Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

B VI

Leiden und Sterben

Wage - Skorpion - Schütze - Steinbock - Wassermann

Joh. 18+19

1. Das Erden-Mysterium

Jungfrau


S384   Die "große Fürbitte" des Christus (Joh.17) liegt schon ganz im Strahlenlichte des Mysteriums von Golgatha. Seine ganze Kraft, seine ganze Magie hat jenes - im Geiste gesprochene - Gebet des Sohnes zum Vater davon, daß es an dem geistigen Orte gesprochen ist, wo "die Worte Taten sind", daß es von dem Gotte gesprochen ist, der, im irdischen Menschenleibe verkörpert, im Begriff ist, schuldlos Leib und Blut für die schuldige Menschheit hinzuopfern, der, wenn wir die in der "Erweckung des Lazarus", in der "Fußwaschung", im Abendmahl und im Abschied von den Jüngern sich abspielenden Vorgänge intim verstehen, schon angefangen hat, in Erde und Menschheit hineinzusterben. Nicht wie ein bloßer Naturvorgang wirkt dieses Mysterium, sondern im Bewußtsein der Menschheit will die von dem Gotte gewirkte Tat leben, um da erst zu ihrer vollen Auswirkung zu kommen. Darum die ganze selbst-hinopfernde Mühe des Christus, um das Bewußtsein des Einen zu erwecken, der erkennend und wirkend teilnimmt. Darum auch die ganze hingebende Liebe des Christus, die er, im Abschied von den Jüngern, an diejenigen wendet, die jetzt noch im Bewußtsein schlafen, S385 um sie zu ihrem späteren Erwachen und zu ihrer Erdenaufgabe hinzuführen. Und es vollendet sich das geistige Bemühen des Christus um die Jünger in der magischen Tat der großen Fürbitte.

   Ein Zusammenhang der beiden Passions-Kapitel (18+19) mit den vorausgegangenen "Jünger-Kapiteln" (13-17) wie mit den beiden Lazarus-Kapiteln (11+12) ist damit aufgezeigt. Der Schluß des 11. Kapitels (V.47ff) läßt deutlich durchblicken, wie der Eindruck der dort von Christus gewirkten Tat die irdisch-menschliche Ursache seines Erdentodes wird, welche Rolle die jüdische Angst vor den Römern dabei spielt. Die um das Schicksal ihres Tempels bangenden Juden sehen in der Preisgabe des Christus Jesus den einzigen noch möglichen Ausweg (dazu ME250ff). Die Hohenpriester wollen jetzt, nach der großen Tat von Bethanien, dem Christus Jesus dasjenige Schicksal bereiten, das in vorchristlichen Zeiten die Preisgabe der Mysterien immer nach sich zog.

   Wie der Schluß des elften Kapitels auf die irdisch-menschlichen Ursachen des Mysteriums von Golgatha, deutet das zwölfte Kpitel auf seine göttliche Ursache und seinen göttlichen Sinn hin. Darum der Hinweis auf das Geheimnis des in die Erde hineinsterbenden Samenkorns Joh.12,24. Und im Schlusse des Kapitels (Joh.12,37-50) auf jene Menschheits-Krisis, in der die eigentlich göttliche Notwendigkeit des Mysteriums von Golgatha, der tiefere geistige Grund für das Erdensterben des Christus beschlossen liegt. Gewiß leuchtet auch schon vorher - man denke an die Tempelreinigung Joh.2,17ff - der Zusammenhang des ganzen Evangeliengeschehens mit dem Golgatha-Ereignis auf. Aber den eigentlichen und unmittelbaren Hinweis darauf enthält der Abschnitt Joh.6-10. In der großen Ich-Krisis der Menschheit liegt die unmittelbare geistige Ursache für die göttliche Notwendigkeit des Mysteriums von Golgatha. Die göttliche Liebe konnte die von ihr heraufbeschworene Krisis nicht zum Untergang der Menschheit führen lassen, die Menschheit nicht in dieser Krisis versinken lassen. In die Finsternis, die das Licht nicht zu begreifen vermochte, opfert der Christus die göttliche Lichtsubstanz, den Samen des S386 Lichtes, die Tinktur des Lichtes, opfert er sich selbst hinein, um Erde und Menschheit wieder dem Lichte zuzuführen.

   So waltet zwischen den beiden Passions-Kapiteln (18+19) und den Kapiteln der Krisis (6-10), auf die der Schluß von 12 nochmal hinweist, der unmittelbarste Zusammenhang. Der Steinwurf der Juden (8,59;10,31) trägt das ganze Kreuz von Golgatha im Keime schon in sich. Wie jene fünf Kapitel der Krisis (6-10), sind auch die beiden, die Fünfheit zur Siebenheit vollendenden Golgatha-Kapitel in eminentem Sinne Menschheits-Kapitel. Das ganze Schicksal der Menschheit ist in ihnen beschlossen. Wie in keinem andern Augenblick der Weltgeschichte entscheidet sich Menschheits-Schicksal auf Golgatha.

   Von Sternenhöhen und Sternengeheimnissen sind wir in der Betrachtung des Johannes-Evangeliums ausgegangen, und immer mehr in Erdentiefen und Erdengeheimnisse hat sie uns geführt. Wie ein großes leitendes Motiv des Johannes-Evangeliums kann dieser Übergang von Sternengeheimnis in das Erdengeheimnis empfunden werden. In Sternenhöhen liegt nur die eine Seite des Weltgeheimnisses, in Erdentiefen die andere. Nach dem nochmaligen Aufleuchten aller Sterne und Sternengeheimnisse des ewigen Namens im 17.Kapitel führt das achtzehnte in die finstersten Erden- und Menschheitstiefen. Wir erleben das Geheimnis des mit der Erdentiefe sich vermählenden Christus im Mysterium von Golgatha.

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   Auch hier können wir in der Betrachtung nicht fortfahren, ohne dessen zu gedenken, dessen Erkenntnis-Tat wir einzig die Möglichkeit verdanken, über das Mysterium von Golgatha als ein Erdengeschehen, eine Erden- und Menschheits-Tat des Christus zu sprechen. Rudolf Steiners. Das Wort selbst verdanken wir ihm. Was schon früher bei der Blindenheilung, dann bei der Lazarus-Geschichte gesagt wurde, muß auch hier wiederholt werden: ohne den von Rudolf Steiner dargereichten Schlüssel hätte eine solche Erkenntnis des Mysteriums von S387 Golgatha, des in ihm enthaltenen Erdengeheimnisses niemals gewonnen werden, hätte eine solche Arbeit niemals geschrieben werden können.

   Aber auch derer ist hier zu gedenken, denen ein solches Reden vom "Mysterium von Golgatha" noch Schwierigkeit bereitet, die es mit ihren Erkenntnisprinzipien nicht in Einklang bringen können. Den Christus Jesus als einen weisheits- und liebevollen Lehrer der Menschheit, ja vielleicht selbst als "Gottmenschen" gelten zu lassen, an seinem Schicksal selbst menschlichen Anteil zu nehmen, wären sie bereit. Aber inwiefern das Christusgeschehen unmittelbar für die Erde etwas bedeutet, dieses werden sie nicht einsehen wollen. Wenn sie vollends bei Rudolf Steiner (im vorletzten Vortrag des Kasseler Zyklus GA112) lesen, wie durch die aus den Wunden des Gekreuzigten rinnenden Blutstropfen die Erde neue Leuchtekräfte in sich aufnimmt, wie ein Wesen, das mit hellseherischer Kraft von einem fernen Weltkörper auf die Erde hätte blicken können, gesehen hätte, wie die in der vorchristlichen Zeit sich immer mehr abdunkelnde Erden-Aura mit dem Ereignis von Golgatha in neuen Farben aufleuchtete, wie die Erde da mit einem astralischen Lichte durchdrungen wurde, das nach und nach zum ätherischen und dann zum physischen Licht werden wird, wie der erste Anstoß zum Sonnewerden unserer Erde damals gegeben wurde, als das Blut aus den Wunden des Erlösers auf Golgatha floß, so wird es ihnen zunächst zu Mut sein, als ob ihr Erdendenken an der Spannweite solcher kosmischer Schauungen zerbrechen müßte (Vgl. hierzu auch des Verfassers Schrift "Das Christus-Erlebnis im Dramatisch-Musikalischen von Richard Wagners Parsifal" - Stuttgart 1930, Verlag der Christengemeinschaft, S16f).

