, soll sich das Kloster erheben.>> Richardis verließ frohgemut das Kloster und erblickte im Walde, der sich nach der Ebene hinzieht, einen Bären, der sich zahm und wie huldigend zu ihren Füßen niederlegte. Hier ließ Richardis ein Kloster errichten: Von überallher kamen die Töchter der adligen Familien, um hier ein Gott geweihtes Leben zu führen.
Karl, der mit einem schweren Gemüts- und Nervenleiden behaftet war, verlor bisweilen die Herrschaft über sich. In der innern Aufgewühltheit und Zerrissenheit gab er sich den trübsten Gedanken hin und war denn den Einflüsterungen selbstsüchtiger, neiderfüllter Höflinge zugänglicher als sonst. Diese wollten den Kanzler Luitward, zu dem Richardis unbedingtes Vertrauen hatte, und bei dem sie oft Rat und Tröstung suchte, verdrängen und stürzen. Deshalb beschuldigten sie ihn unsittlicher Beziehungen zu der Kaiserin. Die gegen 1260 abgefaßte <<Gereimte Kaiserchronik>>, die den Vorfall in aller Ausführlichkeit schildert, nennt einen gewissen Sigeraals den Verleumder, dessen Anklage in den Worten gipfelt: S107
herre, daz mîn frouwe begât,
(Herr, was meine Herrin begeht,)
Daz negezimit niht ueweren êren.
(Das geziemt nicht Eurer Ehre.)
Und:
mîn vrouwe minit andere man.
(Meine Herrin liebt einen andern Mann.)
Auf die Vorhaltungen des Gatten hin erbietet sich Richardis, durch die Feuerprobe ihre Unschuld zu beweisen. Nach der Vorbereitung durch vier Bischöfe tritt sie vor die Versammlung, die zum Gottesgericht geladen war.
Sie schlüpfte in ein Hemde (Gewand)
Das mit Wachs getränkt war
An den Füßen und an den Händen
Zündeten sie das Hemd an.
In einem Augenblick
Brannte das Hemd vollständig ab.
Das Wachs rann auf das Pflaster,
Der Frau aber geschah kein Uebel.
Alle sprachen: <<Deo gratias>> (Gott sei Dank!)
Bei Stöber hat die Legende folgende Fassung (Stöber II,33S27):
ST.RICHARDIS, KAISERIN, STIFTERIN DER ABTEI ANDLAU
Richardis, Tochter des Erchenger, Grafen des Nordgaues im Elsaß, aus Etichos Geschlecht, Gemahlin Kaiser Karl des Dicken war so weise und so fromm, daß sie von allem Volke geliebt ward. Aber die Höflinge hatten des Kaisers Sinn betört und sie der Untreue gegen ihn angeklagt. Diese schmachvolle Verleumdung ging Richardis so sehr zu Herzen, daß sie darob erkrankte.
S108 Da trat eines Tages ein junger Rittersmann hervor und erbot sich, nach der Sitte jener Zeiten, für die Unschuld der Kaiserin, gegen deren Verleumder zu kämpfen. Allein keiner wagte es, den Kampf anzunehmen. Aber die Kaiserin wollte die Schmach nicht länger tragen. Sie zog ein weißes, seidenes Hemd an, das mit Wachs bestrichen war, und wandelte also bekleidet durch die Flammen; und da Hemd und Körper unversehrt geblieben war, ward ihre Unschuld vor der Welt erwiesen, und sie in Ehren gehalten, ihre Widersacher aber zu Schanden gebracht.
Nun Richardis ihres ungerechten, finstersinnigen Gemahles müde, so wie alles Glanzes, der sie in ihrer hohen Würde, als Kaiserin, umgeben. Sie gelobte, Gott allein bis zum Ende ihrer Tage zu dienen und zu seinem Dienste ein Kloster zu bauen. Dasselbe sollte sich aber in einer recht wilden Gegend erheben; damit sie der Welt ganz entfremdet leben könne.
Sie schickte daher den jungen Ritter, der sie so mutig verteidigt hatte, hinaus ins vogesische Gebirge, damit er ihr tief in der Wildnis, wo noch keine menschliche Wohnung wäre, eine Stätte als Zufluchtsort aufsuche. Unterdessen zog sie sich in das Kloster St.Stephan in Straßburg zurück und wies alle Anforderungen, welche der Kaiser an sie machte, wieder am Hof zu erscheinen, mit Entschiedenheit zurück.
Dem Befehle seiner Herrin getreu, hatte der Rittersmann das Gebirge durchstreift und kam von dem St.Odilienberg herab, über die niederen Abdachungen der Berge, in ein einsames, tannenbewachsenes Tal, durch welches ein wildes Bächlein brauste. Am Wasser trank ein Bär, der seine Höhle in der Nähe hatte und in derselben mehrere Junge. Das deuchte ihn nun Einsamkeit und Wildnis genug, und er kehrte mit seiner Kunde zu Richardis zurück. Auch ihr gefiel der Ort wohl, und sie ließ an demselben ein fürstliches S109 Kloster erbauen, in welchem nur Fürstinnen, Gräfinnen und Freifrauen aufgenommen wurden.
Wir lassen nun die übrigen Erzählungen, die sich auf Heilige beziehen, folgen. Ich brauche nicht besonders zu betonen, daß diese Heiligen ursprünglich in den seltensten Fällen mit dem Elsaß verwachsen waren.
ST.AUTORS BRUENNLEIN IN MAURSMUENSTER
(Stöber II89S70)
Die Abtei Maursmünster, die gegen das Jahr 590 durch St.Leobardus, einen Schüler des hl.Columbanus, gestiftet worden, hatte in den zwanziger Jahren des neunten Jahrhunderts zum Abte den frommen Celsus, der darauf bedacht war, seinem Kloster den bestmöglichen Schirm und Glanz zu verschaffen. Er wandte sich deshalb an Ludwig den Frommen. Dieser zeigte sich bereit und trug seinem natürlichen Bruder, dem Bischof Drogo von Metz auf, sich der Abtei anzunehmen, die seit jener Zeit unter der Grundoberherrlichkeit der Bischöfe von Metz stand.
Im Jahre 830 schenkte Drogo dem Kloster Maursmünster, als Zeichen besonderen Wohlwollens, die Reliquien des heiligen Celestus und Autor. (Das Verzeichnis der Bischöfe von Metz gibt Celestus als den zweiten, Autor als den fünften an.) Dieselben waren ursprünglich der Stadt Straßburg bestimmt gewesen. Als jedoch die mit Ochsen bespannten Wagen, auf welchen die Leiber der Heiligen ruhten, in Maursmünster anlangten, blieben die Tiere plötzlich auf einer Wiese stehen, und es war unmöglich, sie weiter zu bringen. Einer der Ochsen schlug dabei den Huf so gewaltig in die Erde, daß ein reicher S110 Brunnenquell daraus hervorsprudelte. Er fließt noch jetzt und ist in Maursmünster, sowie der ganzen Umgegend unter dem Namen des St.Autors-Brünnleins bekannt. Sein Wasser wird als heilkräftig gepriesen für verschiedene Schäden und Krankheiten.
