Zeitgeschichte, die Achtundsechziger und Soziale Dreigliederung
- ein Überblick -
Einen ganz unvermuteten Vergleich stellt Thomas Wagner zwischen 1968 und der Neuen Rechten an. Es gäbe verblüffende Parallelen (Tagesspiegel 25.10.2017-Eberhard Sens: Th.Wagner: Die Angstmacher). Man kann natürlich Kartoffeln und Tomaten unter dem Oberbegriff "Gemüse" subsumieren - wenn eine verdauliche Speise daraus werden soll, müssen beide doch unterschiedlich behandelt werden. Wagner sammelt Belege für den Einfluß der damaligen Neuen Linken auf die heutige Neue Rechte:
Internationalität, Sexualität, Musik, der "Dritte Weg" (von Linken wie Rechten propagiert), Übernahme politischer Macht nach der Übernahme der kulturellen Macht; Verweigerung und Widerstand, Empörung und Provokation. "Für die Identitären... geht auf das Konto der linken Protestgeneration der Verlust des christlichen Glaubens, die Aushöhlung des Staates, die Zerrüttung der Familien, die Zerstörung der Liebe, die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, Staatsverschuldung, eine Konzern-beherrschte EU und die muslimische Einwanderung. Ja, und noch etwas: das Übergewicht bei Jugendlichen. - Soviel zur Analysekraft...".
Es muß nicht verwundern, daß ähnliche Themen beide Lager beschäftigen, handelt es sich doch bei beiden um die menschliche Gesellschaft, die den Analysten die gleichen Vorgaben macht - ihre Struktur und ihre Entwicklung. "Deine Gesellschaft, das unbekannte Wesen", möchte man manchem Soziologen zurufen. Was sich im Rückblick auf die 68er ergibt, soll im Folgenden deutlich werden; und was ein paradigmatischer Ansatz der Gesellschaftsgestaltung in sich beinhaltet, ebenfalls. Dazu ist Tiefe, nicht Breite der Betrachtung erforderlich, auch wenn das Folgende sich in die Länge zu ziehen scheint. (Besonders sei dafür auf das folgende Kapitel hingewiesen: 3-Gliederung + Sozialer Organismus.)
Anthroposophie, ein Fremdwort wie viele andere, ist seinem Sinngehalt nach umstritten. Dabei denkt man doch in unserer breiten Ego-Zeit, daß jeder sich selbst der nächste sei. Denn im Griechischen ist 'Anthropos' der Mensch. Und 'Sophia' ist die Weisheit. Anthroposophie ist also die Weisheit vom Menschen, die sich von der Anthropologie insofern abgrenzt, als diese nicht auf die Idee käme, andere als ihre Weisheit allzu ernst zu nehmen. Die Weisheit der Welt ist nach Paulus Torheit vor Gott. In der Anthroposophie wird dieser Gott nicht nur gläubig geltengelasssen, sondern Gegenstand würdigender, aber auch konkretisierender Anschauung. Wurde jetzt, 100 Jahre nach der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft Deutschland und 150 Jahre nach dem Geburtstag Rudolf Steiners die aktuelle Wirksamkeit seiner Anregungen öffentlich bemerkbarer, dann gab es gleich auch Stellungnahmen, die sich durch einen gehässigen Stil kennzeichnen. Dabei müßte man nur einmal fünf Minuten investieren, um eine kompetente, konstruktive Behandlung der Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie zur Kenntnis zu nehmen (0.0 Anmerkungen I+II ). Rudolf Steiners Lebenswerk ist nicht als ein lückenlos geschlossenes Gedankensystem zu betrachten (0.0b Anmerkungen I+II ). Solche Systeme schrauben sich hoch in die Welt der Theorien und haben dann oft den Bezug zur Praxis und zum Leben verloren. Diese Systeme dürfen mit Recht angezweifelt werden. Rudolf Steiner ging es dagegen um das Leben in und aus dem Geiste, nicht um abstrakte Wissenschaft. Nach seiner Aussage ist
Anthroposophie ein schlechteres Wissenschaftsgebäude als andere, wenn sie denn erst dazu gemacht wird. Zum Verständnis von Wissenschaft soll hier dennoch manches beigetragen werden. Weiß einer etwas, dann ist er auf seinem Gebiet schon ein Wissenschaftler. Weiß er viel, aber auch wissend, daß er noch viel mehr zu erfahren hat, dann ist er auf dem Wege zum Weisen. In der Geschichte tritt ein Sokrates mit dieser bescheidenen Haltung auf: "Ich weiß, daß ich nicht weiß". Moderne Dummheit hat aus dem 'Nicht' ein 'Nichts' gemacht und nur sich selber damit gekennzeichnet. Plato, der Schüler Sokrates' bezeichnete die Wege der Seele als unendliche, da kann man nicht alles wissen. Pures Wissen macht noch nicht den Weisen, der Kopf muß den Weg zum Herzen finden. "Selberdenken" ist das Motiv der Aufklärung. Da entstehen keine Blackouts, die beim Nachplappern unvermeidlich sind, es entsteht aber auch kein lückenloses Weltbild. Der Mut zur Lücke kennzeichnet die faustische Seele. Welch Trauerspiel, wenn diese auf ein Spezialgebiet eingeengt wird und universale Ideen dann gar nicht erst ins Spiel kommen. Es ist in der Neuzeit ein Vakuum entstanden, das ausgefüllt wird von sachfremden Interessen der außerwissenschaftlichen wirtschaftlichen oder politischen Inanspruchnahme. Mit fulminanten Gehältern und Tantiemen leben die promovierten Herrschaften ganz gut, wahre Freiheit des Geisteslebens ist und bleibt aber Ziel und Vorbedingung jeglichen Forschens. Und die Zierde des Doktortitels bröckelt seit geraumer Zeit an allen Ecken und Enden.