   Zum Verständnis solcher "Mitteilungen des Geistesforschers" darf hier erinnert werden an dasjenige, was in der astronomischen Einleitung dieser Schrift gesagt wurde über die Möglichkeit des Denkens, zu einer anderen, spirituellen Vorstellung des Begriffes "Materie" zu gelangen, als sie heute im Alltag den Menschen geläufig ist, einer spirituellen Vorstellung von Materie, zu der auch alle heutigen naturwissenschaftlichen Entdeckungen, Hypothesen und Theorien immer mehr hinführen und hindrängen. S388 Schon dieser naturwissenschaftlichen Vorstellung löst sich "Materie" immer mehr in ein Kräftesystem auf, hinter dem man die Tatsache "Bewußtsein" als eigentliche Realität heute schon zu ahnen beginnt. Die richtige Anschauung von Materie und Geist gewinnen wir dann, wenn wir im Lichte des Geistigen, des Bewußtseins die Realität, in der "Materie" den "Schatten des Lichtes" erblicken. Stünde nicht Geistiges hinter allem Materiellen, so wäre das Hervorkommen des Bewußtseins aus dem bloß Materiellen das Mysterium schlechthin, das Rätsel aller Rätsel, das bei aller Weltbetrachtung als unauflösbarer Rest zuletzt stehen bliebe (das berühmte 'Ignorabimus' Dubois-Reymonds). Der zu der hier immer gemeinten spirituellen Vorstellung der Materie führende Weg ist in dem Ganzen der Anthroposophie gegeben, für das eine Spezialuntersuchung wie die hier vorliegende niemals ein Ersatz sein kann. Wer aber in meditativer Hingabe der Betrachtung bis hierher gefolgt ist, wird auch im Johannes-Evangelium selbst den Weg finden können, zu einer spirituelleren Vorstellung vom Irdischen und darum zum Begreifen des Ereignisses von Golgatha als eines Erden-Mysteriums, eines das Irdische selbst ergreifenden und verwandelnden Geistgeschehens zu gelangen.

   Vor unserer heutigen naturwissenschaftlich-materialistischen Zeit gab es ein Zeitalter, das dem spirituellen Erfassen des hier gemeinten Erdengeheimnisses näher war. Vom alten Manichäismus an, der Licht und Finsternis als die zwei Urprinzipien betrachtet und lehrt, wie sich in Christus der Same des Lichtes in die Erdenfinsternis hinein geopfert habe, bis zur Alchimie der mittelalterlichen Rosenkreuzer finden wir solche Vorstellungen. Des - auch im christlichen Gedanken Jakob Böhmes eine bedeutsame Rolle spielenden - Begriffes der alchimistischen Tinktur wurde hier öfter gedacht. Bemerkenswert ist die Tatsache, wie mit diesem Ahnen oder Erkennen des Erdengeheimnisses (im Sinne der Alchimie) immer auch eine ganz bedeutende, die landläufige Theologie weit überragende Vertiefung des Bibelverständnisses Hand in Hand ging. Man staunt, zu welcher spirituellen Höhe das Bibelverständnis in manchen dieser Geistesrichtung entstammenden Schriften des Mittelalters (bis ins 18. Jahrhundert S389 hinein gediehen ist (Einen bedeutsamen Abschluß der hier gemeinten Strömung bilden die - jetzt neu herausgegebenen "Geheimen Figuren der Rosenkreuzer" des Henricus Matthadamus Theosophus (Altona 1783 - jetzt Engel+Co,Stuttgart). Die Schöpfungsgeschichte der Genesis, die dem klugen Materialisten von heute so leicht als bloßes "Kindermärchen" erscheint, die Noahgeschichte und andere Abschnitte des Alten Testaments offenbaren da auf einmal ihren ganzen Tiefsinn, den ganzen Reichtum ihrer kosmogonischen Geheimnisse; das "Hohelied" erhält hinter seiner scheinbaren Erotik einen ganz andern, an die Tiefen des Erdengeheimnisses rührenden Sinn; und bis ins Neue Testament, bis in die Tiefen des Johannes-Evangeliums vor allem hinein erweist sich diese den okkulten, vor allem den alchimistischen Geheimnissen nachspürende Methode als lichtbringend. Der Verfasser bzw. Inspirator dieses Evangeliums selbst wird da in Schriften jener Zeit und Geistesströmung als "Johannes der Alchimist" gefeiert. Manches, was unsere Betrachtung über den Zusammenhang der johanneischen Einweihung mit dem "alchimistischen" Sinn des Krebszeichens ergab (ME245,268,287), tirtt uns da wiederum vor die Seele. Wir erkennen, wie sehr das Mysterium der Verwandlung und Verklärung des Irdischen durch das Geistige im Sinne aller johanneischen Anschauung liegt, wie das "alchimistische Motiv" der Erdenverwandlung, der Transsubstantiation durchaus zu den johanneischen Motiven gehört. Erst einer solchen, vom "Chymischen", vom Erdengeheimnis des Mysteriums von Golgatha wieder etwas ahnenden Betrachtung würde das Johannes-Evangelium seine volle Tiefe erschließen. Das liegt heute noch in der Zukunft.

   Erkennen aber können wir schon heute, wie dieses "chymische" Motiv der Erdengeheimnisse von Anfang an das Johannes-Evangeliums durchzieht, von der "Verwandlung von Wasser in Wein" bei der Hochzeit von Kana, bis zur Seitenwunde des Gekreuzigten, der Blut und Wasser entfließt (Joh.19,34). In die Geschichte des 8. Johannes-Kapitels - Christus, der die Schuld der Ehebrecherin in die Erde schreibt - fanden wir das Erdengeheimnis bedeutsam herausragend. Noch mehr in das neunte, in die Geschichte der Blindenheilung, wo S389 die geistigen Lichtstrahlen des Christus der Erdensubstanz die das Auge erschließenden Lichteskräfte mitteilen. In noch höherem Grade sind diese geistigen Lichtstrahlen und Liebesstrahlen des Christus dann in der "Erweckung des Lazarus", wo sie die Grabestiefen selbst durchdringen, um die Kräfte der Verwesung dort zu besiegen, wirksam. In der von den Liebesstrahlen des Christus durchleuchteten physischen Hülle des Lazarus beginnt zuerst jene "Verwandlung der Erde", die dann von Golgatha an immer größere Erdenzusammenhänge ergreift.

   Von der "Erweckung des Lazarus" bis zur Christus-Erden-Tat von Golgatha ist nur noch ein Schritt: Lazarus hätte sich noch nicht selbst erwecken können, er wäre, ohne die Hilfe, ohne das weckende Liebeswort des Initiators Christus den Sterbe- und Verwesungskräften der Erde endgültig verfallen gewesen. Auf Golgatha wirkte die Christuskraft unmittelbar als die Kraft des eigenen Selbstes. Da trägt das in Christus, in der von der Christuskraft voll durchdrungenen Erdenhülle des Jesus von Nazareth den Erdentiefen sich vermählende göttliche Urlicht, das Licht im Ich selbst in sich die Kraft, das ersterbende Erdendasein zu neuem Leben aufzurufen. Da vollendet sich im Geheimnis der Christus-Auferstehung alle Magie des Ich. In dieser seiner den Tod überwindenden Magie offenbart sich jenes Ich, das die Menschen lebend nicht ertragen konnten, das den Zwiespalt in ihren Seelen erweckte, als der Urquell der göttlichen Liebe.

