Vorgeschichte, Polarisierung, Soziologisches Grundgesetz + Anthroposophie
Auf der Atlantis gab es eine Zweiteilung der Menschheit: die geläuterten, eingeweihten Priester (die Göttersöhne der Bibel) mit Zugang zum Lebensbaum und das viele Volk ohne diese paradiesischen Perspektiven. Die Wenigen standen soviel über dem allgemeinen menschlichen Niveau, wie die Vielen unter diesem den Trieben der täglichen Bedürfnisse im Schweiße ihres Angesichts LIS165 folgen mussten, wie dies schon Adam und Eva zugemutet wurde (Anmerkungen 7.5a; , LIS165, LIIIS42,S51). Nach Adam folgten die Brüder Kain und Abel, sie sind das Urbild für den Krieg zwischen den Menschen, das Böse vollzieht sich nicht mehr im Verhältnis zur Gottheit, sondern zwischen den Menschenbrüdern - der Ursprung des Krieges. Das makrokosmische Vaterunser (7.5b Anmerkungen) bezeichnet die Entwicklung, die mit dem Mysterium der Vertreibung aus dem Paradies beginnt, ihren Fortgang von der Einheit zur Zweiheit mit Entzweiung, Polarisierung und Krieg nimmt, ihren Ausgleich und Wiederverbindung/-vereinigung (Religio) im Mysterium von Golgatha findet (7.5b Anmerkungen):
Es walten die Übel, Zeugen sich lösender Ichheit
von andern erschuldete Selbstheitsschuld
die erlebet wird im täglichen Brote
in dem nicht waltet der Himmel Wille
da der Mensch sich schied von eurem Reich
und vergaß euren Namen
Ihr Väter in den Himmeln
Zeichnung von Assja Turgenieff aus "Die Söhne Kains" von Jakob Streit
Die eine Strömung verhielt sich im Sinne Jahves und verkörperte zu dieser Zeit das Gute (Abel), die andere, die Erde bearbeitende Strömung zwangsläufig das Böse (Kain), so wie später Augustinus das Gottesreich dem irdischen Reich entgegensetzte. So waren es spannungsgeladene Verhältnisse, von denen noch der Tanz um das goldene Kalb in mosaischen Zeiten einen Eindruck geben kann. Auch gab es zu allen Zeiten die Überlagerung von jungen vitalen über hochzivilisierte, stagnierende Völker, wobei letztere zu Lehrern der Invasionsvölker wurden (LI,S259). Und das Geschehen im Leben der Völker, aber auch im Leben der Einzelnen als Mann und Frau wurde in vorchristlichen Zeiten von den Tempeln ausgeführt, wenn es gottgefällig sein sollte (7.6 Anmerkungen). Dabei waren die Tempel den Menschen aber oft im negativen Sinne mysteriös – die Mysterien wurden auch früher schon angefeindet. Sie wurden wirklich allmählich dekadent mit dem Beginn des Finsteren Zeitalters (7.7 Anmerkungen), was nun in der Anfeindung, Verfremdung und dem Mißbrauch der individuellen Kräfte gipfelte, wovon z.B. der Roman 'Der Untergang von Pompeij' (7.8 Anmerkungen) handelt, und rund 50 Jahre vorher bei der Behandlung des Jesus Christus durch die Pharisäer und Sadduzäer, den letzten Abkömmlingen des jüdischen Tempelwesens, noch zum Ausdruck kam (7.9Anmerkungen). In dieser geschichtlichen Zeit änderten sich aber die Verhältnisse grundlegend, besonders in der geistigen Führung: „Ihr sollt nicht mehr Knechte sein, sondern Freunde“ (7.10 Anmerkungen). Die Pyramide als Zeichen der Hierarchie wird ergänzt durch die auf der Spitze des Individuums stehende Pyramide. Der Einzelne steht allmählich im Fokus, Kollektives soll auf ihn ausgerichtet sein, nicht andersherum.
Bei der Pyramide begegnen die Hierarchen an der Spitze. Die ägyptische Pyramide war an der Spitze mit einem sogenannten Pyramidion oder dem sog. Benbenstein versehen, der durch seinen Schliff, durch Vergoldung oder pures Gold weithin gleißendes Licht ausstrahlte: Von da kam das Licht, wie wenn man auf einer geraden Straße der untergehenden Sonne entgegenfährt, erscheint die Straße perspektivisch als Dreieck und das Licht flutet von dessen Spitze entgegen. Umgekehrt darf vorgestellt werden, daß das Licht von der Basis zur Spitze hin immer unräumlicher wird, bis es über den Schnittpunkt der Spitze hinaus in das Unräumliche - Geistige - geht. Dieser Vorgang figurierte im alten Ägypten als Einweihung:
..."Du steigst auf, indem du hinabstiegst
in deinem Hinabsteigen mit Re,
im Dunkel gehüllt mit dem Niedergesunkenen (=Leichnam)
Du stiegst auf in deinem Hinabsteigen,
Du steigst herauf mit Re,
Du gehst auf mit dem <großen Nachen>...
Du bist geboren wegen des Horus (in dir),
Du hast dich gereinigt im Falkengau,
Du hast deine Reinigung empfangen im Gau von Heliopolis von deinem Vater, von Atum
Du hast Gestalt gewonnen
Du bist hoch geworden.
Du bist Geist geworden....
Atum! Laß diesen Unas zu dir aufsteigen,
Dein Sohn ist er von deinem Leibe für unwandelbare Dauer"...
Die Form der Pyramide bildet äußerlich ab, was innerlich erlebt wurde:
"Re-Atum, es kommt zu dir dein Sohn,
es kommt zu dir Unas,
ein unvergänglicher Geist,
Herr über die Angelegenheiten der Stätte der vier Papyrussäulen,
Laß ihn zu dir aufsteigen" (7.11 Anmerkungen )
Und so verharren die 'Iche' der Menschen im Wartestand, während die Hierarchen bzw. Theokraten sich schon mit dem Geist vermählen. Dabei entsteht im Bild die Pyramide.
Die umgekehrte Pyramide hat als punktuelle Basis dagegen nicht mehr die Vielzahl der Menschen - das Volk - sondern das einzelne Ich. Und oben erscheint nun nicht ein einzelner Hierarch bzw. Theokrat (Gottherrscher, der eine Inkarnation eines Engel- oder Erzengelwesens darstellte 7.11a Anmerkungen), sondern die Hierarchien in ihrer Vielzahl, diesmal sie selber im Wartestand, zumindest was ihre Präsenz im Bewußtsein der Menschen angeht.