Die mit der iro-schottischen Mission verbundenen Glaubensboten werden in der Legende ganz nach dem Schema der katholischen Heiligen geschildert, wie ja auch Odilie die Züge erhält, die sie zu einer echt-petrinischen Christin stempeln. Wie sehr der Kirche daran gelegen war, jede Erinnerung an das Spezifische der iro-schottischen Frömmigkeit zu verwischen oder zu verdrängen, dürfte auch aus dem Umstand erschlossen werden, daß man in der Nähe des Odilienbergs römischen Heiligen Gorgonius und Nabor, Kapellen errichtete. Chrodegang, der Bischof von Metz, hatte im 8. Jahrhundert Reliquien dieser Heiligen mitgebracht, und wie in St.Avold, wo iro-schottische Mönche gewirkt hatten, sollte auch in der Umgebung des Odilienbergs die Spur an eine Vergangenheit durch die römischen Heiligen beseitigt werden.
DAS SOGENANNTE GRAB DER HEILIGEN PETRONELLA
(Stöber II72S62)
Beziehungen zum Apostel Petrus sucht die Legende eine Zeitlang - unter dem Einfluß oder doch sicherlich mit Duldung oder Genehmigung der hierfür besonders interessierten Kirche - in Avolsheim festzuhalten. Umsonst: der Kardinal Rohan machte mit einer energischen Geste den mit dieser Legende in Verbindung stehenden Wallfahrtswesen ein Ende.
<<Die sogenannte Dom-Peterskirche (oder Dompeter), zwischen Molsheim und dem Dorfe Avolsheim, ist eine der ältesten des Elsasses. In S111 dieser Kirche war lange ein altes Grab zu sehen, welches man für das der heiligen Petronilla, vorgeblichen Tochter des heiligen Petrus, hielt, die daselbst, man weiß nicht durch was für einen Zufall, gestorben sein soll. Die mit dem Fieber behafteten Personen legten sich in dasselbe nieder, in der Hoffnung, ihre Genesung zu erhalten. Man hat aber endlich entdeckt, daß es der Sarg einer römischen Dame war, namens Terentia Augustula. Der Kardinal Rohan gab ihn Schöpflin zum Geschenke, und hierauf nahm das Wallfahrten ein Ende.>>
ST.ARBOGAST, BISCHOF VON STRASSBURG
(Stöber II259S186)
Sankt Arbogast, aus Aquitanien, welcher der sechste Bischof von Straßburg war, kam in große Huld und Vertrautheit mit König Dagobert (II.), der nichts begehrte als Arbogast's Reden und weisen Rat.
Einmal geschah es, daß des Königs Jäger und Sigbert, des Königs Sohn, jagten in den Büschen und Waldungen an der Ill, da, wo jetzt Ebersheimmünster steht. Sie trafen auf einen großen Eber, dem jagten sie nach mit ihren Hunden, Einer hin, der Andere her.
Da kam's nun, daß Sigbert, der Knabe, ganz allein ritt und ungewarnt auf den Eber stieß. Das Roß scheute, daß der Knabe herabfiel und im Stegreif hangen blieb, und das Pferd trat ihn, daß er für tot da lag. Also fanden ihn nun des Königs Diener, huben ihn auf, mit großem Leide und großer Betrübnis, führten ihn heim, und er starb am andern Tage.
Wie groß Jammer und Leid der König und die Königin hatten, davon wäre viel zu sagen. S112
Da wurde aber Dagobert geraten, zu Sankt Arbogast zu schicken.
Der kam auch alsobald, und nach viel Rede und Klage kniete er vor der Leiche und rief die Mutter Gottes an: seit sie das Leben aller Welt geboren hätte, so sei sie ja so allgewaltig und könne auch dem Knaben sein Leben wieder erwerben. Da ward der Knabe wieder lebend und stand auf in seinen Totenkleidern; die zog man ihm aus und legte ihm königliche Kleider an. Da fielen König und Königin und alles ihr Gefolg dem heiligen Arbogast zu Füßen und dankten ihm seiner Gnaden.
Und da er weder Gold noch Silber annehmen wollte, gab der König, auf seinen Rat hin, die Stadt Rufach, mit Aeckern, Wäldern und Waide, an Unser Frauen Münster zu Straßburg, dazu noch viele andere Güter.
Darnach lebte Sankt Arbogast noch manches Jahr und führte ein göttlich, selig Leben.
Da er aber an das Alter kam und krank wurde, sprach er zu seinen Untertanen: Da unser Herr Jesus Christus gemartert worden, gestorben und begraben worden ist auswendig Jerusalems, an der Stätte, wo man böse Leute verderbet, so solle er unserm Heilande nachfolgen und wenn er verführe (sterbe), so solle man ihn auswendig Straßburgs begraben, bei dem Galgen, an der Stätte, wo man die bösen Leute hinrichtet. Dies mußten ihm seine Untertanen geloben zu tun.
Also ward er nach seinem Tode begraben auf Sankt Michels Bühel (Hügel), das war dazumalen der Henkersbühel und stand der Galgen da. Dies geschah nach Gottes Geburt sechshundert und achtundsechzig Jahr. Nachher aber, zu Sankt Arbogast's Ehren, riß man den Galgen ab, und bauete an denselben Ort die Kapelle zu Sankt Michael. Hier lag S113 er viele Jahre leibhaftig, bis das Kloster zu Sankt Arbogast, bei Straßburg, und das Stift zu Surburg erbaut worden; sodann verteilte man den Leib und die Gebeine des Heiligen in diese zwei Klöster.
ST.ARBOGAST UND DER SOHN DER WITWE
(Stöber II260S187)
Im Jahre 666, als St.Arbogast krank darnieder lag, begehrte eine arme Witwe flehentlich, vor den heiligen Bischof gelassen zu werden, um ihm ein Anliegen, das sie schwer niederdrückte, zu offenbaren.
Gerne gewährte Arbogast, der Vater und Beschützer der Witwen und Waisen, die Bitte der armen Frau und ließ sie vor sich an sein Krankenlager treten.