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Mit Anthroposophie, die von jeher Freiheit in Anspruch nimmt, können auch die Strukturen geistesgeschichtlicher Entwicklung einsichtig, das Wesentliche im Zeitgeschehen erhellt werden (0.0c Anmerkungen I+II). Man beginnt das Weltgeschehen zu begreifen, gewinnt Urteilsgrundlagen für das Handeln und lernt sich mit seiner eigenen Haltung als ein Glied des ganzen Lebens zu empfinden, dessen Mitgestaltung gefördert und gefordert wird (0.1 Anmerkungen I+II). Das Denken wird herzlich, wenn man darauf achtet, daß es Hand und Fuß hat, es dürfen dann im Verhältnis Mensch-Welt nur keine Einbahn- und Vorfahrtstraßen gebaut werden. Mit einer ganzheitlichen Weltsicht bekommt man sich als ganzen Menschen in den Blick. Ein solcher lebt ein harmonisches Verhältnis von Denken, Fühlen und Handeln dar oder strebt es aus gesunder Selbsterkenntnis an, sonst entsteht eine zersplitterte statt der geschlossenen Persönlichkeit (0.2Anmerkungen). Manchen Kommentatoren möchte man auch etwas Selbsterkenntnis wünschen, denn wer sich nur auf Anti fokussiert, merkt nicht, daß er bei dieser Art von Konzentrationsübung immer engstirniger, halsstarriger und herzloser wird. Diese Haltungen sind das Gegenbild zu einer konstruktiven dreifach gegliederten Seelenentwicklung, die sich bei etwas gutem Willen erüben läßt (0.2+0.3d Anmerkungen).
Sich selber im Blick zu haben bzw. sich seinen Ideen erlebend gegenüberzustellen, ist nicht nur
die Aufgabe für Anthroposophen, sondern für jeden, der freiheitlich und emanzipatorisch gestimmt ist, wenn er nicht von seinen Ideen geknechtet sein will (0.3a Anmerkungen I+II ). Denn es zieht sich selbst den Boden unter den Füßen weg, wer nicht auch an den Ort geht, wo ein Beurteiltes sich abspielt, ob das nun ein physischer oder ein geistiger Ort ist. Aufrecht steht jedenfalls nicht in der geistigen Landschaft, wer sich festkrallt an dem, was er auf sein Niveau herunterziehen möchte. Bei genauem Hinsehen entpuppen sich viele Urteile über Anthroposophie und die Anthroposophen als mit diesem Makel behaftet: Vor der eigenen Wahrnehmung als Meinung irgendwoher übernommen - dieser Makel kennzeichnet die grassierende Kategorie der Vorurteile! Eigentlich stellt sich die Frage nach adäquaten Begriffen. In unserer Postmoderne tritt Neues, noch nie Dagewesenes auf - es ist nur die Frage, ob das über-haupt bemerkt und aus dem gewachsenen Horizont auch begriffen werden kann. Sonst verwandeln sich die Geschehnisse gleichsam in einen Tsunami, dem nur entronnen werden kann, wenn statt der Befangenheit in alten Begriffen höhere Standpunkte errungen werden können. Unbefangenheit braucht es, um nicht irgendwelche Gespenster an die eigenen Vorstellungswände zu malen und damit nur seinen Doppelgänger in die Welt zu setzen, der doch nach echter Wirklichkeit lechzt! Ohne Unbefangenheit sieht man in der Welt nur das, was man schon zu kennen glaubt.
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Roland Benedikter, ein namhafter Wissenschaftler und Anthroposoph in den USA spricht vom Post- bzw. schon vom Metamaterialismus, der bei wachsendem Wohlstand das Erreichte nützen will, um seelische und spirituelle Werte leben zu können (0.3b Anmerkungen I+II ).