   Auf Golgatha vollendet sich die Scheidung der Geister, die Krisis. Darum gehören die beiden Passions-Kapitel mit denen der Krisis (6-10) innerlich zusammen. Die unmittelbarste Hindeutung darauf enthält Joh.12,V.31, der in Luthers Übersetzung lautet: "Jetzt gehet das Gericht über die Welt (griechischer Text); nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden". Rudolf Steiner hat (in den letzten Vorträgen des Kasseler Zyklus GA112) darauf hingewiesen, wie bei dem dort erzählten, mit dem Sterben auf Golgatha in unmittelbarem Zusammenhang zu denkenden Verklärungsvorgang die letzten Einwirkungen des (in aller Menschheit und menschlichen Leiblichkeit wirksamen) luziferisch-ahrimanischen Wesens ausgestoßen werden, so daß S391 Christi Leib nichts mehr von dem in sich hatte, was sonst das Menschenwesen den Widersacher-Todesmächten verpfändet und verschuldet, und wie der Tode des Christus darum ein vollkommen schuldloser, stellvertretender war. Zwischen dem göttlichen Ich (Christus) selbst auf der einen Seite, Luzifer und Ahriman auf der andern Seite vollzieht sich da die große Krisis, die Scheidung der Geister. Konnte uns schon in den Abschnitten der Krisis (Joh.6-10), besonders an dem dramatischen Höhepunkt dieser Krisis, da wo im 8. Kapitel (V.44), vor dem Steinwurf der Juden, der Christus in ihnen den Widersacher der Menschheit selbst apostrophiert, das von Rudolf Steiner für den Dornacher Bau bestimmte Bild des Menschheitsrepräsentanten zwischen den beiden Widersachern als geistiges Bild, als Menschheits-Imagination eindrucksvoll vor die Seele treten, so erschauen wir diese Menschheits-Imagination zuletzt noch in der erschütternd gewaltigen Sprache der Weltgeschichte als irdisches Bild, als irdisch-geschichtlichen Vorgang in der Kreuzigungs-Gruppe von Golgatha, im Bilde des zwischen den beiden Verbrechern gekreuzigten Christus Jesus (Joh.19,18). Von diesen beiden Verbrechern zeigt uns besonders das Lukas-Evangelium (23,39-43) deutlich, wie sie von verschiedener Wesenheit sind, wie der eine die Widerspiegelung des luziferischen, der andere die des ahrimanischen Wesens in sich trägt. Auf dem Hügel von Golgatha offenbart sich das Geheimnis von Erde und Menschheit. Da entscheidet und vollendet sich jenes Menschliche, das in den früheren "Menschheits-Kapiteln" (6-10) als großes Problem sich vor uns hinstellte. Das scheidende und richtende Bild des 8. Johannes-Kapitels hat sein Gegenstück und seine Ergänzung in dem Bilde tiefster Liebe und tiefsten Leidens, in dem Bilde des zwischen den beiden Verbrechern in der Mitte gekreuzigten Christus Jesus.

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2. Gethsemane

Joh.18

Jungfrau - Wage - Skorpion


S392   Nachdem uns der kosmische Rhythmus bei der "großen Fürbitte" (Joh.17) bis zur "Jungfrau" und ihrer Sternoffenbarung, die jetzt Erdenoffenbarung wird, das Erdengeheimnis in sich trägt, geführt hat, geht es in der Christus-Passion, im Mysterium von Golgatha über die Wage wiederum nach den dunklen Zeichen des Tierkreises hinunter. Dabei ist in der Erzählung des Johannes-Evangeliums charakteristisch, wie vor dem Beginn des eigentlichen Leidensgeschehens das Ich-Bin des Christus in voller göttlicher Majestät in der Wage sich offenbart. Es steht dieses Zeichen noch deutlich über dem Eingang des 18. Johannes-Kapitels, wiederum die Mitte, die Wage haltene, zwischen den noch nachwirkenden Lichteshöhen der Fürbitte (Jungfrau) und der Menschheitsfinsternis, die jetzt an den Christus herantritt (Skorpion). Der gleichfalls im Zeichen Wage sich vollendende Weltenkampf und Weltensieg des Christus in Gethsemane (ME299f) - liegt hier schon hinter uns. Aber die Stimmung des großen Sieges, dasjenige, was geistig im Zeichen der Wage sich ausspricht, wirkt fort im Anfang des 18. Kapitels. Viel mehr noch als in der Erzählung der andern Evangelien tritt in derjenigen des Johannes hier das Ich-Bin S393 des Christus (Wage) hervor. Wir denken an den Augenblick, wo bei dem aus dem Munde des Christus ertönenden "Ich bin" - so lautet (V.5) die den ihn suchenden, nach dem "Jesus von Nazareth" fragenden von Christus gegebene Antwort (Luther: "Ich bin's") wörtlich im Griechischen (...) - die von Judas angeführten Häscher wie bewußtlos zu Boden stürzen. Mit Lampen und Fackeln, mit aller Trübnis irdischen Lichtes, such die Menschen den Christus, das Welten-Licht, in dem ihr wahres, vergessenes Ich vor ihnen steht, und sie können den Anblick dieses Ich, die Stimme dieses Ich nicht ertragen (vgl.S38.43). Nochmal offenbart sich, in diesem Vorgang von Gethsemane, das erschütternde Bild der Menschheits-Krisis. Auch in der Gemeinsamkeit der Konstellation (Wage zwischen Jungfrau und Skorpion) offenbart sich der Zusammenhang von Joh.18 mit den Kapiteln der Krisis (6-10). Eine Menschheits-Offenbarung gewaltigster Art stellt der Eingang des 18. Johannes-Kapitels vor uns hin. Alles Trübe, alle vom Widersacher herrührende Verdunkelung im Streben und Suchen der Menschheit auf allen Gebieten des Lebens und der Erkenntnis kann im Lichte der gewaltigen Menschheits-Imagination im Eingang des 18. Johannes-Kapitels angeschaut und verstanden werden.

   Zu dieser Christus-Offenbarung des Ich-Bin im erschütterndsten aller Gegensätze steht im 18. Johannes-Kapitel die Ich-Verdunkelung und Ich-Auslöschung, wie sie in Judas, Petrus, Pilatus sich offenbart, das Ich-bin-nicht (griechisch), wie es dann vor allem in der Verleugnung des Petrus zutage tritt. Wie das Ich-Bin des Christus im Zeichen der Wage, steht diese Ich-Verdunkelung, dieses Ich-bin-nicht im finstern Zeichen Skorpion. Die dieses Zeichen beherrschende dämonische Mars-Gewalt (Teil A cap.3) offenbart sich im Schwert-Mißbrauch des Petrus, wie in allen in das Mysterium von Golgatha hereinwirkenden Gewalten des Imperium Romanum. Die weltgeschichtliche Tragödie des Pilatus ist, wie die Krisis des Judas und des Petrus, schon in der Darstellung des Markus-Evangeliums ausgeführt worden (ME310ff;330ff). Das nur im Johannes-Evangelium als dem Ich-Evangelium und dem ihm nahestehenden Lukas-Evangelium sich findende Motiv (griechisch - "Ich bin nicht") bei der S394 Verleugnung des Petrus ist der deutlichste Ausdruck für die Bewußtseins-Auslöschung (Skorpion). Und bei Pilatus liegt dasselbe in seiner Frage "Was ist Wahrheit" (V.37), wenn wir uns erinnern, wie "Wahrheit" (griechisch - aletheia) im Johannes-Evangelium das im Ewigen, im Christus-Ich-Bin (Wage) verankerte, nie verlöschende Bewußtsein ist. Gegenüber der Christus-Ich-Offenbarung versagt alle Mysterien-Weisheit, alles Einweihungs-Wissen des Pilatus.