Da erzählte sie ihm unter vielen Tränen, daß ihr einziger Sohn fälschlich eines Diebstahls angeklagt worden und auf dem Henkerbühl wie ein Verbrecher sein Leben lassen mußte. Der eigentliche Täter sei aber bereits gefunden und ihres Sohnes Unschuld demnach, leider zu spät, an den Tag gekommen. Nun bitte sie den heiligen Bischof, er möge doch befehlen, daß die Ueberreste des unschuldig Gerichteten, die unter dem Galgen lägen, ausgegraben und in geweihter Erde beigesetzt würden.
Huldvoll nahm Arbogast diese rührende Erzählung der tiefbetrübten Mutter auf und tröstete sie mit den Worten: <<Kümmere dich nicht mehr um deines Sohnes willen, du gutes Mütterlein, ihm soll geholfen werden, denn bald werde ich mich selbst an der Seite deines Sohnes niederlegen.>>
Zwei Jahre darauf starb Sankt Arbogast; er ließ sich, wie oben erzählt, unter dem Galgen auf dem Henkersbühl begraben; allein auf der Gerichtsstätte S114 erhob sich später die St.Michaels-Kapelle, und somit ging der frommen Witwe Wunsch in Erfülllung und löste sich des Bischofs gegebenes Wort, daß ihr Sohn an seiner Seite und in geweihter Erde liegen werde.
DIE ST.ULRICHSQUELLE BEI AVENHEIM
(Stöber II,83S87)
Der heilige Ulrich, Bischof von Augsburg, war ein naher Verwandter des Königs Dagobert, der zu Kirchheim residierte. Als er einst diesen seinen königlichen Oheim besuchen wollte, kam er auch in die Gegend, wo heute Avenheim liegt. Es war mitten im Sommer, und die Hitze sehr groß, so daß Menschen und Tiere beinahe vor Durst verschmachteten. Da stieß der Bischof, gleichsam wie ein zweiter Moses, seinen Stab in die Erde und siehe - eine Quelle herrlichsten Wassers sprudelte hervor; und alles zog erquickt weiter. Die Quelle aber floß von da ab in gleicher Stärke immer weiter, und die Leute kamen von nah' und fern herbei, um das Wunder des hl.Ulrich zu sehen und in der Quelle zu baden.
ST.DEODAT
(Stöber I,127S94)
St.Deodat hatte im Jahre 609 das Bistum Nevers verlassen, um als Apostel im Elsaß zu wirken. Nachdem er sich lange Zeit in den Bergen aufgehalten hatte, ließ er sich in einem jetzt verschwundenen Dorfe, Wilra, auf dem rechten Ufer der Weiß, in S115 der Nähe von Mariaweiler, dem heutigen Ammerschweier, nieder.
Im Jahr 680 schenkte ihm ein reicher Mann beträchtliche Weinberge, die er im Sigolsheimer Bann besaß. Darüber wurden die Bauern von Ammerschweier eifersüchtig und fürchteten, der Fremdling möchte nach und nach ihre eigenen Grundstücke an sich ziehen, so daß sie den heiligen Mann unbarmherzig aus seinen Besitztümern vertrieben. Dafür bestrafte sie aber der Himmel damit, daß alle Kinder fortan mit Kröpfen geboren wurden. Bald bemerkte man jedoch, daß dieser Fluch nur diejenigen traf, welche diesseits des Baches geboren wurden; daher zogen die Frauen vor ihrer Niederkunft hinüber und brachten so gesunde Kinder zur Welt.
DIE HEILIGE HUNNA
(Stöber II39S101)
Die hl. Hunna war eine Anverwandte Herzogs war eine Anverwandte Herzogs Attich und bewohnte, im 7. Jahrhundert, mit ihrem Gemahl Huno oder Hunnus, ein Schloß zwischen Zellenberg und Rappoltsweiler. Beide gaben dem Dorfe Hunaweier seinen Namen. Huno war jener reiche Mann, welcher dem h.Deodat (s.oben) die beträchtliche Schenkung im Sigolsheimer Gemeindebann gemacht hatte. Der hl.Deodat, welcher mit beiden Eheleuten in freundschaftlicher Verbindung stand, taufte ihren Sohn, der ihm zu Ehren ebenfalls Deodat genannt wurde, und den er später in das Koster Ebersheimmünster aufnahm.
Die hl.Hunna war eine der reichsten Edelfrauen des Landes; allein trotz ihres Reichtums bewohnte sie S116 nur ein bescheidenes Kämmerlein auf ihrem Schlosse. Sie war die Freundin und Trösterin der Armen und Hilfsbedürftigen und ließ sich oft sogar herab, ihnen die Kleider zu waschen, weswegen sie das Volk die heilige Wäscherin nannte. Oft sah man sie auf einem Eselein ins Gebirge reiten und daselbst die armen Leute aufsuchen, welche in den zerstreuten Hütten wohnten.
Sie verrichtete Zeichen und Wunder, und noch jetzt wissen die Umwohner vieles von ihr zu erzählen.
Ein reichlich fließender vierröhriger Brunnen, der am Ausgange des Dorfes nach Zellberg zu steht, ist ihr geweiht und heißt der Hunnabrunnen. Da traf sich's einmal in einem weinarmen Jahre, daß, als man abends die Pferde und Kühe tränken wollte, aus allen Röhren Wein herausfloß. Man strömte herbei mit Zubern und Logeln und Fässern, und Jeder versorgte sich damit fürs ganze Jahr, und der Wein war besser als der beste, der noch je in der Gegeng gewachsen war.
Abwärts vom Dorfe liegt die Hunnawiese, früher ein Eigentum der Heiligen, die sie noch immer in treuem Schirme hält und durch ihre Diener hüten läßt. Man erzählt, daß ein Bauer sich einst zur Nachtzeit vermaß, Bandweiden auf derselben zu stehlen. Als er sie aber in ein Bündel geschnürt hatte und auf dem Rücken forttragen wollte, wurden sie ihm so schwer, daß er unter ihrer Last zusammenbrach, und auch nach mehreren wiederholten Versuchen war es ihm unmöglich, sie von der Stelle zu bringen. Er mußte also leer nach Hause zurückkehren, und es wurde noch dazu von unsichtbaren Händen tüchtig auf ihn losgehauen, bis er atemlos vor seiner Hütte niederfiel S117
DAS ADELPHUSBRUENNLEIN BEI NEUWEILER
(Stöber II161S117)
St.Adelphus soll, ehe er den Bischofsstuhl in Metz bestieg, Pfarrherr in dem freundlichen Neuweiler gewesen sein.
Als er sich dem Tode nahe fühlte, befahl er, seinen Leichnam auf einen Esel zu laden und ihn in der zunächst gelegenen Ortschaft zu begraben, wo der Esel stehen bleiben würde.