Der 6-stern wird auch als Mandala-'Symbol der Mitte' verwendet und findet sich in der indischen Kabbalistik: das Scricakra, (Internetseite 'stilzchen.kfunigraz.ac.at') Auch Raimundus Lullus, katalanischer Philosoph, Logiker und Theologe berief sich auf dieses Zeichen im 13. Jahrhundert. "...Er machte ein Unmögliches zur Aufgabe seines Lebens, nämlich die Mohammedaner zum Christentum zurückzuführen..." (7.12a Anmerkungen )
Bei den Kelten, deren Kultur sich im gleichen Zeitraum wie die der Ägypter entwickelte, gibt es Folgendes zu entdecken: Die Limburg der Schwäbischen Alb bei Weilheim/Teck. Sie liegt von Norden her gesehen in der Landschaft wie eine flache Pyramide. Das am Rande der Alb hochgelegene Randecker Maar erscheint hinter ihr von der selben Warte als eine umgekehrte Pyramide, da sie in ihrer Trichterform eruptive und daran anschließende erodierende Prozesse geologisch verdeutlicht. Man kann dann den Punkt finden, wo beide - Limburg und Randecker Maar hintereinander zu liegen kommen wie Kimme und Korn. Dabei entsteht im Bild ebenfalls der Davidstern, diesmal ganz in der Natur, wie dies den Kelten auch entspricht, die schwerlich rein geometrische Formen abstrakt wie die Ägypter in ihrem Vorstellungsleben pflegten, sondern immer in der Natur das Geistige suchten. Es zeigt sich (Jahreswechsel 29.12.2012), daß die Sonne in ihrem Tiefststand ähnlich wie bei den Pylonen der ägyptischen Tempel über dem Ganzen steht (das Bild konnte leider nicht genau um 12 Uhr aufgenommen werden, bzw. genau über der Limburg stehend).
In Ägypten wurde die untergehende Sonne von dem Pylon aufgenommen, bevor sie durch die Unterwelt, den Bereich der Isis, gehend gedacht wurde. Bei der Zusammenschau von Limburg und Randecker Maar kann an einen Punkt gegangen werden, der bei Hattenhofen liegt (nahe dem weltbekannten Holzmaden). Und dort finden sich auch Keltengräber, was angesichts der Geisteshaltung der Kelten wenig überrascht, denn diese haben immer markante Punkte in der Landschaft ausgesucht, von wo aus das kosmische Geschehen bzw. die Lichtwirkungen der Sonne und Sterne beobachtet werden konnten. Der Blick geht - hier an der Limburg - in den Süden. Dieser steht okkkult für das Tagesgeschehen bzw. für die volle, wache Inkarnation des Menschen und der Menschheit in ihrem gestaltenden, werktätigen Dasein, das in der keltischen und ägyptischen Zeit aber noch in der Zukunft lag (7.12b Anmerkungen ).
2) Rudolf Steiner hat diesen geschichtlichen Tatbestand als gesetzlich Wirkendes entdeckt und im Soziologischen Grundgesetz formuliert:
"Die Menschheit strebt im Anfange der Kulturzustände nach Entstehung sozialer Verbände; dem Interesse dieser Verbände wird zunächst das Interesse des Individuums geopfert, die weitere Entwicklung führt zur Befreiung des Individuums von dem Interesse der Verbände und zur freien Entfaltung der Bedürfnisse und Kräfte des Einzelnen" (7.13 Anmerkungen).
Im Bilde entsteht der Davidstern, der zum Sinnbild schrecklichster Anfeindung, Zerstörung und Ausrottung wurde – er ist aber auch ein Rosenkreuzersymbol für das Zusammenwirken von Feuer und Wasser, von Individualität und Kollektivität (7.14a Anmerkungen). Und da gilt doch sehr die Schiller'sche Beobachtung:
"Und es wallet und brauset und siedet und zischt, wie wenn Feuer mit Wasser sich mengt" (7.14b Anmerkungen)
Der Sechsstern symbolisiert nur scheinbar eine statische Ruhe. Sein harmonisches Gleichgewicht ist das Ergebnis eines absolut dynamischen Prozesses. Goethe hat mit seiner Anschauung von Polarität und Steigerung Licht in dieses Entwicklungsgeheimnis gebracht: Ohne Polarisierung also auch keine Steigerung. Der Dialektiker Hegel sagt dazu: "Wer die Widersprüche aufhebt, der hebt das Leben auf" (7.15 Anmerkungen). Dieser historische Prozeß war nicht immer gewaltfrei. Aber auch im historischen Kampf zwischen Kirche und weltlichem Staat findet er seine Überhöhung und Überwindung durch die Steigerung aus einem dualen System zu einem dreigliedrigen, wo die Dynamik in konstruktiver Weise zum Ausdruck kommt, indem ab der Neuzeit ein Organismus sich bildet. Im Augustinischen Sinne verkörpert die Kirche das Gottesreich und damit das Gute, der weltliche Staat dagegen das Böse. Universalhistorisch gesehen steht die Kirche und der Gottesstaat in der Sukzession des römischen Reiches, der Papst ist in der auf weltliche Macht bedachten Kirche an die Stelle der Cäsaren getreten. Die mittelalterlichen Kaiser, besonders die Staufer sind bis zu den Nibelungen zurückzuführen, auch wenn mit der Kaiserkrönung an das römische Reich angeknüpft werden sollte. Und der Ursprung der Nibelungen ist in der atlantischen Zeit zu suchen, worauf auch die Sagen und Mythen hinweisen. Besonders in der Zeit der Staufer kann deutlich werden, daß dabei eine Durchdringung mit Zukunftsimpulsen der Gralsgeschichte stattfindet. Nibelungen und Gral, beides in das Reich der Sage verwiesen, kann universalgeschichtlich aber große Entwicklungslinien verdeutlichen. Ein Dualismus kam im Mittelalter auch in der Anschauung zum Ausdruck, daß der Papst die Sonne sei, der Kaiser dagegen der Mond, der seine Glorie nur der Sonne verdankt (7.16 Anmerkungen).