Schon 1987 hat Norbert Blüm , der der Anthroposophie ja nun nicht gerade nahesteht, den Slogan geprägt: Weniger Arbeit - aber für Alle. Dabei hätte auch mehr echte freie Zeit herauskommen können, die für kulturelle Betätigung genützt werden kann. Die oppositionelle Haltung, von der aber sowohl die Nachkriegsgenerationen wie auch viele Achtundsechziger besetzt waren, schuf aber keine konstruktive Einstellung gegenüber dem zivilisatorisch Erreichten. Diese Erreichnisse zu akzeptieren, adelt Opfer und geniale Leistungen unserer Väter und Vorväter. Anthroposophisch gesprochen: Die Verstandes- bzw. Gemütsseele ist in der geschichtlichen Entwicklung die unerläßliche Voraussetzung für die Bewußtseinsseele. Diese hält sich ergebnisorientiert an die Gesetze der materiellen Welt und ignoriert dabei Über- und Unternatur. Heute interessiert der meßbare Output, nicht der Input mit vielleicht hehren Zielen. Es ist aber kein Zeichen avantgardistischer Kompetenz, bisher Erreichtes zu negieren, weil man darüber hinauskommen will. Der selbstbewußte Mensch wird ohne gemüthafte Grundierung hohl und doch hat alles Vergangene einen grundlegenden Wert für Kommendes und Neues.
Auch Rudolf Steiner knüpfte mit der Anthroposophie an die Errungenschaften der Historie an und führte sie in die Jetztzeit. Dazu mußte er aber nicht von andern abschreiben, wie ihm das vorgeworfen wird. Man kann einen Weg selber finden und hinterher mit einer vorhandenen Kartographie erst richtig umgehen. Im Zeitalter von GPS macht sich der Pfadfinder abhängig von oben, aber nicht vom lieben Gott, sondern vom Satelliten. Für die Wanderung in neue Gefilde kann seit der Aufklärung das eigene Denken Richtschnur sein, was blinde Historiker allerdings nicht verstehen, die akribisch nur nach hinten schauen. Sie selber unterstellen Blindheit auch dort, wo mit offenen Augen auf das Leben zugegangen wird. Wer einem Wegweiser folgt, muß das nicht im blinden Vertrauen tun, er kann auf einen Kundigen rechnen, wenn der Wegweiser kompetent gestaltet ist. Und darf auch die eigene kritische Urteilsfähigkeit mitgenommen werden, dann kann man Vertrauen haben, daß der damit eingeschlagene Weg in die Welt führt und gleichzeitig in das Ureigenste (0.3c. Anmerkungen I+II) Joseph Beuys, der das erkannte, wurde in einer kurzschlüssigen Biographie als verkappter Anthroposoph tituliert, wie wenn es anrüchig sei, ein solcher zu sein. Es gibt in Künstlerkreisen aber auch Menschen wie Klaus Staeck, die verengte Sichtweisen erkennen und damit den Stil solcher Anwürfe bloßstellen (0.3d Anmerkungen I+II ).
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Man muß nicht mit Faust und Nietzsche und (LII,17f Hans E.Lauer: Geschichte ) fürchten, daß man mit der Betrachtung der geschichtlichen Vergangenheit allen Elan im gegenwärtigen Leben verliert, überfrachtet mit der 'Großväter Hausrat'. Denn das Verständnis der Vergangenheit, nicht ihre bloße Kenntnis, ermöglicht Ausblicke in die Zukunft und so die richtige Schätzung der Gegenwart, wozu auch biographische Arbeit im persönlichen Bereich helfen kann. "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden" bemerkt Kierkegaard (0.4a Anmerkungen). Epimetheus und Prometheus sind Brüder, der Zurückschauende und der Zukunftbildende sind nicht ohne einander zu denken. "...nur die spirituelle Zukunftsbewegung erschließt Vergangenheit..." sagt Wolf Ulrich Klünker (0.4b Anm.). Goethes Spruch: "Das Beste, was wir von der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt", weist auch auf den Gewinn der Beschäftigung mit Geschichte für zukünftiges Handeln (0.4c Anmerkungen I+II). Geschichtsbewußtsein ist ein vergewisserndes Innehalten und Bewußtwerden dessen, wie weit das, was gestern noch Zukunft war, schon gediehen ist. Beim selbstbewußten, denkenden Menschen gehören Erinnerung und Vorsatz zusammen. Nicht umsonst zeigt die Geschichte planvolles Handeln Einzelner erst zusammen mit dem Auftauchen der Geschichtsschreibung als erinnerndem Festhalten (LI.34 Hans Erhard Lauer: Geschichte ). Wer in der gegenwärtig sich beschleunigenden Zeit rücksichtslos nur vorwärts stürmt, verliert den Bezug zu seinen Ausgangspunkten und kann dann neu Errungenes gar nicht mehr mit seinem gewachsenen Horizont
verbinden. Er wird von dem Geschehen mitgerissen, seine Wurzeln werden dabei auch noch herausgerissen und er findet sich dann als aus der Geschichte Herausgeworfener vor, was im Wortsinn den Existentialismus ausmacht. Die Entstehung der modernen Geschichtswissenschaft (0.5a Anmerkungen I+II) wird hinterfragt, weil bewußt wurde, daß das Geschichtsbild immer vom jeweiligen Menschenbild abhängt. "Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist" (0.5b Anmerkungen), das gilt auch für die Historie, sie wird jeweils unter den Maximen geschaut, die dem Betrachter die wichtigsten sind. "Geschichte, wie sie wirklich gewesen" (0.5c Anmerkungen) ist nicht zu haben, denn auch bei der puren chronologischen Darstellung schleichen sich immer schon vorbewußte Deutungen mit ein und so spiegelt sich nur "der Herren eigener Geist" (0.5d Anmerkungen I+II ). Es kann konstatiert werden: "...Für den auf die Sinneswelt gerichteten gewöhnlichen Verstand ist es nicht möglich, des eigentlichen Gegenstandes der Geschichte teilhaftig zu werden und aus ihr eine Befähigung für das praktische Handeln zu gewinnen...'die Bergeslast der Überlieferung und dumpfer Vorurteile Alp, sie werden stets erdrücken der besten Worte Kraft'...es ist hier immer das entscheidende Problem angesprochen, wie die Erkenntnis eine Konsequenz für den Willen, d.h. für reale lebensgemäße Wirksamkeit erlangen kann...wie läßt sich in einem eigentlichen Sinne aus der Geschichte lernen, wie kann aus dem Erkennen ein wirklichkeitsgemäßer Impuls für das Handeln entspringen?..."