Seinem Wunsche gemäß lud man seinen Leichnam auf einen Esel, der damit ununterbrochenen Ganges von Metz aus dem Wasgau zuschritt.
Ein Teil der Gläubigen folgte mit Kreuz und Fahnen, begierig zu wissen, wo sie einst das Grab des geliebten Oberhirten aufzusuchen hätten. Unermüdlich schritt das Eselein vorwärts. Als es über den nördlich von Neuweiler gelegenen Bruderberg herab kam, fingen die Glocken plötzlich an von selbst zu läuten und alles ward dadurch in Erstaunen gesetzt, lief hinaus und kam dem merkwürdigen Zuge entgegen.
Das Eselein aber blieb auf einer, etwa zwanzig Minuten nördlich von Neuweiler gelegenen Wiese stehen, scharrte den Boden auf mit dem Fuße, und siehe eine frische Quelle sprudelte aus der Erde empor und ergoß sich murmelnd über das blühende Gras. Noch ist dieselbe unter dem Namen Adelphibrünnlein bekannt, dessen Wasser den im Felde Arbeitenden Erquickung bringt und unversiegbar ist, wenn in der Sommerhitze alle umliegenden Brunnen ausgetrocknet sind. Der die Quelle früher umfassende Stein hatte die Gestalt eines Eselhufes; jetzt ist derselbe rund ausgehauen; ein kleinerer Stein, dem ein Becher eingefügt ist, zeigt noch einen Eselshuf. S118
DIE GREIFENKLAUE DES HEILIGEN IMERIUS
(Stöber I94S69)
Zwischen den Trümmern des Schlosses Hohen-Hattstadt und dem Dorfe Geberschweier erhob sich ehedem das stattliche Benediktiner-Kloster St.Markus oder St.Marx-Zell genannt, jetzt umgewandelt in eine geistlicher Erziehungsanstalt für Waisen.
König Dagobert hatte dasselbe ums Jahr 676 gestiftet und einigen Mönchen von St.Georgen, im Schwarzwald, übergeben, damit sie Gott dienten mit Beten, Fasten und anderen guten Werken.
Als erster Abt wurde dem neuen Gotteshause St.Imerius oder Himerius vorgesetzt, ein frommer Mann, welcher der ganzen Umgegend als würdiges Vorbild diente. Er lebte ganz seinem heiligen Berufe und lag Tag und Nacht dem Gebete ob.
Der stete Verkehr mit seinem Herrn und Heilande erwechte nach und nach in der Seele des Abtes eine solche Sehnsucht, die Stätte, auf welcher der Erlöser einst gewandelt, mit eigenen Augen zu sehen und an dessen Grabe zu beten, daß er den Entschluß faßte, die Reise zu unternehmen.
Er vollführte ihn auch und nachdem er sich gehörig vorbereitet, trat er die ersehnte Reise an.
Unterwegs schiffte er an einer Insel vorüber, von welcher lautes Jammern und Wehgeschrei zu seinem Ohre drang. Ein furchtbarer Greif hauste daselbst und verbreitete Graus und Schrecken unter den Bewohnern der Insel.
Da jammerte den heiligen Pilgrim die Not der armen Bedrängten. Er stieg ans Land und mit lauten herzinnigem Gebete trat er dem Ungetüm entgegen. Die Macht dieses Gebets und der gotterfüllte, feurige Blick des frommen Imerius bezwangen den Greifen, und <<aus Gottes Kraft>> brach der Abt ihm einer seiner S119 hintern Klauen ab, wodurch er ihm alle Gewalt nahm.
Als Imerius aus dem gelobten Lande zurückkehrte, brachte er die Greifenklaue mit und schenkte sie dem Kloster zu ewigem Angedenken.
Dieselbe wurde Jahrhunderte lang von den Mönchen zu St.Marx zur Erinnerung an den ersten Vorsteher ihres Hauses und an seine Heiligkeit aufbewahrt. Erst als im Jahr 1360 die sogenannten Engelländer mit dem Herrn von Coucy das Elsaß überfielen und verheerten, wurde das Kloster dieses Schatzes beraubt. Sie versetzten dieselbe sodann dem Abte von Marbach um zwanzig Gulden, wofür er jedoch noch eine kostbare Perle einlösen konnte, die das welsche Volk ihm in seinem eigenen Kloster geraubt hatte.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts sah Maternus Berler die Greifenklaue noch im Kloster Marbach, wo sie mit großer Sorgfalt aufbewahrt wurde.
DIE GRUENDUNG VON NEU-THANN
(Stöber I,64S43)
Theobaldus oder Ubaldus, auch Dieboldus genannt, ein frommer Bischof, lebte zu Eugubin in Umbria (Umbria, ein altes Gebiet in Mittel-Italien. Die Stadt Eugubiu heißt heutzutage Eugubio oder Gubbio), zu Anfang des zwölften Jahrhunderts, in ganz eigenartiger Andacht und Heiligkeit; er hatte es soweit gebracht, daß er auch die bösen Geister mit seiner bloßen Gegenwart erschreckte und auf seinen Befehl von Stund an aus den besessenen Leibern weichen machte. Alles, was er hatte, gab er den Armen; für sich aber behielt aber behielt er nichts, als für S120 die höchste Notdurft, und ein einziges schlechtes Ruhebettlein, auf welchem er seit achtzehn Jahren von Fieber hart geplagt und krank darnieder lag.
Nun hatte Theobaldus einen Knecht, der ihn in diesem mühseligen Zustand mit vieler Liebe und Treue versorgte, ohne daß derselbe, außer Kost und Obdach, irgend etwas als Lidlohn (Lidlohn - Gesindelohn, Dienstlohn an Gesinde, Grimm, Wörterbuch II994) empfangen hätte; auch war wenig für ihn zu hoffen, worüber er sich manchmal Gedanken machte, wenn er an sein eigenes Alter dachte und an die Beschwerlichkeiten, denen er vielleicht noch ausgesetzt würde.