Die Erde taucht in diesem Bild auf sozialem Feld erst auf mit der allmählichen Bildung der wirtschaftenden Zünfte, die einem selbständigen neuen Glied des sozialen Organismus die Grundlagen geschaffen haben, dem Wirtschaftsleben. Einem Organismus eignen im Gegensatz zu einem statischen dualen System Lebensfunktionen, sein gesundes Gleichgewicht muß daher immer wieder neu gefunden und geschaffen werden. Gut und Böse entpuppen sich gleichermaßen als Einseitigkeiten, die durch eine sich bildende Mitte eingebunden werden. Und es wird konstatiert, daß bisher eher eine Fehlgeburt zustandegekommen ist, denn der 'soziale Organismus' ist nicht lebensfähig, bevor eine gesunde Gliederung seiner Lebensfunktionen erreicht ist. Das Schlagwort 'Filz' deutet auf Verquickungen hin, die ungesund und krankhaft sind. Daß heute bei sozialen Betrachtungen von chronischer Dysfunktionalität gesprochen wird, ist ein Zeichen dafür, daß der menschlichen Gesellschaft Lebensfunktionen zugesprochen werden, die eben nur ein Organismus haben kann (Anmerkungen s.1.20). Damit ist eine neue Stufe der gesellschaftlichen Evolution erreicht, in der auch hier letztlich ganzheitlich gedacht und konstruktiv gehandelt werden wird.
3) Das große Vorbild für gewaltfreies, evolutionäres Vorgehen ist Mahatmi Ghandi. Auch der Buddhismus mit seiner Lehre von Mitleid und Liebe wird oft falsch verstanden als wachsweiche, wirkungslose Sache von Softies. Aber er und auch das Christentum tritt in seinen Begründern auf entschiedenste Weise für die Sache des Individuums gegenüber der erdrückenden Übermacht der alten Kollektive ein - gewaltfrei!! Was Buddha geschichtlich als Lehre gebracht hat, ist mit der Christustat nach dessen eigenen Worten so zu verstehen:
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh,14.5).
LIIIS55:..."es wurden die Kräfte des Lebensbaumes, die den Menschen als Einzelseelen entzogen und der im Mysterienwesen waltenden geistigen Menschheitsführung zur Verwaltung anvertraut worden waren, den Einzelmenschen zugänglich gemacht. Dies geschah in der Weise, daß, was in vorchristlicher Zeit als innere Verwandlung (durch Passion, mystischen Tod und Auferstehung) die Einzuweihenden im verborgenen Innern der Mysterientempel nur in kultisch-symbolischer Form durchgemacht hatten, in Leben, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi in aller Öffentlichkeit als geschichtliches Ereignis vollzog"...
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Hier ist mehr als Lehre! Der Christus-Impuls verkörpert die Ichkraft! In dieser liegt auch die Überwindung und Überhöhung der Schattenseite dieser Entwicklung: Individualisierung ist nicht gleichbedeutend mit der Isolierung in der Masse! (7.17 Anmerkungen) Aber auch nicht mit dem platten Egoismus, der den Menschen zum unerwünschten Kostenfaktor der liberalen Globalisierung macht. Letztere hat Herr Ratzinger wohl gemeint, als er in seiner Rede vor dem deutschen Parlament von der Unverträglichkeit der Individualisierung mit sozialen und geistigen Anforderungen sprach. Warum spricht er nicht zwecks Erfüllung der Menschenwürde über die immer deutlichere und stärkere Forderung nach einem
Grundeinkommen?
Dazu muß aber gegliedert werden: Freie Religionsausübung ist gesellschaftlich selbstverständlich eine Hauptsache des Geisteslebens. Und Herr Ratzinger kann zusätzlich durchaus als Oberhaupt eines Staates betrachtet werden, nämlich des minimalistischen Kirchenstaates. Dann müßte er aber auch die Gleichheit der kirchlichen Bürger gewährleisten. Es ist ein Rückfall in alte Zeiten, wenn hier nur das Oberhaupt das Sagen hat. Oder soll man die Versammlung der Kardinäle als Volksvertretung betrachten? Die Globalwirtschaft dagegen ist neueren Datums: in diese gehört nicht die Kategorie frei + liberal, sondern sozial. Von manchen sozial motivierten Leuten ist zu hören: die Weltwirtschaft gäbe es noch nicht! Sie meinen aber den sozialen Aspekt: die Brüderlichkeit. Diese gibt es wirklich noch nicht! Wenn wie erwähnt in Kasachstan vor dem Morgengrauen Brötchen gebacken werden und um 5Uhr dortiger Ortszeit im Flugzeug starten, dann können sie infolge der Zeitverschiebung um 7Uhr MEZ (mitteleuropäische Zeit) in Berlin verdrückt werden. Da ist Weltwirtschaft Fakt geworden! Nur brüderlich ist sie nicht, wenn der Kasache und andere bei einem Hungerleiderlohn für uns backen müssen. Und all die anderen Wirtschaftszweige? Da wird massenhaft hin- und hergeschifft und -geflogen, nur damit höchste Gewinne mittels niedrigster Löhne eingeheimst werden können. Daß Wirtschaften weltweit unter dem Vorzeichen 'sozial' funktionieren kann, verhindern liberale Interessen, die über die sozialen gestellt werden. Was im Kulturellen funktionell richtig ist, wird auf Dauer verheerend, wenn es ins Wirtschaftsleben platziert ist.
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4) Die Einigkeit der Ideenwelt, die der ethische Individualismus eines Rudolf Steiners konstatiert, umschließt alle Menschen auf dem Erdenrund, ist aber nur individuell zu erschließen. Das ist die verbindliche Basis, die Herr Ratzinger verlangt: der richtig verstandene Individualismus! Dieser kann keine neue dogmatische Forderung eines alten Christentums sein, denn er ergibt sich aus individueller (Denk-)Beobachtung und Welterfahrung. Man ertränkt das Kind aber im Bade, wenn man in der Wirtschaft Individualisierung (Liberalismus) verwirklichen will, die sachgemäß nur in der freien Luft des individuell gefassten Kulturlebens möglich ist. Diese Individualisierung wird mit der Egoisierung verwechselt, die im Wirtschaftlichen um sich gegriffen hat. Da meint z.B. der hessische FDP-Obere Herr Pfeil: "Liberal zu sein, ist keine Massenmeinung". Da hat er ganz sicher recht: nur das Individuum kann frei sein, nicht die Masse. Diese ist ja vielleicht nicht ganz gescheit, wie er meint, aber gleich vor dem Recht möchte sie sicher sein, das ist keine Frage der Intelligenz, sondern des zwischenmenschlichen Grundgefühls und moralischen Geschmacks, und damit Sache der Politik, und nur dieses ist deren und Herrn Pfeils Aufgabe! Mittlerweile müssen die Herrschaften von der FDP die liberalen Anliegen in der Politik anderen überlassen, nicht zuletzt, weil sie wohl individuelle Belange nur egoistisch verstanden haben. Individuum ist ein griechisches Wort, aus dem Lateinischen kommt das Wort Ego. Nur eine platte Übersetzung macht aus beiden dasselbe. Und Herr Ratzinger hatte vielleicht vor lauter Rom Athen vergessen und sieht vor lauter machtbesessenen Cäsaren die lauteren griechischen Philosophen nicht, deren Tätigkeit in einem freien Geistesleben anzusiedeln ist. Rudolf Steiner:
..."Der Unterschied zwischen mir und meinem Mitmenschen liegt durchaus nicht darin, daß wir in zwei ganz verschiedenen Geisteswelten leben, sondern daß er aus der uns gemeinsamen Ideenwelt andere Intuitionen empfängt als ich.