   Unter den Motiven des 18. Johannes-Kapitels bedeutsam erscheint noch dasjenige des angenannten Jüngers (V.15), hinter dem wir immer den Christusjünger (Jungfrau) ahnen, der schon hier dem seiner schwersten Krisis entgegengehenden Petrus helfend zur Seite stehen möchte, so wie er ihn dann am Auferstehungs-Morgen zum Grabe begleitet. Und wir erfahren - oder glauben doch aus einer Andeutung des Johannes-Evangeliums (V.15) entnehmen zu dürfen -, daß er einem esoterischen Kreise angehörte, dessen Mitglied auch der jüdische Hohepriester selber war (vgl. Joh.11,51), so wie es scheint, daß auch Josef von Arimathia und Nikodemus ihm angehörten.

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3. Ecce homo

(Joh. 19,1-15)

Skorpion


S395   Die schon im Verrate des Judas, in der Verleugnung des Petrus, in der Frage des Pilatus sich ankündigende bewußtseinsauslöschende Skorpion-Todesmacht wird zur erschütterndsten Menschheits-Offenbarung in dem Kreuzige-Ruf der Juden, der schon im Schlusse des 18. Johannes-Kapitels naheliegt, bis dann im 19. Kapitel, angesichts des gegeißelten, mit der Dornenkrone gekrönten, im Purpurmantel von Pilatus vor die Juden hingestellten Christus Jesus das Motiv zu seinem Höhepunkt kommt. In dem Ecce-homo-Bilde des 19. Johannes-Kapitels (V.5 griechisch "siehe der Mensch") vollendet sich die im sechsten bis zehnten Johannes-Kapitel im Steinwurfe der Juden zu ihrer dramatischen Höhe sich emporsteigernde Menschheits-Krisis. Im Steinwurf der Juden, so sahen wir, liegen die Motive des 19. Johannes-Kapitels, liegt zuletzt die Kreuzigung selbst schon enthalten. So ist jetzt die Hauptanklage der Juden gegen den Christus Jesus: "er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht" (Joh.19,7). Dadurch, wie im 10. Kapitel der Christus von der Göttlichkeit des Sohnes, von der Göttlichkeit im eigenen innersten Ich spricht, wird der nochmalige Steinwurf der Juden unmittelbar ausgelöst. Angst und Erschrecken löst dieser Hinweis auf das göttliche Geheimnis in den von der Macht des Widersachers umklammerten Menschenseelen aus. Dieses Hinschauen auf das Göttliche im S396 Ich ist dasjenige, was die von der Widersachermacht (Skorpion) verdunkelte Menschenseele am wenigsten ertragen kann.

   Wir entnehmen, hinschauend auf das erschütternde Bild des Ecce homo und des Kreuzigungsrufes der Juden einige Sätze den Zyklen Rudolf Steiners, zunächst demjenigen über das Markus-Evangelium (GA139 im letzten Vortrag): "Da stand vor der Menschheit... der Mensch in seiner Gestalt, wie sie die göttlich-geistigen Mächte dem Menschen gegeben hatten. So stand er da, aber veredelt, durchgeistigt durch den dreijährigen Aufenthalt des Christus in dem Jesus von Nazareth... Da stand der Mensch im Bilde vor seinen Mitmenschen, als das Mysterium von Golgatha sich vollzog, vor dem die andern hätten stehen sollen und anbeten: 'Da bin ich in meinem höchsten Ideal, in der Gestalt, die ich aus mir machen soll durch das allerheißeste Streben, das nur aus meiner Seele kommen kann; da stehe ich vor dem, was allein verehrungswürdig und anbetungswürdig ist: vor dem Göttlichen in mir!'... Dies Selbsterkennen hätte die Menschheit haben sollen. Und was tat diese Menschheit? Sie spie an den Menschensohn, geißelte ihn, führte ihn hinaus zur Kreuzigungsstätte! Das ist der dramatische Wendepunkt... Geschildert wird der Mensch, der sich selber tötet, weil er sich nicht erkennt, und der nur durch diese kosmische Lektion den Impuls empfangen kann, nach und nach seine Wesenheit in der weiteren Perspektive der Erdenentwickelung sich zu erringen."

   Mit dieser einen Äußerung Rudolf Steiners steht in naher Verbindung eine andere im ersten Vortrag des Zyklus "Christus und die menschliche Seele" (GA155):

   "Stellen wir uns vor das geistige Auge die Tatsache, daß der hohe Rat in Jerusalem es für wichtig hält, an den Christus Jesus die Frage zu stellen, wie er es mit dem Göttlichen hält, ob er sich bekenne als den Sohn des Göttlichen. Und fassen wir ins geistige Auge, daß der hohe Rat dieses für die größte Lästerung hält, die der Christus Jesus hat aussprechen können. Halten wir uns weiter vor Augen, daß eine Szene vor uns steht, geschichtlich, in der das Volk schreit und wütet nach dem Tode des Christus Jesus. Und versuchen wir nun einmal, uns zu S397 vergegenwärtigen, was dieses Schreien und Wüten des Volkes historisch eigentlich bedeutet. Fragen wir uns einmal: was hätte denn dieses Volk erkennen sollen in dem Christus Jesus? Erkennen hätte es sollen diejenige Wesenheit, die dem Erdenleben Sinn und Bedeutung gibt. Erkennen hätte es sollen diejenige Wesenheit, welche zu vollbringen hat die Tat, ohne welche die Erdenmenschheit den Weg zum Göttlichen nicht wiederfinden kann. Erkennen hätte es sollen, daß der Sinn des Erdenmenschen nicht da ist ohne diese Wesenheit. Ausstreichen hätten die Menschen müssen von der Erdenentwickelung das Wort 'Mensch', wenn sie hätten ausstreichen wollen das Christusereignis. Nun stellen wir uns vor, daß diese Menge diejenige Wesenheit verurteilt, über diejenige Wesenheit wütet, welche den Menschen auf Erden eigentlich zum Menschen macht, welche der Erde ihr Ziel und ihren Sinn geben soll... Nichts Geringeres ist uns gesagt, als daß die Menschheit an einem Punkt angekommen war, wo sie sich selbst verloren hatte, wo sie dasjenige verurteilte, was ihr Sinn und Bedeutung in der Erdenentwickelung gibt. Und aus dem Schreien der aufgeregten Menge könnte man heraushören...: 'Wir wollen nicht Menschen sein, wir wollen von uns stoßen, was uns weiter Sinn als Menschen gibt'".

   Die hier von Rudolf Steiner mit so eindrucksvollen Worten gekennzeichnete, im Kreuzige-Ruf der Juden so erschütternd sich offenbarende Macht, die dem Menschen sein Bewußtsein als Mensch, seine Erkenntnis des Menschenwesens verdunkelt und auslöscht, ist keine andere, als die wir hier immer vom kosmischen Gesichtspunkt als die Todesmacht des Skorpions bezeichnen. Der Tod im Herzen der Menschen wird da im Zeichen des Skorpion in einer erschütternden Weise offenbar.

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   Das Christus-Wort von der Göttlichkeit des Sohnes, der Göttlichkeit im Ich, das den dieser Göttlichkeit entfremdeten Juden nur noch als ein entsetzlicher Frevel, eine furchtbare Gotteslästerung erscheinen kann, erweckt in dem von Mysterien-Ahnungen und Mysterien-Vorstellungen erfüllten Herzen des S398 Pilatus tödlichen Schrecken, es rührt bei ihm an den Punkt, wo halbes Mysterien-Wissen mit dumpfem Aberglauben sich verbindet, Joh.19,8: "Das Pilatus das Wort hörte, fürchtete er sich noch mehr". Daß alles, was in diesem einzigartigen Gerichtsverfahren und Menschheitsgeschehen von Jerusalem sich vollzieht, in einer Sphäre höchster (alles damalige Eingeweihten-Wissen übersteigender) Einweihungs-Geheimnisse und Menschheits-Geheimnisse liegt, ist ihm dunkel bewußt. Und wie ein bewußtes Spielen mit Geheimnissen der Einweihung mutet die Art an, wie er den gegeißelten, mit der Dornenkrone gekrönten Christus Jesus im Purpurmantel herausführt, wie er das Ecce homo (die sein eigenes Wissen übersteigende Andeutung des Menschheitsgeheimnisses) über ihn ausspricht, und ihn als ihren König - als "König" im Sinne der Mysterien - vor die Juden hinstellt (ME338).