Solches merkte Theobaldus im Geiste an seinem Diener und sagte einstmals zu ihm: <<Mein lieber und getreuer Knecht, sei getrost und laß dich meine Armut, die ich mir freiwillig und Gott zu lieb aufgebürdet habe, nicht bekümmern; der Herr, dem du und ich dienen, wird dir den Lohn, den ich dir nicht bezahlen kann, mit zeitlichen und ewigen Mitteln reichlich ersetzen. Jedoch, damit du nicht gar leer und unbelohnt von mir scheidest, nimm dir, wenn ich in meinem bischöflichen Ornate auf dem Totenbett liegen werde, den goldenen Ring von meinem rechten Daumenfinger hinweg und gehe in Gottes Namen in deine Heimat; Gott wird dein Geleitsmann sein und Belohner.>>
Theobaldus star, wie er es vorhergesagt hatte, am 16.Mai 1161. Der treue Diener wachte und betete allein bei dem Leichname seines heiligen Herrn und Bischofs, und seines Wortes eingedenk, wollte er ihm unter vielen Tränen und Zittern den Ring vom Daumen abstreifen. Er zog daran! aber wie groß war sein Schrecken, als nicht der Ring, sondern auch das obere Gleich (Gelenke) des Fingers in seiner Hand S121 blieb! Er faßte sich jedoch und dachte, daß dies der Wille Gottes und ein Zeichen sei, daß die Worte seines Herrn in Erfüllung gehen sollen.
Er nahm nun das Heiligtum zu sich und verschloß es sorgsam in den obersten Knopf seines Stabes; legte ein Pilgerkleid an und zog getrost durch Welschland, über das hohe Alpengebirge und kam den ersten Heumonat glücklich bis in den Flecken Alt-Thann. Als er denselben durchschritten hatte und noch denselben Tag über die Steig (Jetzt <<Col de Bussnag>>; hieß vor alten Zeiten der <<Paß zur Linden>> wahrscheinlich von einer auf der Scheide stehenden alten Linde. -Han, Seelzagendes Elsaß S6 - Alsatia 1873/74,S349). oder das lothringische Gebirg, bei Urbis, gelangen wollte, fühlte er, in der großen Hitze, Mattikeit und Schlaf. Er stellte seinen Stab an einen Tannenbaum, mitten im Walde, der sich damals zu beiden Seiten des Tals und südlich hin bis in die Ebene erstreckte und legte sich nieder, um eine Weile in der Kühlung auszuruhen.
Die Sonne wollte schon untergehn, als er wieder aufwachte und nach seinem Stabe griff, um seine Reise fortzusetzen. Allein, o Wunder! der Stab ließ sich nicht bewegen und war wie am Baume festgewachsen; auch versuchte es der Diener vergeblich, den Knopf zu öffnen und sein heiliges Kleinod heraus zu nehmen. Er geriet in Schrecken und verzweifelte beinahe an der Wahrhaftigkeit seines Herrn. Er lief in großen Aengsten im Walde umher und rief die Wald- und Bauersleute zusammen, die auch bald in großer Menge herbeiströmten, das Wunder anzusehen.
Der Stelle gegenüber, wo dies geschah, auf dem nahen Bergschlosse, Engelburg genannt, residierte damals der Landesherr Graf Engelhard oder Friedrich der jüngere von Pfirt. Er S122 sah zu einem Fenster seines Gemaches hinaus und gewahrte drei hellglänzende Lichter über einem großen Tannenbaum im Walde hinschweben. Da deuchte es ihn, es möchte sich dort etwas Seltsames begeben, und ehe der Tag zu bleichen begann, eilte er mit seinem ganzen Ingesinde zu dem Orte hin, wo er eine Menge Volks, von nahe und von fern her, um den Baum versammelt fand. Er merkte mit seinem Geistlichen sofort, daß dieses Wunder und die ganze Begebenheit, die ihm der traurige und verwirrte Pilgersmann erzählte, ein Fingerzeig des Himmels sei.
Er gebot der ganzen Versammlung auf die Kniee zu fallen, und nachdem er laut gebetet hatte, gelobte er, Gott und dem heiligen Theobaldus zu Ehren, eine Kapelle oder ein Kirchlein an dem Orte zu bauen und die Reliquie darin zur allgemeinen Verehrung auszusetzen. Mit diesem Gelübde und mit glaubensvollem Herzen stand er auf und ergriff den Stab, der sich sogleich wegnehmen und öffnen ließ.
Die heilige Reliquie wurde unterdessen in der Pfarrkirche von Alt-Thann aufbewahrt und sodann nach der neuerbauten Kapelle gebracht, an deren Stelle sich später das wundervolle Münster erhob.
Den Pilger aber der Graf lange Leit in seinem Schlosse und entließ ihn endlich mit reichen Geschenken, als er in seine Heimat zurückzukehren begehrte.
Die Wunderzeichen, welche die Reliquie verrichtete, zogen immer mehr und mehr Pilgrime aus allen Ländern, <<selbst bis aus den nordischen Seeländern>>, herbei. Nach und nach wurde der ganze Wald an der Talmündung gelichtet, und Häuser wurden gebaut, es entstand die Stadt Neu-Thann, jetzt nur einfach Thann genannt, welche, zu Erinnerung an das wundervolle Ereignis, eine Tanne im Wappen führt; S123 auch auf den dort von 1418 bis 1628 geschlagenen Münzen ist eine Tanne abgebildet.
ST.THEODOBALDUS
RETTET THANN IM SCHWEDENKRIEGE
(Stöber I, 65S46)
Der Stadt Thann erduldete großes Leid und Ungemach während des dreißigjährigen Krieges. Zwölf Jahre lang, sagt die Chronik, konnte man weder Getreideernte noch Weinlese halten; die Eltern aßen ihre eigenen Kinder auf; ja der Hunger trieb manche sogar, das Fleisch von Leichnamen zu verzehren; man gab ein Stück Feld um ein Stück Brot her; alles war in Verzweiflung.
Nachdem die Schweden die Stadt den 30. Dezember 1632 eingenommen hatten, flüchteten sich die meisten Einwohner in das Münster. Die feindlichen Scharen umringten dasselbe und wollten sie mit Gewalt aus der Kirche vertreiben; da erschien aber plötzlich der heilige Theobaldus in seiner ganzen Himmelsglorie, und sofort fielen die Hufeisen von den Pferden der Schweden ab, sodaß sich diese bestürzt zurückzogen.
Zur Erinnerung an dieses Wunder nagelte man eine Menge dieser Hufeisen an die Haupttüren des Münsters. Man sah noch manche derselben bis zum Jahre 1833, in welchem der Fabrikrat die altertümlichen Türen durch neuere ersetzen ließ.
DIE WALLFAHRT ZUM WALDBRUDERKREUZ
AM GRABE DES HEILIGEN IGANTIUS
(Stöber I,112S83)
Hinter Zimmerbach im Münstertale liegt ein enges Tälchen, das Brudertal geheißen, S124 in welchem eine kleine Kapelle steht, die unter dem Namen Waldbruderkreuz in der Umgegend bekannt ist.
Inmitten der daliegenden Steine befindet sich ein steinerner Grabdeckel, unter welchem die Reste des heiligen Ignatius ruhen sollen.