Leben in der Liebe zum Handeln und Lebenlassen im Verständnis des fremden Wollens ist die Grundmaxime der freien Menschen
Nur weil die menschlichen Individuen eines Geistes sind, können sie sich auch nebeneinander ausleben. Der Freie lebt in dem Vertrauen darauf, daß der andere Freie mit ihm einer geistigen Welt angehört und sich in seinen Intentionen mit ihm begegnen wird...(7.18a Anmerkungen)
Das ist das Gebiet und die Aufgabe des Liberalismus!!
Und weiter Rudolf Steiner als 27-Jähriger: "...Das Barometer des Fortschrittes in der Entwicklung der Menschheit ist nämlich in der Tat die Auffassung, die man von der Freiheit hat, und die praktische Realisierung dieser Auffassung. Unserer Überzeugung nach hat die neueste Zeit in dieser Auffassung einen Fortschritt zu verzeichnen, der ebenso bedeutsam ist, wie jener war, den die Lehren Christi bewirkten: 'es sei nicht Jude, noch Grieche, noch Barbar, noch Skythe, sondern alle seien Brüder in Christo'. Wie damals die Gleichwertigkeit aller Menschen vor Gott und ihresgleichen anerkannt wurde, so bemächtigte sich in dem letzten Jahrhundert immer mehr die Überzeugung der Menschen, daß nicht in der Unterwerfung unter die Gebote einer äußeren Autorität unsere Aufgabe bestehen könne, daß alles, was wir glauben, daß die Richtschnur unseres Handelns lediglich aus dem Lichte der Vernunft in unserem eigenen Innern entstammen solle. Nur das für wahr halten, wozu uns unser eigenes Denken zwingt, nur in solchen gesellschaftlichen und staatlichen Formen sich bewegen, die wir uns selbst geben, das ist der große Grundsatz der Zeit. Wie jeder an sich richtige Grundsatz, so kann natürlich auch dieser in fehlerhafter Form aufgefaßt werden und damit unsägliches Unheil anrichten. Ja, man kann überhaupt von der Einführung der wahren Gestalt dieses Grundsatzes in das praktische Leben noch nicht viel bemerken. Es liegt nämlich der Irrtum nahe, daß mit der Aufstellung der Maxime, nur dem eigenen Innern zu folgen, jedwede Geltendmachung subjektiver Willkür, rein individuellen Strebens gerechtfertigt sei. Das aber führt notwendig dazu, daß Willkür gegen Willkür, subjektive Interessen gegen subjektive Interessen stehen und endlich ein Kampf aller gegen alle herauskommt, ein 'Kampf ums Dasein', in dem nicht allein der Stärkere gegen den Schwächeren, sondern der Unredliche gegen den Redlichen, der Unlautere gegen den Freund der Wahrheit siegt. Zu dieser Ausartung ist das Freiheitsprinzip in den letzten Dezennien wirklich gekommen, und was man landläufig heute als Liberalismus bezeichnet, das ist dieses Zerrbild des modernen Geistes (Hervorgehoben KK). Es ist traurig, aber leider nur zu wahr, daß hier eine ursprünglich richtige Anschauung zu dem scheußlichen System der Ausbeutung des Individuums durch das Individuum geführt hat. Es ist nur schade, daß dieser Börsenliberalismus so lange sein Unwesen getrieben hat, denn nur weil der die Köpfe gegen alles, was wahrhaft den Namen der Freiheit führt, blind machte, haben sich viele sonst nicht unbedeutende Männer von der freiheitlichen Bewegung abgewendet und der Reaktion in die Arme geworfen. Jetzt scheint glücklicherweise die Todesstunde jenes Pseudo-Liberalismus nicht mehr ferne. (Das ist 1888 geschrieben. heute - 2013 - erleben wir den vorläufigen Untergang des real existierenden Liberalismus - der FDP. Hier ist ja nun wirklich eine Besinnung auf die liberalen Wurzeln möglich).
Der Mensch ist eben nicht nur ein individuelles Wesen, sondern er gehört einem größeren Ganzen, einer Nation an. Und wie, was gleichwertig ist, auch in seinen Äußerungen sich als gleichartig erweist, so wird auch die Stimme der Vernunft, wenn der Mensch wirklich objektiv auf sie hört, nicht in diesem Individuum so, in jenem anders sprechen. Und wenn auch die Vernunft in vielen Menschen numerisch verschieden, so ist sie inhaltlich gleich; gibt sich das Individuum wahrhaft in den Bann derselben und nicht in den der subjektiven Willkür und des Egoismus, so kann das Wollen des einen das des andern nicht ausschließen, sondern wird sich mit ihm begegnen, es ergänzen und unterstützen. So werden die Strebungen einer Anzahl von Individuen, die staatlich zusammengehören, ein vernünftig geordnetes System bilden, innerhalb welchem sich der einzelne wirklich frei bewegen kann. In diesem System wird jeder seine Aufgabe erfüllen, ohne von dem andern eingeschränkt, bekämpft oder ausgebeutet zu werden; er wird weder durch eine Autorität, wie in der katholischen Weltanschauung, noch durch den Egoismus des andern, wie beim modernen pseudoliberalen Staat, in seiner Freiheit beengt sein. Das ist eine Staatsordnung, wie sie dem wahren Liberalismus entspricht und wie sie zugleich als wahrhaft staatssozialistisch bezeichnet werden kann.