   Und weit über dasjenige hinaus, was im Bewußtsein des Pilatus als Vorstellung von diesen Dingen vorhanden war, sind - diese Erkenntnisse verdanken wir Rudolf Steiner, der sie zuerst in dem Buche "Das Christentum als mystische Tatsache" (GA8) ausgesprochen hat - ganz objektiv Tatsachen des Einweihungs-Mysteriums in allen einzelnen Geschehnissen des Mysteriums von Golgatha auf den Plan der Weltgeschichte hingestellt. Was früher halbreal-symbolisch in der Verborgenheit der Einweihungstempel sich vollzog, spielt sich auf Golgatha als "offenbares Geheimnis" vor den Augen der Menschheit ab.

   So ist, abgesehen von allem, was die Vorgänge als geschichtliche Ereignisse sind und bedeuten, das ganze Geschehen von Golgatha ein Bild desjenigen geistigen Geschehens, das in jener Dramatik des menschlichen Bewußtseins, die wir hier immer als "christliche Einweihung" (d.h. als die zum Vollbewußten der Seele führende Einweihung) bezeichnen, überall objektiv vorhanden ist, das sich als ein inneres Geschehen mit den Erlebnissen dieser christlichen Einweihung immer rein objektiv verbindet. In diesem Sinne sind Geißelung, Dornenkrönung, Kreuzigung - schon die vorausgegangene Fußwaschung bildet eine erste Stufe des hier gemeinten Werdeganges -, abgesehen von dem, was sie als historische Ereignisse S399 rein irdisch-physisch bedeuten, bestimmte "ätherische Erlebnisse" des christlichen Einweihungsweges (mit dessen Geheimnissen die fünf dunklen Zeichen des Tierkreises immer in einer besonderen Weise verbunden sind). Bis zur Stigmatisierung, bis zum äußeren Sichtbarwerden der Wundmale konnten diese "ätherischen Erlebnisse" in einzelnen historisch beglaubigten, selbst noch in der neuesten Zeit Ereignis gewordenen Fällen gesteigert werden. Nicht aber das zum Teil auf Vererbung und abnorme physisch-ätherische Konstitution Zurückführende solcher Fälle, sondern das wirkliche Hereinwirken vom Vollbewußten, vom Ich aus bis ins Physische entspricht dem wahren Wesen christlicher Einweihung.

   In älteren Zeiten, in der sog. "altchristlichen Einweihung" waren solche Erlebnisse nur dadurch möglich, daß der die Einweihung Suchende durch lange Zeiten hindurch jede Berührung mit dem äußeren Leben hintanhielt und sich dann in einem Zustande völliger äußerer und innerer Abgeschiedenheit in die Evangelien-Bilder der Passionsgeschichte innerlich hineinlebte. Das Wesen des der heutigen Bewußtseinsstufe der Menschheit (der "Bewußtseinsseele") entsprechenden, des schwierigsten aber auch wirksamsten aller Einweihungswege besteht gerade darin, daß im vollen Darinnenstehen im Gesamtleben der Menschheit die hier gemeinten Erlebnisse gefunden werden. "Fußwaschung" ist dann nicht schon da verwirklicht, wo durch Meditation des Evangelienbildes die ätherische Empfindung des die Füße umspielenden Wassers geweckt wird, sondern da, wo durch die in "dienender Liebe" (Jungfrau) sich stark mit dem Irdischen verbindenden Willenskräfte diese Wirkung ausgelöst wird. Ebenso die "Geißelung" nicht schon da, wo die Geißelhiebe nur in der Vorstellung erlebt werden, eigentlich auch noch nicht da, wo das Erleben der "Schläge des Daseins" ein rein individuelles verbleibt, sondern erst da, wo die Empfindung vom Individuell-Menschlichen ins Menschheitliche sich erhebt, d.h. wo alles Menschheitliche so stark miterlebt und miterfühlt wird, daß im Menschheits-Leiden wirklich das Christus-Leiden erlebt wird, wenn ein Gefühl da ist für dasjenige, was das Göttliche leidet an dem, was die Menschen S400 tun, wenn das nur menschliche Fühlen und Erleiden zum Miterfühlen des göttlichen Leidens an der Menschheit geworden ist, wenn die Stufe erreicht ist, die im Parsifal "durch Mitleid wissend" heißt.

   Wie die Fußwaschung zum Geheimnis des göttlichen Wollens, die Geißelung zu dem des göttlichen Fühlens, verhält sich die Dornenkrönung zu demjenigen des Denkens. Erst wenn im Ich erlebt wird, wie alles im Irdisch-Materiellen verfestigte menschliche Denken, wie alle intellektuelle Klugheit und "Wissenschaftlichkeit" in der über Raum, Zeit und Materie erhabenen "Welt der Wahrhaftigkeit" als grausamer Schmerz und grausamster Hohn empfunden wird, wie vor der geistigen Welt alles irdisch-menschliche Denken und Vorstellen in einem selber alle menschliche Vorstellung übersteigenden Ausmaße grundfalsch und verkehrt ist, wie den Wesenheiten der geistigen Welt, wie dem Christus selbst dieses unser heutiges materialistisches Denken maßlosen Schmerz bereitet, erst dann ist eine Ahnung davon vorhanden, was "Dornenkrönung" im geistig-realen Sinne bedeutet. Gerade derjenige wird einem solchen Erleben der "Dornenkrönung" am nächsten sein, der nicht auf gewöhnliches Denken und gewöhnliche Wissenschaftlichkeit als auf etwas von ihm vermeintlich Überwundenes mit Hochmut herabsieht, sondern der diese Formen des Denkens und Vorstellens in der Sphäre des praktischen Alltagslebens, für die sie bestimmt und in der sie bis zu einem gewissen Grade auch notwendig sind, richtig und sicher anzuwenden weiß, und sich dabei des schmerzhaften Zwiespaltes zwischen dieser das mechanische Denken aus sich gebärenden Welt der Sinne und des spirituellen Lebens in der Welt der Wahrhaftigkeit bewußt bleiben kann, der ein Gefühl dafür sich erhalten kann, wie alle Weisheit der Menschen "Torheit vor Gott" ist. Wenn er alles dieses so stark erfühlen kann, daß er die Schmerzen am eigenen Leib erfühlt, als ob ihm selbst die spitzen Stacheln der Dornenkrone in das Haupt gestoßen würden, so ist er - einerlei, ob die äußeren Stigmata bei ihm auftreten oder nicht - auf der Stufe der Dornenkrönung angelangt.

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4. Golgatha

(Joh.19,16ff)

Schütze - Steinbock-  Wassermann


S401  Wie Fußwaschung, Geißelung, Dornenkrönung zu den Gebieten des Wollens, Fühlens, Denkens, haben Kreuztragung und Kreuzigung ein unmittelbares Verhältnis zum Ich, sie offenbaren unmittelbar, wie das göttlich-geistige Ich in die menschliche Leiblichkeit sich hineinstellt. Was als geistige Vorstellung in uralter Mythologie - man denke an den am Weltenbaum hängenden Odin der Edda - wie in der platonischen Erkenntnis von der im Weltenleibe gekreuzigten Weltseele vorhanden war, wird auf Golgatha irdisch-physisches Geschehen, ein Geschehen, das im höheren Sinne zugleich "geistiges Bild" ist. Wie die Kreuzigung ein geistiges Bild für das Verhältnis des Ich zur irdisch-physischen Leiblichkeit, ist die Kreuztragung ein solches für den ganzen irdischen Lebenslauf, wenn er vom Geistigen aus gesehen und erlebt werden kann. Für den ganzen Lebenslauf erscheint dann wahr, was an bestimmten Erlebnissen, wie etwa einer langen, schweren Krankheit nur besonders anschaulich wird, zur besonders deutlichen Offenbarung werden kann. Jedes bewußte Erleben der Kreuztragung und Kreuzigung im Ich führt aber dann auch zum Erleben der Kreuzesabnahme und der Auferstehung. Das eine Erleben trägt das andere in sich. In allen Schmerzens-Erlebnissen der Einweihung vollzieht sich in Wirklichkeit eine Lockerung und Lösung des ätherischen Lebens aus den Banden des S402 Physischen. Schon die buddhistische Geistesschulung sprach bei den Stationen des Einweihungsweges von "Stufen der Erlösung".