(Andre Bartoniczek, 0.5e Anm.)
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Den virulenten 68ern, die eine Generation der Halbstarken nach dem Zweiten Weltkrieg ablösten und für eine ganze Generation identitätsstiftend wurden, ging es angesichts der jüngsten Vergangenheit im Prinzip um friedliche und globale Impulse - trotz Studentenrevolution + Schülerstreik. Sie stellten die "Systemfrage", was angesichts zweier konkurrierender Machtblöcke auch zur Forderung eines "Dritten Weges" führte, dessen Voraussetzungen im eigenen Bewußtsein aber nicht gleichermaßen erkannt wurden. Vielen ging es um Horizont- und Bewußtseinserweiterung statt deren Verengung: Erstere wurde angestrebt, letztere war die Folge von Wegen, die sich als falsche erwiesen. In der wirtschaftswunderlichen Zeit wurde verengtes Konsumverhalten durch ausufernde Produktwerbung geradezu gezüchtet. Der Anthroposoph Walter Abendroth: "...Wer die Hinweise auf das 'fortlaufende Revoltieren' und die 'kontinuierliche Erschütterung des Gesellschaftsbaues' liest, hat wohl alle Ursache, den Scharfblick und die Weitsicht eines Denkers zu bewundern, der mit exakter Treffsicherheit die Zustände voraussagte, welche heute wie ein nicht mehr zu erstickender Steppenbrand die ganze Welt in Aufregung erhalten und deren Urheber allerorten die unmittelbaren Objekte des modernen Erziehungswesens sind - Studenten und Schüler. Sie fühlen instinktiv, daß
sie auf falsche Wege und in eine durch und durch fehlgeleitete Welt geführt werden sollen; ohne daß sie freilich darum auch die wahren Gründe dieser Irreführung erkennen und daraus die zutreffenden Folgerungen ziehen, die richtigen Forderungen erheben könnten. Offensichtlich ist allein die weltweit um sich greifende Verwirrung, die allgemeine Verstörtheit der jugendlichen Gemüter und ihre ohnmächtige Anstrengung, sich gegen die Zumutungen zu empören, denen sie sich ausgeliefert fühlen. Dieser Anschauungsunterricht beweist aber auch, daß Rudolf Steiners so erstaunliche Prognosen nicht aus der Quelle dubioser 'Wahrsagerei' entsprungen sind, sondern aus einem höheren Realismus, als er den vermeintlichen Realisten des gängigen Wissenschaftler-Formats staatlich privilegierten Gepräges erreichbar ist..." (R.Steiner 1919): "...Wenn an den Universitäten weiter so gelehrt wird wie heute, dann liegt in drei Jahrzehnten die Welt in Trümmern..."). So Walter Abendroth 1977, der auch einen sehr treffenden Ausblick auf die Stationen des modernen Lebenslaufes gab, der wie ein Alp den jungen Menschen bedrängt: Geburtsfabrik (Klinik), Entkindlichungsfabrik (Hort), Eintrichterungsfabrik (Schule), Erwerbsfabrik (Betrieb), dazwischen gelegentliche Ausflüge in die Reparaturfabrik (Krankenhaus, Kur) und endlich Sterbefabrik (Altersheim) (0.5f Anmerkungen ).