Die Türkheimer wollten sich dieses Steines schon oft bemächtigen, da derselbe, wie sie behaupten, noch in ihrem Gemeindebanne liege. Allein trotz aller angewandten Mühe und Anstrengung konnten sie den Stein nicht von der Stelle bringen, da der Heilige nicht in seiner Ruhe gestört werden will, an dem Orte haftet und denselben durch viele Heilungen und Wunder als seine Grabstätte bestätigt hat.
Jeden Freitag kommen Gliederkranke aus der Nähe und Ferne dorthin, um zu beten und um Erleichterung und Genesung von ihren Leiden zu flehen.
DER BRITZGYBERG
(Stöber I,31S23)
Bei Illfurt liegt der Britzgyberg, auf dessen Gipfel einst eine Kapelle stand, die dem heiligen Praejectus geweiht war, den das Volk jenseits der Vogesen St.Prix, das sundgauische im Illtag St.Britzgy nennt.
Als noch einige Mauern von der Kapelle, sowie ein den Altar bezeichnender Stein übrig waren, weidete einst ein Knabe seine Ziegen in der Nähe. Da hörte er plötzlich ein Klingeln und Schellen aus der Kapelle dringen. Leise näherte er sich und sah einen fremden Priester im Meßgewande am hellerleuchteten Altar stehen, sodann heraustreten und am östlichen Abhange des Hügels plötzlich verschwinden. S125
ST.QUIRINS STUHL
(Stöber II,110S81)
Bei seiner Rückkehr aus dem gelobten Lande kam der heilige Quirin in das wilde, unwirtliche Vogesengebirge. An dem Wege, der vom Dorfe St.Quirin nach der kleinen Tonne (Donon) führt, bemerkt man einen Felsblock von der Gestalt eines Stuhles, auf welchem der Heilige, müde von der langen Wanderung ausruhte. Das Volk nennt diesen Felsen St.Quirins Stuhl (le fauteuil de St.Quirin).
GRAF HUGOS BUSSE
(Stöber I,97S73ff)
Eine Stunde südwärts von Comar liegt das Städtchen Egisheim, so genannt von dem einst in der Mitte desselben stehenden Schlosse, welches Graf Eberhard, ein Enkel des Herzogs Attich, im achten Jahrhundert erbaut hatte. Auf dem Berge, an dessen Fuße sich das Städtchen hinzieht, dem badischen Gebirgszuge Kaiserstuhl gegenüber, ragen die drei zertrümmerten Türme der alten Burg Drei-Egisheim oder Dreien-Exen empor, einst, wie Egisheim selbst, ein Besitztum der Grafenfamilie.
Zu Egisheim regierte gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts Huge IV., der Graf des Nordgaues oder Unter-Elsasses und das Geschwisterkind des Kaisers Konrad, des Saliers, mit seiner Gemahlin Heilwig, der einzigen Tochter des Grafen von Dagsburg. Diese hatte ihm nach und nach drei Knaben und fünf Mädchen geboren. Sie starb, sowie ihr ihr ältester und jüngster Sohn. Es blieben nur noch die Töchter nebst dem mittleren Knaben Bruno am Leben. S126 Eines Abends klopfte ein altes Weib, eine Wahrsagerin, an der Schloßpforte und verlangte, vor Hugo geführt zu werden, welchem sie die Zukunft offenbaren wolle. Der Graf ließ es geschehen, und sie verkündete ihm nun, daß, obgleich er selbst ein mächtiger und weitgebietender Herr im Lande sei, sein Söhnlein Bruno doch noch mächtiger und größer sein würde, so daß er, sein Vater, ihm den Staub von den Füßen küssen würde.
Hugo versank in düstere Gedanken über die Worte des Weibes und glaubte nicht anders, als Bruno werde ihm einst die Herrschaft entreissen und ihn vielleicht im Verließe schmachten lassen, wenn nicht gar aus dem Leben schaffen wollen.
Mehrere Tage verschloß er seinen Trübsinn im Herzen, bis derselbe endlich in Verzweiflung und Groll gegen sein einziges Söhnchen ausbrach. Da ließ er seinen Jäger rufen, bot ihm Geld und befahl ihm, den jungen Bruno mit sich in den Wald zu nehmen und ihm, wenn er sich's nicht versehe, einen Pfeil durchs Herz zu schießen; denn es sei ihm von der Wahrsagerin prophezeit, er werde einst, wenn er erwachsen, seiner Kindespflicht so sehr vergessen, daß er ihn um Herrschaft und Besitzümer bringen und zu seinem Knecht machen werde, der ihm den Staub von den Füßen küssen solle. Er wolle lieber gar keinen Sohn haben, als einen, der sich gegen seinen Vater empörte. Zum Zeichen, daß er seinen Befehl vollbracht, müsse er ihm Brunos blutiges Herz bringen.
Der Jäger versprach, des Herrn Willen zu tun und als er abends vom Walde zurückkam, wohin ihm der muntere Knabe gerne gefolgt war, brachte er dem trübsinnigen Vater ein blutiges, von einem Pfeile durchschossenes Herz. S127
Augenblicklich schien Hugo beruhigt; allein bald erwachte sein Gewissen. Er fand an nichts mehr Freude; fühlte er sich doch jetzt nur ohne männliche Nachkommen, sondern mußte sich noch als Mörder seines unschuldigen Knaben anklagen. Endlich brach ihm das Herz. Er ließ den Burgpfaffen rufen, gestand ihm sein Verbrechen und verlangte von ihm die schwerste Buße, damit er Ruhe fände auf Erden und seines ewigen Heils nicht verlustig ginge. Der Priester hörte die Erzählung der schaudervollen Tat seines reuevollen und gebeugten Gebieters an; allein, er erklärte ihm, daß er es nicht auf sich nehmen könne, ihm eine Buße aufzulegen; die Untat sei so groß, daß er nur vom Papste selber Absolution erhalten könne.
Hugo war zu allem bereit. Obgleich es mitten im Winter war, zog er ein härenes Büßerkleid an und begab sich ohne Begleitung über das Alpengebirge nach Rom. Der damalige Papst war Leo IX. Er warf sich ihm zu Füßen und gestand ihm in seiner furchtbaren Seelenangst das schwere Verbrechen.