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   Wie in den Vorgängen der Geißelung, Dornenkrönung, des Ecce homo und der in seinen geistigen Hintergründen erscheinenden Menschheits-Verdunkelung der Skorpion, offenbart sich, von der Kreuztragung an, in den eigentlichen Vorgängen der Kreuzigung des Kreuzes der Schütze. An der Stelle, wo es (Joh.19,17) heißt "und er trug sein Kreuz", werden wir den Übergang vom Skorpion in das Todeszeichen des Schützen annehmen. Indem das Geschehen weiterhin vom Schützen über den Steinbock bis zum Wassermann führt (dem die "Grablegung" sich zuordnet), erscheinen auch im kosmischen Rhythmus des Evangeliums, wo das Zeichen Schütze dem Sohnes-Kreuz des Ätherischen, Steinbock dem Kreuze des Physischen oder des Vaters, Wassermann dem "Kreuze des Geistes" angehört, die drei Kreuze auf Golgatha (Näheres darüber ME Anhang). Planetarisch offenbart sich, wie im Skorpion, das Dämonische des Mars, so im Schützen Jupiter (in seiner Beziehung zur "alten Sonne"), im Steinbock Saturn, im Wassermann Saturn-Uranus.

   Im ätherischen Zeichen des Schützen offenbart sich am Kreuze von Golgatha das Geheimnis der neuen Lebensquelle, des neuen ätherischen Lebensstromes. In den "Zwölf Stimmungen" (GA40) hat Rudolf Steiner zu Jupiter in Schütze die Worte gegeben: "Im Sterben erreift das Weltenwalten". Die Todesstunde von Golgatha wird die Geburtsstunde einer neuen Welt. Das ist die Lebens-Todes-Offenbarung im Schützen. Novalis drückt das in den "Hymnen an die Nacht" mit den Worten aus: "Der unsäglichen Leiden dunkeln Kelch leerte der heilige Mund; in entsetzlicher Angst naht' ihm die Stunde der Geburt der neuen Welt". Auch das Folgende ist noch Offenbarung des Schützen: "Hart rang er mit des alten Todes Schrecken, schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm. Noch einmal sah er freundlich nach der Mutter - da kam der ewigen Liebe lösende Hand - und er entschlief". S403

   So liegt in diesem Geheimnis der "Geburtsstunde einer neuen Welt" im Himmelszeichen des Schützen auch das "Mysterium der Mutter" (Joh.19,25-27), in dem zugleich das Mysterium des Johannes-Werdens, des Werdens des "Jüngers der Liebe" sich vollendet. Darüber ist bereits früher bei der Darstellung des Markus-Evangeliums gesprochen worden (ME340f). In der Verbindung des Christusjüngers mit der Mutter unter dem Kreuze, die das himmlische Gegenbild aller irdischen Liebesverbindung ist, vollendet sich die Magie des Ich, in der die ganze Werde-Möglichkeit der neuen Welt beschlossen liegt. Am Kreuze von Golgatha vollendet sich das letzte und höchste aller Ich-Mysterien des Johannes-Evangeliums. Das schon in der "Hochzeit von Kana" angedeutete "Mysterium der Mutter" wird darin vollends offenbar.

   Und im "Mysterium der Mutter" liegt noch ein "Mysterium der Schwester" geheimnisvoll mit eingeschlossen. Von der Mutter läßt uns das Johannes-Evangelium noch hinschauen auf "der Mutter Schwester", auf die "andere Maria", die mit ihr unter dem Kreuze steht, so wie in Maria Magdalena auf die Schwester des Jüngers der Liebe selbst (In den Gestalten seiner Mysterien-Dramen hat Rudolf Steiner dieses "Geheimnis der beiden Marien" zum Ausdruck gebracht). Ein Mysterium der höchsten Liebe vollendet sich im Hinschauen auf die Schwesterseele. Was diese "Schwesterseele" im Werden des Jüngers der Liebe bedeutet, ist hier schon öfter gesagt worden, und in der Geschichte der "Auferstehung" wird deutlicher sich offenbaren, was es zu bedeuten hat, daß die Schwester, daß Maria Magdalena mit dem Jünger der Liebe unter dem Kreuze stand. Konnten wir in der Darstellung des Markus-Evangeliums vom Gesichtspunkte der Johannes-Initiation auf dieses "Werden des Jüngers der Liebe" hinschauen, so betrachten wir es hier in der Darstellung des Johannes-Evangeliums als den Abschluß des Christus-Erden-Werkes selbst, der Christus-Magie auf Erden. Das Mysterium der Liebe selbst vollendet sich am Kreuze von Golgatha in dem, was da durch Christus zwischen der Mutter und dem Jünger der Liebe noch vollzogen wird, und was von der Schwesterseele - von beiden Schwesterseelen - S404 noch schauend miterlebt und in Herzenstiefen aufgenommen wird. Und es liegt in dem, was sich da vollzieht, die Überwindung des Sündenfalles der Menschheit. Wie im Sündenfalle der Menschheit der Ursprung der alten Welt, liegt in der Überwindung dieses Sündenfalles der Keim einer neuen.

   Zur himmlischen Offenbarung des "Schützen" gehört auch das Mysterium des Kreuzes-Wortes "Mich dürstet" (Joh.19,28), dessen wir schon früher, im Kapitel von der "Samariterin am Brunnen" (Joh.4) gedachten. Es ist sehr bedeutungsvoll, daß auch über jenem Kapitel, über der ganzen Mysterien-Begegnung des Christus mit der Samariterin am Brunnen das Himmelszeichen des Schützen (bzw. die Konstellation Schütze - Zwillinge) steht. Wir erinnern uns, wie es sich bei jener Mysterien-Begegnung im 4. Johannes-Kapitel um das Geheimnis der alten und der neuen Lebensquelle handelte (vgl. Joh.4,13.14): ebenso erleben wir jetzt am Kreuze von Golgatha im Himmelszeichen des Schützen den Ursprung der neuen Lebensquelle aus dem Nullpunkte heraus, in dem die alte verschwindet. Und ebenso wie im 4. Kapitel Christus, obwohl er als den Bringer des neuen Lebenswassers sich weiß, die Samariterin um einen Trunk aus der versiegenden Quelle bittet (V.7), indem er in heißer Mittagsstunde dürstend am Brunnenrande sitzt, hören wir ihn am Kreuze die Worte des Dürstens geistig in die Welt rufen. Er, in dem selbst die Erfüllung alles Sehnens, die Stillung jeglichen Durstes beschlossen ist, nimmt am Kreuze alle Sehnsucht der Menschheit, das Dürsten einer ganzen Welt auf sich...