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Jens Göken zitiert Rudolf Steiner: "...Und so kann man sagen... wenn heute die Welt revoltiert, da ist es der Himmel, der zurückgehalten wird in den Seelen der Menschen, und der dann nicht in seiner eigenen Gestalt, sondern in seinem Gegenteile zum Vorschein kommt, der in Kampf und Blut zum Vorschein kommt statt in Imaginationen. Es ist daher gar kein Wunder, wenn jene Menschen, die sich an solchem Zerstörungswerk der sozialen Ordnung beteiligen, eigentlich das Gefühl haben, sie tun etwas Gutes. Denn was spüren sie in sich? Den Himmel spüren sie in sich; er nimmt aber nur karikaturhafte Gestalt an in ihrer Seele..." (0.5g Anmerkungen)
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1968 forderte man "die Phantasie an die Macht", man opponierte gegen die alten Zöpfe und ließ sich selber lange Haare wachsen (0.5h Anmerkungen). Der Rest der Welt bestand vorzugsweise aus Chauvinisten, Reaktionären oder Systemangepassten. Es war eine jugendliche Bewegung mit ergrauten Inspiratoren (0.6 Anmerkungen), die sich nicht nur im universitären Betrieb abspielte. Man ließ sich in aller Herrgottsfrühe von Wasserwerfern naßspritzen, nur um z.B. die Auslieferung der Bildzeitung zu behindern und man sah sich gleichzeitig der indoktrinären Agitation durch marxistische Studenten ausgesetzt und verteilte trotzdem deren Flugblätter, hinter deren soziale Forderungen man sich durchaus stellen konnte. Rudi Dutschke war der Prototyp des Revoluzzers, er benützte seine Sprachwerkzeuge wie einen Dampfhammer, mit dem er auf den Köpfen der 'Systemangepaßten' herumtrommelte. Die APO bestand aber nicht nur aus Marxisten und Anarchisten - es war eine ganze heranwachsende Generation, die mit dem Herannahen der Persönlichkeitsreife in Bewegung kam. Die Kriege z.B. in Vietnam führten zur massenhaften Kriegsdienstverweigerung, die Ausbeutung der Dritten Welt wurde angeprangert, aber auch die der Arbeitskraft im eigenen Land durch die Industrie (0.7 Anmerkungen I+II). Und wer nicht in der eigenen Gesellschaft anpacken wollte, versuchte sein Glück als Aussteiger, zurück zur Natur oder zu ursprünglichen Lebensformen, die man auch in der Dritten Welt suchte. Die 'Gammler' - unrühmliche Aussteiger - kifften und schnorrten sich durch und fühlten sich dabei auch noch erhaben. Dabei suchte man eigentlich die archaischen Ursprünge der Zivilisation. Ein Charroux oder van Däniken z.B. hatten exotische Anlaufziele für die idealistischen Jugendlichen ausgemacht (0.8a Anmerkungen). Diese wähnten sich als Auswanderer dann schon auf dem legendären Kontinent Atlantis, den ein Donovan besungen hatte. Denn in der Gewißheit, daß die Vätergeneration fehlgegangen war, entweder als Täter, Mitläufer oder bloße Zuschauer, entstand auch die Ahnung, daß ein Neues im gesellschaftlichen Leben ergriffen werden muß, als das man auch eine Naturverbundenheit ahnte, die dem geschichtlichen Menschen verlorengegangen ist (LI.44 Hans Erhard Lauer: Geschichte). Gespürt wurde, daß es vor unserer Geschichte Gestaltungen auf der Erde gegeben hat, die ursprünglicherer Natur waren als die Hochkulturen und daß die Geschichtsdarstellung den Begabungen des Ur-Menschen nur im äußerlichen Sinne gerecht wird. Und daß außerdem bei dem Gang durch die Geschichte nicht nur Neues errungen, sondern auch Wertvolles verloren wurde, vielleicht Wertvollstes:
das ursprüngliche Verhältnis des Menschen zur physischen und geistigen Welt. Viele verausgabten sich in ihrem Anrennen gegen das Bestehende. Viele Musicbands z.B. wandten sich in ihrer Musik den Zeiten zu, wo Sprache noch ursprünglich erlebt wurde: aus dem Bauch - nicht aus dem Kopf: in Gospel, Pop, Rock und Jazz usw., wenn sie auch elektronische Instrumente benützten. Die Hinwendung zum künstlerischen Welterleben, auch in der Malerei und Schauspielerei, ging oft über den Bauch und die Glieder. Die Aufführungen von Goethes 'Faust' z.B. schienen von den zwei Seelen in Fausts Brust nur noch die eine unter der Gürtellinie darzustellen. Und wanderten junge Menschen dann auch noch in die Länder der Dritten Welt aus, wo sie das ganzheitliche Leben suchten, trafen sie korrupte Strukturen an, unverhüllter als im eigenen Land, so daß auch hier zuerst verstanden werden mußte: Um eine bessere Welt zu schaffen, fängt man besser zuhause an, d.h. in der eigenen Gesellschaft - jeder an seinem Platz -, wie das Rudolf Steiner in seinen 'Kernpunkten der Sozialen Frage' (GA23) thematisiert hat. Auch innerseelisch-geistige Grenzerfahrungen wurden gesucht. Parapsychologie (PSI) und dosierter Drogengebrauch schienen diese zu ermöglichen. Auch die gerade aufkommende Zukunftsforschung zog viel Interesse auf sich, besonders Robert Jungk mit seinen Büchern 'der Jahrtausendmensch', 'Heller als tausend Sonnen' und 'der Atomstaat', die viele Atomkraftgegner motivierten (0.8b Anmerkungen). Andere Zukunftsforscher meinten nur die Erschöpfbarkeit der Rohstoffe und engten das Thema Zukunft auf materialistische Weise ein. Wie man spirituelle Erfahrungen machen könne, und dies auf gesunde und selbstbewußte Art, das Anliegen des Wandervogelbuches 'Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten' von Rudolf Steiner, war im Gegensatz zur Jugendbewegung am Anfang des Jahrhunderts, wo Soldaten im Ersten Weltkrieg dieses zentrale Buch der Anthroposophie in ihrem Tornister mitführten, wenig bekannt (0.9 Anmerkungen). Gedanken, die um den verschollenen Kontinent Atlantis kreisten, waren kaum wissenschaftlich zu greifen - ging es dabei doch um die Zeiten der Entstehung der Sprache, in denen ein einheitliches, ungeschiedenes Weltbewußtsein das heute 'verlorene Wort' noch in magischer Weise innehatte (LI,1.Teil,3.Kap I.3 Frühgeschichte und Mythus). Ähnlich wie die Wandervogelbewegung, die um 1900 in Berlin sich konstituierte, kamen die 68-er hauptsächlich aus den Städten, sie hatten aber nicht so sehr den Zug in die Natur, sondern waren als Intellektuelle eher auf Aufklärung über soziale Mißstände bedacht. Gemeinsam war ihnen das Aufbegehren.