Leo wandte sein Gesicht ab und verhüllte sich einige Augenblicke. Dann hob er den greisen, bußfertigen Sünder auf und sagte: <<Der Heiland ist für alle Sünder gestorben; auch du sollst Gnade vor Ihm finden; Gnade, wie sie nur wenigen zuteil ward. Denn wisse, der Sohn, den du tot glaubst, er lebt! Gott hat sich seiner erbarmt. Dein Jäger hatte den Knaben, dessen Herz er durchbohren sollte, lieb; er brachte dir, statt des seinigen, das Herz eines erschossenen Rehbocks und ließ ihn unter Gottes Beistand in Freiheit dahinziehen. Gute Menschen nahmen sich seiner an und ließen ihn unterrichten; er wurde Priester, Bischof und ->>, indem er dem erstaunten Hugo in die Arme sank - <<sein Herz liegt nun wieder an dem Herzen seines Vaters>>. S128
Hugo hatte Mühe, seine Sinne zu fassen. Sein Glück war unaussprechlich. Er blieb noch einige Wochen bei seinem Sohne und kehrte sodann mit seinem Segen nach Egisheim zurück, wo er die letzten Jahre seines Lebens mit Gebet und Wohltun gegen Arme und Notleidende zubrachte.
DIE STIFTUNG DES KLOSTERS ST.VALENTIN
ZU RUFACH
(St. Valentin und der Teufel - Stöber II,59S51: Die St.Valentins-Kapelle im Schloß Girbaden - ist dem zweiten Bande zugewiesen).
(Stöber I,86S62ff)
Um das Jahr 1001 waren in dem Benediktiner-Koster Casia, bei dem damals unter dem Namen Castra Theodori bekannten Städtlein an der Marne, drei Mönche, welche aus besonderer Andacht und mit Verwilligung ihres Abtes nach Rom zogen, um dort die heiligen Orte und Stätten zu besuchen und Gnade zu erwerben und Ablaß.
Zu Rom kehrten die Mönche bei dem Abte des Klosters der heiligen Praxedis ein, wo die Reliquien des heiligen Märtyrers Valentinus aufbewahrt wurden.
Diesem Heiligtum erwiesen die drei fremden Mönche ihre tägliche Verehrung. Nachdem sie sich eine Zeit lang in Rom aufgehalten hatten, überfiel sie allesamt ein unwiderstehlicher Drang, einen Teil der Gebeine des heiligen Märtyrers zu gewinnen. Sie teilten ihren heißen Wunsch dem Abte mit und baten sogar um das Haupt des heiligen Valentin. Der Abt gab ihren dringenden Bitten Gehör und übergab den drei Mönchen das Haupt des Märtyrers. S129
Hochentzückt und voller Andacht zogen die Glücklichen von Rom hinweg mit ihrem köstlichen Schatze. Schon sahen sie im Geiste den schönen Tag, an welchem ihr Abt das teure Kleinod in ihrer Kirche, an den blühenden Ufern der Marne, es feierlich beisetzen würde. Allein der Himmel hatte es anders beschlossen.
Auf ihrer Rückreise in die Heimat kamen die drei Mönche eines Abends spät bei Rufach an, dessen Tore bereits geschlossen waren. Die schüchternen Fremdlinge getrauten sich nicht anzuklpfen und um Einlaß zu bitten; sie beschlossen also auf dem Bühel oder Hügel, nahe bei der Stadt, auf welchem die mächtigen Zinnen und Türme der von König Dagobert gegründeten oder doch von ihm wieder aufgebauten Isenburg emporragten, die Nach zuzubringen unter dem Schutze ihres wohlverwahrten Heiligtums.
Sie lagerten sich auf dem Burgrain vor der Isenburg und schliefen bald vor Müdigkeit ein.
Des Morgens frühe, als sie erwachten, schickten sie sich an, ohne Säumen weiter zu ziehen. Als sie jedoch die ihrer Obhut anvertraute Reliquie emporheben wollten, vermochten sie es nicht, trotz aller wiederholten Anstrengungen. Mehrere Male gelang es ihnen zwar später, dieselbe aufzuheben und sogar eine Strecke weit fortzutragen, allein immer kehrte das Heiligtum wieder an die Stelle zurück, wo es die Nacht über geruht hatte.
Da erkannten die Mönche, daß solches Wunder nur durch göttliche Macht und durch den ausdrücklichen Willen des Heiligen selbst stattfinden könne, und daß dieser hiermit die Stelle auf dem Schloßrain bezeichnet habe, wo sein Haupt fernerhin bleiben solle.
Sie ergaben sich also in den Ratschluß des Himmels, gingen in die Stadt hinein und erzählten jedermann, was Wundervolles ihnen begegnet. S130
Die Volksmenge hörte ihnen mit andachtsvollem Staunen zu und drängte sich sodann zum Tore hinaus auf den Schloßberg, um die heilige Reliquie mit eigenen Augen zu sehen und verehren zu können. Besonders die mit der fallenden Sucht Behaftete, oder, wie man in alten Zeiten sagte, die mit dem hinfallenden Siechtag Beladenen, machten sich auf, von der Wunderkraft des Heiligtums Genesung erhoffend.
Auch von den benachbarten Orten strömten neugierige und gläubige Pilger herbei und ließen reichliche Opfer zurück.
Nun dachten Rufachs Bürger allen Ernstes daran, das ihnen von Gott zugesandte Kleinod gebührend zu ehren, dasselbe an geweihter Stätte unterzubringen und getreulich aufzubewahren.
Mit Genehmigung ihres zeitlichen Herrn, des Bischofs von Straßburg und mit Hilfe der drei fremden Mönche erbauten sie auf dem Burgrain bei der Isenburg an derselben Stelle, wo sich das Wunder erzeigt, eine Kapelle, zu Ehren des heiligen Märtyrers Valentin und Mariä der Mutter Gottes. Augenscheinlich, so sagten sie, hatte ja die heilige Jungfrau den Einwohnern von Rufach den Märtyrer zum Mitbürger auserwählt.
St.Valentin seinerseits bezeugte in der Folge durch zahllose Wunder, daß sein Haupt an einer ihm wohlgefälligen Stätte ruhe. Durch seine Fürbitte wurden täglich viele Menschen von dem <<hinfallenden Siechtage>> befreit und heil.