Immer klarer zeigen die Ereignisse, daß sich diese Anschauung von unserer Lebensgestaltung in die Wirklichkeit heraufarbeitet. Sie bedeutet den wahren Fortschritt gegenüber der alten kirchlichen Ordnung. Sie ist es, die eine neue Zeitepoche begründen wird; gegen sie werden päpstliche Rundschreiben nichts vermögen. Sie ist eine historische Notwendigkeit, wie es einst das Christentum war. Der Pseudo-Liberalismus ist keine, und deshalb die scheinbare Wahrheit, die die Sätze der Enzyklika haben. Sie kämpft gegen ein totgeborenes Kind..." (7.18b, siehe auch Randbemerkung Anmerkungen)
5) Das Resultat eines polarisch sich steigernden Geschehens hat Goethe die Metamorphose genannt: Auf einmal findet es sich entwicklungsgeschichtlich auf einer höheren Ebene wieder. Dabei hat sich, was früher der Inhalt eines Geschehens war, verwandelt in die Möglichkeit, neue Gestaltungen hervorzubringen, so wie das Vergessen einzelner Lernschritte und ihrer Inhalte im menschlichen Leben die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Fähigkeiten ist. Dem Schlaf und dem Vergessen kommt im einzelmenschlichen Leben die wichtige Funktion des Reifens zu. Und so hält auch die Weltgeschichte gleichsam den Atem an, wenn Neues kommen soll. Man könnte meinen, daß gar nichts passiert, während doch die veranlagten Impulse ihrer Reifung entgegenleben (7.19). Bei Novalis findet sich in seinen Hymnen an die Nacht die vielleicht schönste Beschreibung dieser Bewußtseinszone, zu der ihm außergewöhnliche Erlebnisse den Zugang ermöglichten (7.20 Anmerkungen).
Die Kollektive schicken sich aber nicht in die neugewachsene historische Situation, und die Staaten drohen in der Folge unregierbar zu werden (7.21 Anmerkungen). Die überkommenen Verbände agieren unbeirrbar im alten Stil weiter. Es sei an das stolze Selbstbewußtsein der Kaisertreuen noch um 1918 und das der Reichsfanatiker 1933 hingewiesen. Der gemischte König, der in Goethes 'Märchen' bildlich für den Einheitsstaat steht, fällt allmählich auseinander, wodurch aber Freiräume für gegliedertere Verhältnisse entstehen. Heute stehen wir schon ein Jahrhundert nach dem Ende des finsteren Zeitalters, und spirituelle Dimensionen können wieder erlebbar werden, weil die Schwelle zur geistigen Welt, die ja auch dreigliedriger Natur ist, jetzt von der ganzen Menschheit überschritten wird. Die New-Age-Bewegung knüpft daran an, betreibt aber oft eher mystisches Anti-Aging. Dies ist aber eher zu den Schattenwürfen zu zählen, die desto schärfer und dunkler ausfallen, je stärker das Licht des Lichten Zeitalters vorher eingefallen ist (7.22 Anmerkungen). Auch 1933 und das Auftreten Hitlers ist unter diesem Aspekt zu verstehen. Für Tieferblickende war Adolf Hitler eine Inkorporation des Antichrist. Sein Wirksamwerden verdunkelt das zeitgleiche Erscheinen des ätherischen Christus, das nach Rudolf Steiner in die Zeit des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts fiel (7.23 Anmerkungen). Der Maya-Kalender z.B. endet in unserer Zeit. Die Azteken, Inkas und Mayas hatten auch die Anschauung von verschiedenen Zeitaltern, aber gab es kein Lichtes Zeitalter bei ihnen, wo die Vaterkräfte durch Vermittlung eines Sohnesprinzipes in ein künftiges Zeitalter des Heiligen Geistes ausmünden? Das Leben wird auch nach 2012 weitergehen, aber die Grundstrukturen historischen Werdens ändern sich (7.24 Anmerkungen).
Steiner begründete die neue Spiritualität unter Anwendung der naturwissenschaftlichen Methode, die aus dem egozentrischen Kreiseltanz herausführt (7.25 Anmerkungen). Es handelt sich bei ihm um exakte Forschung und nicht um Wähnen und Hoffen bei gleichzeitigem Kassengeklingel. Geistige Schulung beinhaltet bei ihm gleichgewichtig den Sozialbezug und betreibt nicht einseitige Nabelschau. Deswegen kann ein strebender Mensch aber auch nicht absolut innerliches Gleichgewicht und Ruhe herstellen, denn die Rahmenbedingungen für eines jeden geistige Entwicklung sind heute nicht harmonisierend. Der klare Blick auf die Verhältnisse ist angesagt. Der Zeitgeist fördert geistige Entwicklung nur im einseitig intellektuellen Sinne. Die Intelligenzbestie kann man sich schwerlich mitfühlend denken. Die pure Kopfigkeit lebt auf Kosten des Gemüts und der (gesunden) Emotion. Und wer sich befriedigt im harmonischen Gleichgewicht der Seelenkräfte wähnt, ist vielleicht nur in einer Grau- oder Schwarzzone angekommen. Oder, was für Soziales nicht minder zerstörend ist, in Wolkenkuckucksheim (7.26 Anmerkungen).
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Durchblick nannte man früher Hellsehen, was heute wegen vielfachen Missbrauchs suspekt ist. Französisch heißt dies Clairvoyance, da klingt es gesellschaftsfähiger. Nicht nur in der Naturwissenschaft geht es um exakte Wissenschaft, auch in der Anthroposophie. Diese ist aber voraussetzungslos, denn jeder kennt intim und individuell ihren Gegenstand: das menschliche Leben. Jeder Mensch kann heute geistige Erkenntnisse und Kompetenz erlangen (7.27 Anmerkungen).
Damit ist die Zweiteilung der Menschheit prinzipiell überwunden
(LIS65, IIIS42,S84; 7.28 Anmerkungen)
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Louis Defèche schreibt in "Das Goetheanum" Nr. 50 von "Proletarischen Orten" und daß es an der Zeit sei: nicht mehr nur Philosophenangelegenheit ist es, sich mit geistigen Fragen auseinanderzusetzen.
Und genauso fordert Rudolf Steiner dies schon, wenn er sagt: „Gedanken und seelisches Ringen soll eine allgemeine Angelegenheit werden, nicht mehr diejenige von Fachgelehrten“
Den öffentlichen Vortrag hat Rudolf Steiner am 12.3.1920 in Stuttgart im Gustav-Siegle-Haus gehalten, wo er auch seine Vorschläge zur sozialen Neugestaltung oft vor einem großen Publikum vorgetragen hat. Im Rudolf-Steiner-Verlag ist er erstmalig 2005 herausgegeben worden (GA 335) mit dem Titel: „Die Geschichte der Menschheit im Lichte der Geisteswissenschaft - Anthroposophie“
Und das universitäre Treiben hat Steiner mit dem Resumee eines Universitätsbibliothekars bebildert: "Die Herren Doktoranden kommen und schreiben ab. Das so Abgeschriebene stelle ich dann als neue Doktorarbeit wieder in die Regale - macht das Sinn?". Heute werden bekanntlich auch noch die Quellen vergessen oder verschwiegen und so ist innovative Kulturarbeit mit der Lupe zu suchen! (7.29 Anm.) Und tritt ein originär Forschender auf, dann befindet er sich paradoxerweise gerade wegen seiner Originalität nicht im Mainstream und wird totgeschwiegen - es ist nach Steiner die moderne Form der Verketzerung.