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Im Ganzen gesehen entstand aber der Sinn für globale Ökonomie und Ökologie, auch für die inneren Ressourcen der Seele und des Geistes und damit eben für eine ganzheitliche Lebensweise. Junge Menschen empfanden eine instinktive Abneigung gegen die seelenverödende Arbeitswelt, die den Menschen geistig mechanisiert, seelisch dahinvegetieren läßt und leiblich animalisiert. Man wollte sich die Arbeitswelt individuell aneignen, anstatt ihrer Entfremdung anheimzufallen (0.10 Anmerkungen). "...Aber das, was bei der Arbeit das Wesentliche ist, das ist, daß ich nicht durch einen wirtschaftlichen Zwang dazu veranlaßt werden kann, meine Arbeit in einer beliebigen Weise in den Dienst des Kapitalismus (und man konnte von 1949 bis 1989 auch den real existierenden Sozialismus damit meinen) zu stellen..." (0.10a Anmerkungen).
Auch der Tages- und Wochenablauf, gespalten in Arbeits- und Freizeit, verunsicherte bei der Suche nach individuellen Perspektiven. Die psychische Spaltung der Persönlichkeit wurde zum Problem erst im 20. Jahrhundert, wo die Angst vor der physischen Kernspaltung und einem Atomkrieg mit globaler Zerstörung aus der Geborgenheit alter sozialer Strukturen aufrüttelte (0.11 Anmerkungen I+II ). Dagegen wollte man das Leben friedlich und antiautoritär, d.h. eigentlich freier und gerechter als bisher. Chancengleichheit im Bildungswesen, von Mann und Frau, und in der Weltwirtschaft wurde verlangt aus Solidarität und einem globalen Mitgefühl heraus, das sich zur gerade entstehenden Globalwirtschaft hinzugesellte und in den fremden Völkern den Menschenbruder suchte. Der Umfang der Verantwortlichkeit erweitert sich in der globalisierten Welt (LIII,S82 Lauer III Wille + Vorsehung).
Die politische Kaste wurde aber als korrupt und abgeschottet in die Nationalstaatlichkeit erlebt. Es wurde dann oft nur aus der Ablehnung der entfremdeten Strukturen, aus der Negation der Negation agiert, im Empfinden, daß aus Minus mal Minus ein gefühltes Plus der Lebensqualität entstehen könne. Wie aus der gefühlten Zersplitterung, die das moderne Arbeitsleben auch für den jungen Menschen mit sich bringen würde, zu einem ganzheitlichen Dasein gefunden werden könnte, wurde als Problemstellung oft empfunden, aber nicht zum klaren Bewußtsein gebracht. So ermangelte jugendliches
Freiheitsbegehren der konstruktiv reflektierten Begründung. Eine "Philosophie der Freiheit" (Rudolf Steiner), die im Einzelmenschlichen statt zur Zersplitterung und Spaltung, im Sozialen nicht in Isolation und Anarchie, sondern in die ganze und lebendige Wirklichkeit führt, wurde kaum gefunden (0.12 Anmerkungen I+II). Ein Slogan war: "Macht kaputt, was euch kaputt macht". Der Protest wurde zeitweise zum Selbstläufer, die Transparente enthielten eigentlich oft nur die Botschaft "Wir wollen: Uns!" (Anmerkungen I+II) Jürgen Habermas schreibt: "So ist Herbert Marcuse zum Philosophen der Jugendrevolte geworden, mit Recht. Verständlicherweise, aber nicht ganz zu Recht, benutzen manche der jungen Revolutionäre seine Schriften als Legitimation für die unbestimmte Negation des Bestehenden. Die 'große Weigerung' ist Metapher für eine Einstellung, aber nicht per se eine Einsicht. Marcuse hat eines mit dem anderen gewiß nicht verwechselt, gelegentlich aber muß er für eine solche Verwechslung herhalten. Das mag damit zusammenhängen, daß Marcuses Untersuchungen den Subkulturen des Protestes vorausgegangen sind und nicht nachträglich auf diese reflektieren konnten. Marcuse hat die Analyse der Entstehung eines unerträglichen Zustandes und die kritische Anleitung zu seiner bestimmten Negation verbinden müssen mit der Expression der Unerträglichkeit dieses Zustandes, gegen den niemand protestierte. Was eine Subkultur des Protestes in Einstellungen und in Lebensformen verkörpern kann, verlangt einen anderen literarischen Ausdruck als die Analyse dieser Tatbestände. Wenn die Empörung allgemein ist, bedarf das Unerträgliche keiner Diskussion; wenn es aber nicht gefühlt wird, bedarf es der Expression, um die Tatbestände überhaupt sichtbar zu machen. Der Protest muß die Augen erst öffnen für das, was die Analyse fassen soll. Marcuses Untersuchungen hatten beide Funktionen zu übernehmen; auf die Arbeitsteilung zwischen dem Protest, der die Sinne schärft, und der Kritik, die begreifen macht, konnten sie sich nicht stützen. Das mag ein Grund sein, warum Marcuse denen, die ihm folgen, auch Anlaß zu Mißverständnissen gab, nämlich dazu: die Artikulation einer Erfahrung mit der Analyse des Erfahrenen zu verwechseln - und die Attitüde der Weigerung mit bestimmter Negation. (0.13b Anmerkungen ).