So groß wurde nach und nach der Zudrang der Gläubigen von nah und fern, daß das Opfer bei der Reliquie immer ergiebiger wurde, so daß der Gottesdienst täglich gemehrt und bald ein herrliches Kloster unter dem Schirme der alten Isenburg auferbaut werden konnte. S131
ST.MORANDS RUHE
(Stöber I,2S1ff)
Der hl.Morand, Apostel und Patron des Sundgaus und der Stadt Altkirch, welcher in der Mitte des XI. Jahrhunderts lebte und viele Zeichen und Wunder verrichtete, war eines Tages aus seinem Kloster mit entblößtem Haupte, wie er zu tun pflegte, nach dem benachbarten Dorfe Wahlheim gegangen, um daselbst die Messe zu lesen und andere gottesdienstliche Handlungen zu verrichten. Bei seiner Rückkehr überraschte ihn aber ein heftiges Gewitter und nötigte ihn, sich unter einen über den Weg hinragenden Felsen zu flüchten, um wenigstens sein entblößtes Haupt vor dem Sturme zu schützen. Und siehe, <<wie ein weiches Wachs gab der harte Stein seinem Haupte nach, um eine Vertiefung zu bilden, die demselben einen sicheren Schirm gegen das Ungestüm des Gewitters darbot.>>
ST.LANDOLINS GUT ZU RUFACH
(Stöber I,87S64)
Eine Feuersbrunst hatte die Klosterkirche von Ettenheimmünster, die im Badischen gelegen, aber zum Bistum Straßburg gehörig war, in Schutt und Asche verwandelt. Da erwarben die Mönche einen Ablaßbrief zu Gunsten der Wiederherstellung ihres Hauses und entsandten einige der Ihrigen mit den Reliquien des heiligen Lsndolinus, des Stifters des Bethauses, welches ursprünglich an der Stelle der Abtei gestanden hatte, um die Gläubigen zu Beiträgen aufzufordern und die eingehenden Spenden und Steuern einzusammeln. S132
Die Mönche zogen mit St.Landolins Heiligtum durch das ganze Bistum Straßburg, beide Seiten des Rheins entlang; überall zu Buße und Gebet auffordernd und Ablaß gegen milde Gaben zur Erreichung ihres frommen Zweckes spendend.
Sie überschritten die Grenze ihrer Diözese, um ihr Ansuchen auch in das obere Mundat zu bringen, welches König Dagobert vor Zeiten dem Bistum Straßburg zugewandt hatte. Unter festlichem Geläute der Glocken sämtlicher Kirchen und Klöster langten die Ettenheimer bei Rufach, der Hauptstadt des oberen Mundats, an. Vor den Toren der Stadt schon, wo sie die Volksmenge erwartet hatte, sangen sie mit helltönender Stimme die Legende und die Wundertaten des Heiligen, dessen Reliquien auf ihren Schultern ruhten, ihrer Kirche kostbarster Schatz und treuster Schirm.
Während alles Volk andächtig zuhörte und auf die Kniee gesungen war, kam ein stattlicher Ritter auf wildem Rosse aus der Stadt gesprengt. Mit verächtlichen Blicken schaute er auf die einfältige Menge herab, und da er den Namen des ihm unbekannten Heiligen vernahm, dessen Wunderwerke die Ettenheimer Mönche sangen, lachte er laut auf und warf ihnen einige derbe Schmähworte zu, indem er sein Pferd heftiger durch das Gedränge treiben wollte.
Allein in demselben Augenblicke schwanden ihm die Sinne; wie vom Blitze getroffen stürzte er zu Boden mit zerbrochenen Gliedern. Vergebens krümmte und wand er sich im Staube und stieß Flüche und Lästerworte aus. Endlich wurde er ruhiger; ein Gedanke schien plötzlich seine Seele durchbebt zu haben. Unter heißen Tränen gestand und bereute er seine Sünde, bat die Mönche um Verzeihung und gelobte Gott und dem heiligen Landolin, von nun an sein früheres wildes Leben zu lassen und sich ganz S133 zum Himmel zu wenden. Feierlich versprach er zuletzt, sein ganzes Gut dem beleidigten Landolin zu schenken, als Sühnegeld für seine Freveltat. Und siehe, alsbald wichen seine Schmerzen, und er erhob sich wieder kräftig und gesund wie zuvor.
Der Ritter hielt sein Versprechen; er ging in sich, lobte Gott mit Fasten und Beten uind schenkte alle seine Habe im Gebiete Rufach der Abtei Ettenheimmünster, welche sie mehrere Jahrhunderte lang unter dem Namen St.Landolins Gut besaß.
DIE KAPELLE ST.ARMUT
(Stöber II,73S62)
In Dachstein, an der Breusch, war ein Mord begangen worden und als Täter ein Jüngling festgenommen, auf welchen starker Verdacht gefallen war. Vergebens beteuerte er seine Unschuld. Er wurde, in Begleitung einer großen Volksmenge, zu dem Rabensteine geführt.
Nochmals bat er seine Richter um Schonung und rief zuletzt einen furchtbaren Fluch wider den eigentlichen Mörder aus, indem er Gott zum Zeugen seiner Schuldlosigkeit nahm.
Sie, da stürzte ein Mann aus der Menge, der, in seinem Gewissen getroffen, sich des Mordes schuldig erklärte, sich der gerechten Strafe bietend.
Zum Danke für seine Rettung ließ der Jüngling an der Stätte, wo er den unverdienten Tod hätte erleiden sollen, eine Kapelle bauen, welche noch jetzt unter dem Namen St.Armut bekannt, von den gläubigen Umwohnern häufig besucht wird.
Man hat in den Heiligen des Mittelalters christianisierte Reminiszenzen an den vor-christlichen Polytheismus erblicken S134 wollen (Über die Einflüsse der Mysterien auf den Katholizismus sei hier nur soviel gesagt: das Wort <<Papst>> ist dem Kulte des Attis und der Großen Mutter entlehnt. Der Oberpriester führte diesen Namen: Papas. Er trug als Zeichen seiner Würde die Tiara, die dreifache Krone. Auch hat die Wissenschaft <vgl.Burger, Antike Mysterien> darauf aufmerksam gemacht, daß das Phrygianum, das Kultzentrum der in Rom einheimisch gewordenen asiatischen Mysterien, sich an der Stelle befand, an der heute der Prachtbau der Peterskirche zum Himmel ragt). Die Helfer, die auf das Gebet der Gläubigen sich einstellen, um die Not zu wenden, sind aber auch Wesen, mit deren Lichtglanz und Liebeswärme der Betende sich erfüllt, wenn er sich an sie wendet. Schon durch die Vorstellung der Reinheit und der selbstlosen Güte, die mit den Heiligen verbunden ist, hebt sich der Gläubige über die Alltagssphäre hinaus und gibt seinem Innenleben einen neuen Schwung. Von dem Renaissance-Philosophen Agrippa von Nettesheim, der den im Volk noch lebendigen tieferen Glaubensvorstellungen als ein verständnisvoller Sammler und Beurteiler nachging, stammt ein Wort, das ich in diesem Zusammenhang dem Leser nicht vorenthalten möchte:
<<Den seligen Menschengeistern ist es vergönnt, daß sie gleich guten Engeln in uns wohnen und uns erleuchten können. - Es liegt hierin ein großes Geheimnis verborgen, das nicht leichtfertig geoffenbart werden darf.>>