   Auch dies ist von Bedeutung, daß über der Begegnung mit der Samariterin am Brunnen wie über dem Kreuze von Golgatha das mit der Konstellation Schütze - Zwillinge verbundene Geheimnis der "sechsten Stunde" (der Mittagsstunde) liegt (vgl.Joh.4,6;Mark.15,33;Joh.19,14). Und wie in der Mysterien-Begegnung mit der Samariterin am Brunnen (Joh.14) verfallene Überreste und späte Nachklänge des von Zarathustra-Erinnerung überleuchteten Isis-Osiris-Mysteriums sich offenbarten, so kann man auch in dem, was sich am Kreuze von Golgatha im Zeichen S405 des neuen Lebensursprungs (Schütze) vollzieht, im Mysterium der Verbindung des Jüngers mit der Mutter und Schwester die Vollendung des Isis-Osiris-Mysteriums finden. In Christus vollendet sich am Kreuze (d.h.: im Ich) das altägyptische Mysterium, in dem Isis als Mutter, Gemahlin und Schwester des Osiris erscheint. (Vgl.dazu ME217ff). Auch die Bedeutung von Jupiter im Schützen wird da in einem neuen christlichen Mysterien-Sinn offenbar. Das Isis-Geheimnis der alten Mysterien wird am Kreuze von Golgatha zum Marien-Geheimnis, zum Geheimnis der beiden Marien.

   Auch so kann die Lebens-Todes-Offenbarung des Schützen am Kreuze von Golgatha imaginativ angeschaut werden, daß sich das Bild des dem Todesbaume neu entgrünenden sprießenden Lebens vor uns hinstellt. Der durch den Sündenfall der Menschheit zum Todesbaum gewordene Baum der Erkenntnis im Paradies, das dürre Kreuzesholz nimmt da wiederum die Kräfte des Lebensbaumes in sich auf. Wir wissen aus früherer Darstellung, wie das Bild des Lebensbaumes und des Erkenntnisbaumes auch ein Ausdruck ist für die Polarität der höheren und der niederen Ätherarten, des Ewig-Weiblichen und des Ewig-Männlichen, für die im Paradies der Menschheit noch verbundenen, durch den Sündenfall der Menschheit dann auseinandergerissenen Kräfte (vgl.Genesis 1,27). Auch von diesem Gesichtspunkte wird die Verbindung des Jüngers mit der Mutter am Kreuze in einem neuen, höheren Lichte offenbar.

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   Mit dem auf die Vollendung des Welten-Weihe-Geschehens hindeutenden Kreuzesworte "Es ist vollbracht" (griechisch Joh.19,30) kann man sich den Übergang vom Schützen in den Steinbock vorstellen. Das "Wende-Zeichen" Steinbock wird da zum Zeichen der Weltenwende (ME344). Die Stimmung dieses finstern Saturn-Zeichens findet am besten ihren Ausdruck in den Worten des Novalis: "Nur wenig Tage hing ein tiefer Schleier über das brausende Meer, über das finstre, bebende Land" (Hymnen an die Nacht). Das Markus-Evangelium S406 spricht von der Finsternis am Kreuze als einer drei Stunden währenden (Mark.15,33). Das Johannes-Evangelium erwähnt die Finsternis gar nicht, da liegt alles nur zwischen den Zeilen. Man wird das Eintreten und die Stimmung des Himmelszeichens Steinbock bei der Erzählung von Golgatha eigentlich gar nicht so sehr in den ausdrücklichen Worten des Johannes-Evangeliums finden, sondern - wenn wir den so oft sich darbietenden Vergleich des johanneischen Stils mit dem symphonischen Musikstil auch hier anwenden - viel mehr in dem empfinden, was einer musikalischen Pause oder Fermate vergleichbar zwischen den Zeilen liegt.

   Spricht das im ätherischen Sohnes-Kreuz liegende Zeichen Schütze von einer Offenbarung des ätherischen Lebensstromes, so weist das im Vater-Kreuz des Physischen liegende Saturn-Zeichen Steinbock - in dem ja auch das Weihnachtsereignis der Jesusgeburt liegt - ganz auf die Geheimnisse der Geburt und des Physischen, der jetzt im Werden begriffenen neuen Erde hin. Der Schleier des Erdengeheimnisses liegt über dem ganzen Geschehen im Himmelszeichen Steinbock. Dieses Erdengeheimnis findet seinen Ausdruck insbesondere in der Erzählung vom Lanzenstich (Joh.19,34), von der Seitenwunde, der Blut und Wasser entfließt. Das scheint zunächst, äußerlich physiologisch genommen, nichts Besonderes zu sein. Und historisch gesehen, könnte es zunächst nur wie eine Feststellung des eingetretenen Todes genommen werden. Insbesondere V.35 - so meinen viele Erklärer - würde sich dann nur an diejenigen wenden, die aus irgendwelchen Gründen den am Kreuze erfolgten Tod des Jesus von Nazareth in Zweifel zogen. Daß diese ganz am Äußerlichen haftende Erklärung den johanneischen Sinn und die spirituellen Hintergründe der fraglichen Evangelienstelle nicht erreicht, wird am deutlichsten durch den ersten Johannes-Brief, wo wir im 5. Kapitel lesen: "Wer ist's, der die Welt überwindet, wenn nicht, der da in sich aufnimmt, daß Jesus Gottes Sohn ist? Dieser ist's, der da kommt durch Wasser und Blut, Jesus Christus; nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und im Blut. Und der Geist ist's, der da zeuget; denn der Geist (des lebendigen Odems, pneumaS407 ist die Wahrheit (aletheia, das Licht des nie verlöschenden Bewußtseins). Und drei sind's, die da zeugen: der Odem, das Wasser, und das Blut, und diese drei sind eins." Es ist, als ob ein Geheimnis von vier Elementen - Wasser, Feuer, Luft, Licht-Erde (Auferstehungs-Erde, verwandelte Erde) - hier hindurchschimmerte, ein Geheimnis der Erden-Verwandlung, das uns schon bei der Hochzeit von Kana begegnete, bei der das Geheimnis von Wasser und Wein an das in der Erzählung vom Lanzenstich sich offenbarende Geheimnis von Wasser und Blut ganz unmittelbar erinnert. Das der Seitenwunde des Gekreuzigten entströmende Blut trägt in sich die Tinktur des Lichtes, die der Finsternis der Erde wie ein Sternensame sich einsenkt. Zwischen der Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kana und dem Mysterium von Wasser und Blut bei des Seitenwunde des Gekreuzigten liegt das chymische Geheimnis des Johannes-Evangeliums. Die Ausdrucksweise von Joh.19,35 läßt erfühlen, daß hier auf ein Mysterium hingedeutet wird, das in den Worten nicht unmittelbar enthalten ist, sondern zwischen den Zeilen liegt. Und dieses Geheimnis ist ein Erdengeheimnis, ein Geheimnis der Auferstehungs-Lichterde, der jungfräulichen prima materia des den Wunden des Gekreuzigten entströmenden Christus-Blutes. Im Parzival von Wolfram von Eschenbach (IX. Buch) ist davon die Rede, wie durch die Kains-Tat, durch das Blut des ersten Brudermordes die Erde ihre Jungfräulichkeit, ihr "Magdtum" verlor, wie sie durch Golgatha das Verlorene wiedergewinnt, wie da ein Anfang des Wieder-Jungfräulichwerdens sich vollzieht. Richard Wagner bringt in seiner musikalischen Sprache dasselbe im "Karfreitagszauber" zum Ausdruck.

   Die Sage läßt den in die Seite des Gekreuzigten gestochenen Speer des römischen Legionärs zum heiligen Gralsspeer werden. Auch in Wagners Parsifal finden wir diesen Speer des "Lanzenstiches" von Golgatha als das Christus-Symbol des Ich. Das hat einen tiefen Sinn, weil in all dem, was am Kreuze geschieht, das Mysterium des Ich sich vollendet. Im Blut- und Wasser-Strom des heiligen Lanzenstichs findet alles seinen Ausdruck, was an Geheimnissen zwischen dem Christus-Ich und dem S408 Physischen der Erde, an Geheimnissen der Erdenverwandlung (Transsubstantiation) und höheren Alchimie am Kreuze von Golgatha sich vollzieht. Es wird, was hier sich vollzieht, auch das Mysterium des heiligen Grales genannt. In dem der Seitenwunde vom Lanzenstich entströmenden Christus-Blut offenbart sich das Mysterium des heiligen Grales, das die Sage dann mit dem auch im Johannes-Evangelium (19,38) genannten Joseph von Arimathia in eine engere Verbindung gebracht hat.