"Dabei steht nicht auf der Höhe der wissenschaftsphilosophischen Reflexion, wer eine bestimmte Form der Erkenntnispraxis als Pseudowissenschaft oder Nichtwissenschaft oder Vorwissenschaft tituliert. Er bedient sich eines Kampfbegriffs, der eine nichtexistente Norm der Wissenschaftlichkeit voraussetzt". (7.30 Anmerkungen)
Der Zustand unseres Wissenschaftsbetriebs schreit zum Himmel. Die Wertfreiheit der Forschung degeneriert zur Wertlosigkeit, wenn nicht ihre Ergebnisse an den menschlichen Bedürfnissen gemessen werden. Da mag ja z.B. manches aus der Raumforschung auch im täglichen Leben nützlich und anwendbar sein. Aber die angewandten Wissenschaften sind heute gefordert, vor der Anwendung ihrer Möglichkeiten nach deren Humanität zu fragen. Dann muß auch manche Anwendung unterlassen bleiben, die sich in der Praxis als inhuman erweist:
a) Genmanipulation mag wirtschaftlich geniale Möglichkeiten erschließen, ob sie auch human und ökologisch sind, steht auf dem berühmten anderen Blatt. Da hat ein Staat sich mit Erfolg gegen den Genmais verwahrt: Honig darf in Zukunft keine genetisch veränderten Spuren haben, das ist jetzt EU-Recht, macht dem übernationalen Monsanto & Co einen Strich durch die Rechnung und ist einem recht kleinen Staat zu verdanken: dem der Bienen! Anläßlich der Verhandlungen zum transatlantischen Handelsabkommen TTIP ist zu befürchten, daß die Konzerne letztlich doch am längeren Hebel sitzen.
b) Trojaner und greifen die Rechtssphäre an und erweisen die Vision '1984' von George Orwell und die von Aldous Huxleys 'Brave New World' als realistisch. Denn wenn die technischen Möglichkeiten zum Schnüffeln gegeben sind, werden sie auch angewandt. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß die USA und Großbritannien im großen Stil die Internetdaten der ganzen Welt abgreifen, Prism und Tempora heißen diese Operationen, die sich über Rechte einfach hinwegsetzen: „Da stellt sich übrigens nicht nur die datenschutzrechtliche Frage; da stellt sich auch eine andere Frage, nämlich, ob die Bürger nicht das Vertrauen verlieren in den Staat und damit in unsere Demokratie, wenn sie nicht ganz sicher sein können, dass die Geheimdienste nur das machen, was sie auch tatsächlich dürfen“ (Wolfgang Bosbach: Deutsche Welle). Diejenigen, die Edward Snowden an den Pranger stellen, offenbaren nur ihre eigene unamerikanische Gesinnung: "Jene, die die Freiheit für die Sicherheit aufgeben, werden weder das eine noch das andere bekommen, noch haben sie es verdient". Dieser Satz stammt von niemand Geringerem als dem Mitverfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung Benjamin Franklin (7.31a Anmerkungen).Und es wirft auch ein Licht auf den deutschen Innenminister Hans-Peter Friedrich, daß er genau dieses Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit benützt, um die Arbeit der Geheimdienste zu legitimieren. Da kann man wirklich nur im aller äußersten Grundsatz zustimmen, aber nicht angesichts der offenbar gewordenen Tatsachen.
c) Daß die Atomtechnik unsere ganze Erde bedroht, hat die Friedensbewegung deutlich gemacht. Was der Atommüll alles noch anstellt, auch im sozialen Leben, wird sich zeigen. Wäre er nicht so schwer, dann würde er sicher einfach ins All geschossen.
d) Die Drohne bedroht mit ihrer realen Unmenschlichkeit, denn sie ist ja nicht bemannt, die Menschenrechte. Sollen diese im Kriegsfall wirklich total außer Kraft gesetzt sein? Deutschland darf dabei die Rolle des Finanziers der immensen Kosten für die Entwicklung dieses neuartigen Waffensystems spielen. Da das technische Know-How nicht aus der Hand gegeben werden darf, können die US-Firmen andere Staaten schon grundsätzlich nicht mit der Drohne beliefern. Auch entsteht der Eindruck, daß Obama jetzt lässig die Reduzierung der Atomwaffen anbieten kann. Diese sind angesichts der neuen Waffensysteme Schnee von gestern, wenn sie nicht schon angerostet sind. Die Drohne bietet da mehr: Gezieltes Vorgehen quasi vom heimischen Sessel aus, auch wenn der in Stuttgart-Möhringen steht. Und die Entwicklung der Leitsysteme geht unweit vor sich - am Fuße der Schwäbischen Alb, wo die ferngesteuerten Segelflugfans agieren.
e) Auch die pränatale Diagnose -PND- hat die Frage nicht gelöst, ab wann dem Menschen auch als Embryo die Menschenrechte zuerkannt werden müssen.
Im kritischen Gespräch mit den Politikern, die sich so gerne doktoral behüten, werden Gegenargumente, bei denen sie riechen, daß sie aus einem anderen Lager kommen, gerne als ideologisch zurückgewiesen, was nur die gedankenlose Arroganz der Macht belegt. Wissen mag ja Macht begründen, diese aber sicher nicht die Wissenschaftlichkeit, und schon gar keine Ethik. Und es darf darauf hingewiesen werden, daß im Dritten Reich fieberhaft auf die Realisierung technischer Neuentwicklungen hingearbeitet wurde, die aber gottseidank nicht mehr realisiert werden konnten. Mittlerweile gibt es sie, ein nächster Diktator hat das ganze Arsenal an Überwachungs-, Unterdrückungs-, Manipulierungs- und Zerstörungsgeräten zur Verfügung. Man sollte bedenken, daß es seit 1984 nicht nur offene diktatorische Strukturen geben kann, sondern auch verhüllte.
