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- Anthroposophie, soziale Dreigliederung, Geschichtsphilosophie -
"Gedanken und seelisches Ringen soll eine allgemeine Angelegenheit werden, nicht mehr diejenige von Fachgelehrten" (Rudolf-Steiner-Ausgabe Nr.335,S101)
Michaelisches musikalisch von Tomaso Albinoni
dichterisch von Angelus Silesius:
"Vertilgst du in dir die Unruh und das Getümmel,
wirft Sankt Michael den Drachen aus dem Himmel":
Ein Sinn für Wandlungen konstatiert: Unsere soziale Verfassung differenziert sich - Forschung liberalisiert sich, Recht emanzipiert sich und Wirtschaft vernetzt sich. D.h. Kulturschaffende befreien sich von Zwängen, Richter verwahren sich vor Korrumpierung und Wirtschaft optimiert sich in Zusammenarbeit. Als "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" sind diese Prinzipien seit 1789 bekannt, 1919 verortet sie Rudolf Steiner für eine Konstitution der "sozialen Dreigliederung" in freies Geistesleben, demokratisches Rechtsleben und genossenschaftliches Wirtschaften. 1968 entsteht die Forderung, die Gesellschaft zu "entfilzen". Und im Zuge der Globalisierung wird von Produktion, Handel und Konsum mehr und mehr die nationale Grenzen sprengende Kraft des Wirtschaftens Realität. Nur eine rückwärtsgewandte Haltung zementiert die einheitsstaatlichen Verfassungen der Staaten, wo doch längst die Gliederung in den Tatsachen ein Umdenken fordert. Zu gewohnt sind wir, daß in unserem Einheitsstaat die Funktionen verfilzt sind und in unsozialer, kränkender Art durcheinandergewirbelt werden. Die Wirtschaftslobby korrumpiert den Rechtsstaat - die Lobbyregister sind zwar angemahnt, werden aber nicht erstellt. Am 23.4.20 geisselte Anton Hofreiter im Bundestag in der Debatte um die Corona-Pandemie das Recht des Stärkeren als eine vulgäre Form der Freiheit - ein treffender Ausdruck für die Lage, in der die ganze Nation sich befindet! Das "Recht des Stärkeren" sollte aber allgemein in den Demokratien überwunden werden - ein "Runder Tisch" und eine direkte Verfassung der Demokratie ist dazu in der Lage! Wir sind zu Recht stolz auf diese, an deren Leitbild aber noch viel zu tun ist!
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Zündende Funken und befriedende Perspektiven erwartet man im neuen Jahrtausend nicht mehr von Philosophen, die in Talkshows, Interviews und Essays nur noch belanglos herumgereicht werden. "Great again" hat Konjunktur, egomane Macher gießen Öl ins Feuer, statt streitende Parteien zu befrieden. Sie dämpfen zu wollen, ist aussichtslos. Sie sind der "Dritte, der sich freut, wenn zwei sich streiten". Einen Dritten braucht es aber auch für eine konstruktive Befriedung - Streitlust oder Resignation allein helfen nicht weiter, sowenig wie Hegemoniestreben und Isolationismus. Dieser Dritte ist konfliktfähig (Friedrich Glasl), er geht aktiv auf die Probleme zu, zwischen Teufel und Belzebub vermittelnd. Die Konfessionen könnten die Situation outen, wenn sie ihre Augenbinden ablegen würden. Die Gegensätze faßte Rudolf Steiner in ein kosmisches Bild und schuf die Holzplastik des "Menschheitsrepräsentanten" - der zwischen den Menschheitswidersachern vermittelt. Im "Goetheanum" in Dornach/Schweiz ist sie zu besichtigen. Sie repräsentiert die "Ur-Dreigliederung", um die es geht.
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Vermittelnde Aufgaben wies schon Wilhelm von Humboldt 1792 staatlicher Vollmacht zu, zwischen kultureller und wirtschaftlicher Produktivität. Aber er begrenzt sie auch, die auf Kultur und Wirtschaft übergreifend und reformierend nur Symptome kuriert und neue Strukturen erst gar nicht sucht - zu verheißungsvoll winken die alten Pfründe. Eine Revolution wie 1968 bringt einen Entwicklungsschub und öffnet frischer Luft die Fenster, wie Papst Benedikt am 22.9.11 anerkennend den "Grünen" zusprach. Revolutionen erreichen aber eher das Gegenteil, denn das Feuer der Begeisterung erstickt im Strom der Geschichte allzuschnell. "Und es wallet und brauset und siedet und zischt, wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt", so Schiller angesichts der Französischen Revolution. Und: "Gefährlich ist's, den Leu zu wecken..." Er wußte: Organische Entwicklung braucht Zeit und darf nicht von Machern überhitzt oder durch Apparate verwässert werden. Wie Freiheit und Sozialismus walten können, ohne unter das Diktum der Ausschließlichkeit zu fallen, hat Rudolf Steiner 1919 erschlossen in "Kernpunkte der sozialen Frage in den Notwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft". Neue soziale Paradigmen zu denken, braucht ein Menschenleben, ein weiteres, um im Gefühl anzukommen - und noch ein weiteres, um Realität zu werden. Und so darf konstatiert werden, daß heute nach 3 x 33 Jahren vieles von Steiners konstruktiven Anregungen Wirklichkeit geworden ist. Es droht aber auch eine Kettenreaktion destruktiver sozialer Spaltung in einem Kampf Aller gegen Alle. Dieser hat gleich einem Tsunami weite Gebiete des sozialen Lebens überflutet. Und in dieser Lage ist eine Pandemie, wie sie z.B. der Coronavirus ausgelöst hat, bedrohlich für alle weitere Entwicklung. Denn sie führt zu weiteren nationalen Abschottungen und kulturellen und wirtschaftlichen Einbrüchen. Auch der Überwachungsstaat, vor dem Joseph Weizenbaum 1984 anläßlich des Huxley-Jahres gewarnt hat, kommt durch so etwas wie die "Corona-App" womöglich mit hoher Akzeptanz in unsere Lande. Nur besonnenes und im sozialen Leben angewandtes ganzheitliches Denken und Handeln kann Schlimmeres noch verhindern.
- Einblicke und Durchblicke in das Leben des Einzelnen, der Gemeinschaftsformen und der Gesellschaft im Ganzen und Grundlagen und Arbeitsmaterial hierfür möchten diese Seiten konstruktiv zu sozialen Bemühungen beitragen -
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