   Mit der Seitenwunde des Lanzenstiches vollendet sich die Fünfzahl (das Pentagramm - es ist das Pentagramm, der Fünfstern auch ein Symbol des "ätherischen Leibes") der "heiligen Wunden". Im 7. Vortrag des Zyklus "Markus-Evangelium" (GA139) zeigt Rudolf Steiner, wie auch in dieser "Fünfzahl der heiligen Wunden" eine Offenbarung des Ich enthalten ist. Ein Menschenleib, wie er heute geworden ist - so sagt Rudolf Steiner -, er müßte zerbrechen unter der Wucht des Ich, wenn dieses Ich in seiner ganzen ungebrochenen göttlichen Fülle wieder in diesen Leib einziehen könnte. (Darum auch bei dem zu den Vorgängen am Kreuz in einer innern Beziehung stehenden Verwandlungswunder der Hochzeit von Kana der Hinweis auf das Zerbrechen des Leibestempels, Joh.2,19-21). Die Verwundbarkeit eines Siegfried, eines Ödipus, eines Achill, sie enthalten den Hinweis auf die starke Rückwirkung des Über-Ich auf die irdische Leiblichkeit. Könnte vollends das ungebrochene Ich einziehen in einen Menschenleib, und könnte der hellseherische Blick auf diesen Vorgang hinschauen, dann - so sagt Rudolf Steiner - würde er einen solchen Leib nicht nur mit einer, sondern mit fünf Wunden, mit den fünf Kreuzes-Wunden Christis (den vier Nägelmalen und der Speerwunde) erblicken. Und was da zunächst als ein Erlebnis im Ätherischen gemeint ist, offenbarte sich am Kreuze von Golgatha im Physischen. Durch den christlichen Einweihungs-Weg kann das dort im Physischen sich Offenbarende wiederum zum ätherischen Erlebnis werden. Im ganzen rhythmischen Aufbau S409 des Johannes-Evangeliums ist zugleich der methodische Stufengang dieses christlichen Einweihungs-Weges gezeigt.

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   Schon der ganze Zusammenhang zwischen dem Mysterium der Speerwunde und demjenigen des in die Konstellation Wassermann - Löwe sich stellenden Verwandlungswunders von Kana läßt an dieser Stelle der Evangelien-Erzählung die Nähe des Zeichens Wassermann erfühlen (So wie andrerseits das Motiv der "am Kreuz entspringenden Lebensquelle" noch auf den Schützen hinweist). Bei der Grablegung (Joh.19,38-42) sind wir vollends in das Zeichen Wassermann eingetreten, das im Evangelium (siehe ME) überall das Zeichen der Grablegung ist. Vom finstern Saturn-Zeichen und Erden-Zeichen Steinbock gehen wir jetzt hinüber in das andere, lichtere und erdenleichtere Saturn-Zeichen, in das von Uranus mit überleuchtete sternen-leuchtende Zeichen Wassermann, das dem Kreuze des heiligen Geistes und des Astralischen (im "heiligen Geist" offenbar sich die Verwandlung und Verklärung des Astralischen), dem "festen" (Tamas-)Kreuz, wie man in der älteren Astrologie es nannte, angehört. Und es liegt Ruhe des Geistigen über diesem Zeichen, wie über dem ganzen Evangelien-Abschnitt, den wir in diesem Zeichen zu denken haben (Joh.19,38ff, in einer gewissen Weise schon 31ff), über dem ganzen Mysterium der Grablegung selbst. Erlebten wir im Vorausgegangenen, im finstern Saturn-Zeichen Steinbock die tiefste Erdenfinsternis, so liegt über dem Uranuszeichen Wassermann etwas wie Sternenleuchten und Sternenglänzen. Wie in finstern Erdentiefen war da im Saturn-Zeichen Steinbock alles  Sternenleuchten und Sternenglänzen versunken - auf einen Moment im 1. Satze von Bruckners IX. Symphonie, der dieses Mysterium zum Ausdruck bringt, wurde in der früheren Darstellung bereits hingewiesen -; jetzt, in dem mit den Mysterien des Sternenhimmels tief verbundenen Uranus-Zeichen Wassermann kann alles empfunden werden, wie wenn aus Grabestiefen der Erde, aus Tiefen des Urgesteins - man denke an das D-Moll der S410 Bruckner-Symphonie (siehe die letzte Figur im Anhang) - Sternenglänzen und Sternenflimmern aufleuchtete, als ob die Erde jetzt selber im Begriffe wäre, zunächst nur dem geistigen Auge sichtbar, wiederum sternenglänzend zu werden. Schon in dem der Seitenwunde des Gekreuzigten, den Wunden Christi überhaupt entfließenden Blut offenbart sich dem geistigen Blick dieses Sternenleuchten und Sternenflimmern (Vgl. dazu des Verfassers Schrift "Das Parsifal-Christus-Erlebnis" - Verlag der Christengemeinschaft, Stuttgart 1930 S15ff): kosmische Sternenkräfte verbinden sich in dem vom Kreuze fließenden Blute mit der Finsternis der Erde, wirken in der verfinsterten Erdensubstanz als die Tinktur des Lichtes, die Offenbarung höchster Erden-Alchimie. Schon da, in der ganzen Episode vom Lanzenstich, mischt sich Leuchten des Uranus (das immer ein übersinnliches Leuchten ist) in die trübe Finsternis Saturns. Und die Episode der Grablegung ist ganz von diesem Lichte des Uranus, diesem Sternenflimmern überleuchtet. Wir fühlen da alle Geheimnisse, die zwischen den Grabestiefen und Urgesteins-Tiefen der Erde und den oberen Sternenwelten, zu denen Uranus der Mittler ist, den Ruhe-Sternen überhaupt walten, denken an das Wort des Novalis "Ob jemand die Steine und Gestirne schon verstand, weiß ich nicht, aber gewiß muß dieser ein erhabenes Wesen gewesen sein" ("Die Lehrlinge zu Sais", 2. "Die Natur"), und an das ernste Goethe-Wort in dem Logen-Gedichte "Symbolum": "Stille ruhn oben die Sterne und unten die Gräber". Wie im Saturn-Uranus-Zeichen Wassermann Geheimnisse der Grablegung mit Sternengeheimnissen zusammenfließen, ist in diesen Worten leise und wie von ferne angedeutet.

   So hat uns in der Erzählung von Golgatha der Rhythmus des Johannes-Evangeliums von der Offenbarung des ätherischen Lebensstromes im Jupiter-Zeichen Schütze in die Erdentiefe und Erdenfinsternis im Saturn-Zeichen Steinbock, von da zur Gräber-Sternen-Offenbarung im Saturn-Uranus-Zeichen Wassermann geführt, und damit auch die drei Kreuze von Golgatha in ihrer geistigen Bedeutung als das Christus-Kreuz des Sohnes (Schütze), das Erden-Kreuz des Vaters (Steinbock), das S411 Kreuz des heiligen Geistes (Wassermann) eindrucksvoll vor uns hingestellt. In einem tiefen Erden-Sternen-Mysterium klingt in der Episode der Grablegung (Joh.19,38-42) die johanneische Erzählung von Golgatha aus. Josef von Arimathia und Nikodemus, die esoterischen Schüler des Christus, nehmen an diesem Mysterium bewußt-mitwirkenden Anteil (V.38+39). In diesem tief in Geheimnisse der Erden-Alchimie getauchten Abschnitt bereitet sich das Mysterium der Auferstehung unmittelbar vor. Ihm wird das letzte Kapitel auch dieser Arbeit gewidmet sein.

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Johannesevangelium 13