Die vorhergehenden Beispiele mögen für viele stehen. Sie müßten um viele erweitert werden! Wissenschaftler, die auf der Höhe ihrer Zeit stehen, mahnen überall einen neuen Umgang mit der Wissenschaft an, wie dies z.B. in persönlich vorbildlicher Weise Professor Max Thürkauf, der an der Entwicklung von schwerem Wasserstoff beteiligt war, vorgelebt hat: ..."Die Unbedenklichkeitsexpertisen der technokratischen Machthaber bedienen sich für ihre Lügen vorzugsweise der Mathematik, weil der Mann auf der Straße vor dieser Sprache Respekt hat"... (7.3 Anmerkungen). Es ist an der Zeit, daß der Mann auf der Straße nicht mehr an der Anthroposophie vorbeigeht, die ihm mittlerweile in ihren Tochterbewegungen auf Tritt und Schritt begegnet: Anthromed, Anthrocare, Weleda, Wala, Demeter, Waldorfpädagogik usw.usw.
3d) Soziale Spiegelungen in der geschichtlichen Moderne
In der Neuzeit gibt es Bereiche, die von den alten vorindividuell-kollektiven Zeiten zeugen und wo noch heute deren Strukturen herrschen. Da ist die Dritte Welt, die dabei ist, die Erste Welt wirtschaftlich zu überrunden und weswegen diese jetzt zusammenrückt. Und da sind die Religionen, die alte theokratische Strukturen aufrechterhalten, auch indem sie wie im Christentum zwischen Klerus und Laientum unterscheiden (LIII,S84). Vom Einzelnen fordern sie strenge Zucht ohne zu merken, daß die neuzeitliche Emanzipation auch einen anderen Umgang mit Gebot und Verfehlung fordert – ein Handeln aus Liebe zur Sache negiert nicht die Gesetze, sondern geht über ihre Erfüllung noch hinaus (8.1 Anmerkungen). Das Gewissen schlägt nicht nur bei Übertretungen, sondern auch, wenn wir merken, daß das Menschenmögliche nicht getan ist. Die Strukturen des vormundschaftlichen Staates (8.2 Anmerkungen), den der Anthroposoph Rolf Henrich als DDR-Bürgerin einmalig mutiger Weise noch vor der Wende beschrieben hat, können auch auf der mesosozialen Ebene zu einer vormundschaftlichen Institution mit allem zugehörigen Mobbing und Spitzeltum mutieren. Vielerorts werden Menschen in sozial-anachronistischen Zuständen gehalten, und Fehlentwicklungen dann als individuelles Versagen gebrandmarkt und abgeurteilt. Man denke an das Zölibat und die damit verbundenen Anfechtungen der ehelosen Priester und Lehrer. Die aktuellen Ermittlungen dazu wurden von der Kirche selbst gestoppt und trotzdem spielt sich auch heute noch die Kirche als Sektenankläger auf. Welche Rolle spielt das Individuum des weiteren in Kadern, Seil- und Burschenschaften, Klüngeln und exclusiven Zirkeln, in die man auf unerfindlichen Ratschluß hineingeholt wird, oder wo man nur auf besondere Einladung und durch Vitamin B (8.3 Anmerkungen) teilnehmen kann? Aber man sollte nicht nur alte Strukturen anklagen: auch in der modernen Zivilgesellschaft, gerade dort, wo sie sich besonders avantgardistisch gebärdet, geschieht ähnliches. Es wird der Balken im eigenen Auge bekanntlich übersehen. Das Kennzeichen einer sektiererischen Gruppierung ist, daß Lebenspläne und -sehnsüchte umgebogen werden, und dies mit höheren Entwicklungen begründet wird. Da sollen junge Frauen keine Kinder bekommen, bevor sie sich selber entwickelt haben, da sollen für die Gemeinschaft Opfer gebracht werden, da werden individuelle Entwicklungsziele vorgegeben. Für höhere Entwicklung sind idealistische Menschen immer zu haben - es kommt nur auf die Vorzeichen an! Und wo dann im Konfliktfall ein Sündenbock gebraucht oder Gehirnwäsche betrieben wird, ist eigentlich nur das Menschenbild bockig und schmutzig. Solche Gruppierungen mit ihrer Esoterikspielerei sind höchstens die Avantgarde der Rückwärtsgewandtheit. Das Böse definiert sich aus dem Walten eines unzeitgemäßen Guten, im Zeitalter des Individualismus sind ein solches oktroyierte Gruppenzwänge und pharaonische Herrschaftsansprüche, die das Individuum zurückstehen machen wollen.
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Hier sei eine Passage aus 'Anthroposophie heute' (H.Becker AnmI+II, 8.4a) eingefügt:
Freiheit und Sittlichkeit
"...Aber so, wie sich der zur Freiheit hinentwickelnde Mensch von seiner Fixierung auf die organische Natur seines Wesens lösen muß, so muß er auch den gesellschaftlichen Autoritäten, seien sie nun konkrete Gestalten und Institutionen der äußeren Welt oder Ängste und Zwänge in seinem Inneren, den rechten Stellenwert zuweisen. Der autonome Mensch ist frei von inneren Blockaden und insofern immer frei zu sich selbst - auch wenn er äußerlich in Fesseln liegen sollte. Die innere Freiheit zu ist Voraussetzung einer jeden äußeren Freiheit. Denn der Weg zu jener Freiheit, die Steiner einzig als solche akzeptiert, beginnt immer mit der Befreiung von Abhängigkeiten jeglicher Art. Diese vollzieht sich als geistig-seelische Tat und ist ein Denk- und Bewußtwerdungsprozeß, beginnend bei der Wahrnehmung der Abhängigkeiten, gefolgt vom bewußten Abschütteln der Fesseln, endend im autonomen Selbstbewußtsein, der Freiheit zu der Selbstverantwortung in der Entscheidung.
In dieser Wesensbestimmung der Freiheit zeigt sich wiederum Steiners große Nähe zu Friedrich Nietzsche, dem Freiheit ja auch wesentlich eine Freiheit des selbstbewußten, wissenden Willens war. Rudolf Steiner nimmt damit aber auch zentrale Gedanken des Sozialphilosophen Erich Fromm vorweg. Von diesem scheidet ihn vor allem die Erfahrung des Totalitarismus, die Steiner erspart geblieben ist, und die Fromms Denken richtungweisend bestimmte. Denn Totalitarismus bedeutet ja, individualpsychologisch gewendet, nichts anderes als den Rückfall oder das Steckenbleiben in sozialen oder psychogenen Abhängigkeiten. in 'sekundären Bindungen', wie Fromm sagt. Konnte Steiner noch feststellen, daß "der Philister, der in einem äußerlich Festgestellten die verkörperte Sittlichkeit sieht, ...in dem freien Geist vielleicht sogar einen gefährlichen Menschen sehen wird", so gilt post Hitler die gerade Umkehrung dieser Verhältnisse. Nicht der freie Mensch ist gefährlich, sondern der Philister, der Wachs wird in den Händen des Führers und Verführers und sich zum gehorsamen Funktionsteil in der gigantomanischen Totalitarismusmaschine degradieren läßt, deren inneres Schmiermittel eben die vom Führer in die Herzen gepflanzte 'Sittlichkeit' ist. Erich Fromm hat diese psychologischen Mechanismen sehr eindrucksvoll dargestellt unter dem bezeichnenden Titel' Die Furcht vor der Freiheit'.