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Alles in allem darf ein Achtundsechziger sagen: Die Protestgeneration hat mehr mit Anthroposophie zu tun gehabt, als ihr je bewußt wurde, denn sie hat aus den Triebkräften der Geschichte, die durch Anthroposophie erhellen können, agiert, wenn auch oft nicht konstruktiv, wie es durch Anthroposophie möglich wird. Und dies trifft auch auf die Hippie- und New-Age-Bewegung zu.
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1982 beschreibt der Priester und Anthroposoph Michael Debus die im Zusammenhang mit der möglichen Datenüberwachung des Menschen entstandene Jugendrevolte (0.13cAnmerkungen): "...Solche Entwicklungen, auch wenn sie nicht voll ins Bewußtsein treten, fordern Gegenreaktionen herauf. Der verdatete Mensch verlangt seine Autonomie. In vielen Bereichen unserer Zivilisation könnte man Symptome dieser Reaktion auf die unterschwellig empfundene Programmierung menschlicher Existenz finden. Am empfindlichsten pflegt die heranwachsende Jugendgeneration auf Gefahren zu reagieren, die von der etablierten Gesellschaft ausgehen. Von hier aus kann ein Licht fallen auf die 'neue Jugendbewegung', wie jener überraschende revolutionäre Aufbruch der mitteleuropäischen Jugend genannt wurde. Er begann am 12. Dezember 1980 in Berlin mit der ersten gewaltsamen Räumung eines von Jugendlichen besetzten Hauses, hatte eine Straßenschlacht ohnegleichen zur Folge und endete in einem 'Riesenchaos' (so der Berliner Polizeipräsident)... Diese Jugendbewegung von 1981, sofern sie sich überhaupt als etwas Einheitliches sehen läßt, ist sehr unähnlich jener Jugendbewegung der späten sechziger Jahre. Es gibt keine formulierten Ziele, keine Programme, keine Ideologien, keine Führergestalten; die neuen Rebellen leben ohne Organisation, ohne den Willen,
die Gesellschaft zu verändern. Für sie ist 'der Kram von 1968 heute kalter Kaffee. Was die 'Reptilien' und 'Opas' der Linken von 68 wollten, hat für sie keinen Sinn. 'Wir sind nicht rechts, wir sind nicht links, wir sind wir selbst.' Die zentrale Forderung der rebellierenden Jugendlichen nach einem 'autonomen Jugendzentrum' hat schon längere Zeit vorher zum Ausdruck gebracht, was wohl besser als ein inneres Anliegen verstanden werden muß. Die Jugend sucht ihre innere Autonomie in leergelassenen Stellen der programmierten Zivilisation. Die nicht mehr erfüllten geistigen Hohlräume unserer Gegenwart haben ihr Bild in den Häusern, die nun besetzt und autonom gestaltet werden. Dieser autonome und einen Innenraum schaffende Gestaltungswille verbindet die Jugendlichen untereinander und sogar mit der Welt..." Michael Debus erweist sich als phänomenalistischer Dreigliederer in dem oben angeführten Vortrag. Er hat die Geschehnisse anteilnehmend verfolgt und herausgelesen, was an Triebkräften in ihnen wirkt. Und da kommt er eben auf drei symptomatologische Tatbestände: Das Streben nach einem 'autonomen' (Jugend)Zentrum, die 'Besetzung' eines Hauses und die gefühlte 'Power' werden für ihn durchsichtig für die Anforderungen des Menschen 'an der Schwelle': Selbsterkenntnis, Selbsterziehung und Selbstverwirklichung sind die eigentlichen Motive dieser Generation gewesen. -
Man kann sie sich aber heute noch mit voller Power ins Bewußtsein rufen!