Natürlich ist jedem Menschen die Tendenz immanent, in Abhängigkeiten zu flüchten und ein sicheres Refugium der Verantwortungslosigkeit und geistigen Tätigkeit zu bewahren. Menschen anderer Zeiten war diese bewußtlose Anlehnung noch vergönnt, uns Heutigen hat das Schicksal in die Wiege gelegt, Individuum und damit verantwortlich sein zu müssen. Unsere Vorfahren konnten, wir müssen frei sein. Im Sinne Steiners: "Frei ist nur der Mensch, insofern er in jedem Augenblicke seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist". Für der Verhältnis der Sittlichkeit zur Freiheit bedeutet dies: "Eine sittliche Tat ist nur meine Tat, wenn sie in dieser Auffassung eine freie genannt werden kann" (8.4a Anmerkungen)
Man stelle sich einmal das Ausmaß der Befreiung und Verhinderung aus Abhängigkeitsverhältnissen vor, wenn Menschen auf gleicher Augenhöhe ihren Arbeitsvertrag verhandeln und junge Menschen ohne Existenzdruck auf ihr Leben zugehen können und ohne sich vor Autoritäten verbiegen zu müssen. "...Gleichheit von Vertragsverhältnissen bedeutet vor allem die gleiche Freiheit aller Beteiligten..." (8.4b Anmerkungen)
Das Grundeinkommen (8.4c Anmerkungen )
garantiert diese gleiche Freiheit, es wird nicht nur für die Mini-Entlöhner, sondern auch für Gurus aller couleur eine Katastrophe. Diese können freiheitsstrebende junge Menschen auf Dauer nicht brauchen, auch wenn sie ihnen noch so sehr eine freiheitliche Atmosphäre vorgaukeln. Und sind die Gurus auch noch der Meinung, daß ihr Weg mit Menschen gepflastert sei, dann tut man besser daran, ihren sektiererischen Weg weiter nicht zu kreuzen, wenn man auf Dauer eher ein lebendiges Glied der Gesellschaft sein will. Wenn dann noch postuliert wird, daß jemand, der sich gegenwärtig in 'Mysterienzusammenhängen' befunden habe, des weiteren alleine im äußeren Leben nicht mehr existenzfähig sei, kennzeichnet sich das selbst als absolut sektiererisch und im Widerspruch mit rosenkreuzerischen Grundsätzen (zum Sündenbock: 3ab Das individuelle Prinzip).
Welche savoranolische Befriedigung über die Unzulänglichkeit der menschlichen Natur jemand über heimatlose Seelen empfinden mag, die wie die Proletarier der letzten Jahrhunderte aus allen tragenden Strukturen herausgefallen sind und dabei doch die eigentlichen Avantgarden sind?: "...Zwischen Hebeln, Rädern und Motoren lebt nur ein toter Geist; aber in diesem Totenreiche erwacht die freie Menschenseele..." (8.5 Anmerkungen) Mit diesem Erwachen geht die Suche nach neuer Gemeinschaftsbildung natürlich erst los und ihr Erfolg ist mit diesem 'Erwachen' auch noch lange nicht gewährleistet. "...Wir stehen vor einer Neugestaltung unserer ganzen Weltanschauung. Alle Schmerzen, die ein mit den höchsten Fragen ringendes Geschlecht durchzumachen hat, lasten auf uns. Wir empfinden die Qualen des Fragens; das Glück der Lösung des großen Rätsels soll uns ein Messias bringen, den wir täglich erwarten. Unsere Leidenszeit wird vielleicht lang sein, denn wir sind anspruchsvoll geworden; und wir werden uns nicht so bald abspeisen lassen. So viel aber ist gewiß: was er uns auch verkünden wird, der Reformator: mit der neuen Erkenntnis wird auch die neue Moral kommen. Dann werden wir auch wissen, wie wir uns das neue Leben einzurichten haben. Den Gebildeten jetzt alte Kulturüberbleibsel als ewiges sittliches Gut der Menschheit hinzustellen, heißt sie abstumpfen für die Empfindung der Gärungserscheinungen der Zeit, und sie ungeeignet machen für die Mitarbeit an den Aufgaben der nächsten Zukunft..." (8.6 Anm.)
Solche alten Kulturüberbleibsel hatte nicht nur die Kirche vor über 100 Jahren zu bieten, auf die diese Zeilen gemünzt waren, in dieser Situation befanden sich viele 68-er. Wenn dann aber der erkorene Messias oder Reformator für Dickmilch erklärt, was eigentlich die Sahne der Entwicklung darstellt, und diese suchenden und ringenden Menschen ausbeutet, dann gelingt ihm das nur, weil diese suchenden Menschen über ihre Situation noch nicht aufgeklärt sind, zumal wenn sie jung und sozial unabgesichert plötzlich im Erwerbsleben stehen. Wie sollten sie über diesen ihren eigentlich fortgeschrittenen Status auch Bescheid wissen? Nicht jeder hat das Glück, seine Situation von vornherein zu verstehen. Die Einweihung kann auch 'auf dem Bahnhof' stattfinden - so der Anthroposoph Joseph Beuys - im profanen Leben, man muß heute nicht mehr hinter Tempelmauern verschwinden, auch wenn die noch so hip drapiert sind. Der Gralstempel ist schwerlich zu verorten, daran sind schon viele Gralsforscher gescheitert, die ihn räumlich-geographisch festlegen wollten. Andere, die sich als Belletristiker betätigen und die Fakten doch nur von anderen abschreiben, umgeben die eigentlichen Mysterien der Zeit mit einem mystischen Nimbus, der alles obskur und suspekt erscheinen läßt (8.7 Anmerkungen). Jetzt wird z.B. die Terra Parzival für Slowenien in Anspruch genommen (8.8). Rudolf Steiner hat darauf hingewiesen, daß der Gral in jedem Jahrhundert anders zu verorten ist. Wer ihn generell für einen speziellen physischen Ort in Anspruch nimmt, der übersieht, daß es sich um einen rein geistigen Tempel handelt. Die guten Geister sollten in ihrem Wirken schon freigelassen bleiben, sonst verlassen sie jedweden Tempel. Der anthroposophisch-freiheitliche Stil wird dann jedenfalls verfehlt.
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