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Der Anthroposoph Karl-Martin Dietz schreibt "...Das dabei entstehende Gemeinschaftsgefühl aus einer gefühlten Solidarität heraus verdeckte aber auch das nur individuell zu erreichende Ziel geistiger Freiheit. So sind die geistigen und sozialen Grundanliegen der 68-er auch im 21. Jahrhundert noch aktuell und kaum erfüllt. Was als APO-außerparlamentarische Opposition- noch eine aufklärerische Haltung einnahm, hat sich heute als NGO - Nichtregierungs-Organisation- in die konstruktive Verantwortung mit der beabsichtigten Funktion des Vorbildes gestellt..." (0.14 Anmerkungen )
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Jens Göken schreibt in seinem Buch "Den Himmel spüren sie in sich" von einem Zauberwort derer, die um 68 herum geboren waren und in den 80ern ihre Jugendzeit durchlebten: Selbstorganisation in allen Lebensbereichen: selber Schulen gründen, selber Politik machen, sich selbst mit Lebensmitteln versorgen. Die Verweigerung der Volkszählung im Bannkreis Orwellscher Prophetie ahnte die Entfremdung, die heute erst - 30 Jahre und damit eine Generation später und dadurch existentieller - das Leben verdatet hat. 1984 lagen die Praktiken von NSA + Co erst in der Luft. Jens Göken versucht wie Karl-Martin Dietz die Etappen der Jugendbewegung/en zu unterscheiden. Wird Göken aber den 68ern gerecht in der Beurteilung, daß es vornehmlich um materielle Fragen gegangen sei? Es paßt schematisch, die Suche und Impulse der Bewegungen vom Leib ausgehend über die Seele zum Geist aufsteigend zu schildern. Aber hallo? Bestanden die 68er nur aus systemverweigerndem Bauch und Nabel? Da wird sich in den folgenden Betrachtungen ein anderes Bild ergeben.
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In der Mitte dieser Zeit stellt Karl-Martin Dietz die Frage:
"War also die Alternativbewegung nur ein Seitenweg in einer ansonsten geradlinigen Bewußtseinsentwicklung des 20. Jahrhunderts? - Mit Sicherheit nicht! Denn die von ihr aufgeworfenen Fragen berühren prinzipielle Probleme und sind bis heute nicht gelöst. Wenn an der Stelle, die jetzt mehr und mehr als Bewußtseinsproblem erkannt wird, konsequent weitergearbeitet wird, müßten Chancen bestehen, die beschriebenen Probleme in absehbarer Zeit auch in der Lebenswirklichkeit zu lösen" (0.14)
20 Jahre nach 1968 stellte sich die Situation gewandelt dar, nachdem "die Alternativbewegung Hoffnung auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme geweckt hatte: Die Probleme werden nicht in einer Herrschaft von außen erlebt, wie dies noch für die APO-Generation galt, sondern als im Menschen selbst, in seiner Seele liegend" (0.14 Anmerkungen )
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Geschichtliche Besinnung konstatiert den Übergang in ein neues Jahrtausend. Was wird im Verlauf des 3. nachchristlichen Jahrhunderts sich ergeben: das Auftreten eines global und individuell gefassten Verantwortungsbewußtseins oder das weiterer Guru- und Führernaturen, die der Namensgebung unserer Zeitrechnung im lügnerischen Vollzug Hohn sprechen? Haben doch globale Bezüge ein Aufwachen nach sich gezogen, das z.B. die amerikanischen Grundwerte - Freiheit und Sicherheit - in neuer Weise bewußt macht: "Wer die Freiheit wegen der Sicherheit beschneidet, verdient beides nicht", so Benjamin Franklin, dem keiner Antiamerikanismus unterstellen kann und der auch von Joachim Gauck zitiert wurde. Bewußt wird, daß unter dem amerikanischen Friedensnobelpreisträger mehr Drohnen fliegen, als unter seinem Vorgänger, der klar als Falke denn als Taube zu bezeichnen war. Dies hängt zusammen mit der militärisch-technischen Entwicklung, die in unnatürlicher bzw. unternatürlicher Weise ausartet.
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3) In dem Film "Alices Restaurant" aus der Zeit von 1968 wird die Entwicklung einer Gruppe junger Menschen in ihren äußeren und inneren Zwängen dargestellt. Sie leben in einer Wohngemeinschaft in sexueller Freiheit, machen Musik in einer Band und sind cool und hip. Es war die Zeit, wo viele die Songs z.B. der Beatles wie eine Offenbarung aufnahmen, während andere schaudernd sich verwahrten. Die jungen Leute merken, als
allmählich die Fremdbestimmungen durch Familie, Schule, Ausbildung, Militär und Gesellschaft schwinden, daß sie bis dahin nur oppositionell empfunden haben. So fallen sie in ein Loch und wissen nichts weiter mit sich selbst anzufangen, weil sie eben keinen Begriff von biographischer Entwicklung haben und nur im Protest kreativ waren. Erst Anthroposophie hilft wahrhaft selbstbestimmte Positionen zu finden. (Anm.I15)
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In der so geschilderten, eingeengten Situation ist unsere ganze Zivilisation. Außer äußerlichen - technischen und finanziellen - Dimensionen kommt erst allmählich auch die soziale Wirklichkeit in den Blick, die mehr von der seelischen Stimmungslage eines Volkes bestimmt wird als von volkswirtschaftlich statistischen Analysen (0.16 Anmerkungen I+II). Selbst Heiner Geissler, der 1968 Vorsitzender der "Jungen Union" (CDU) war, sagte angesichts Stgt21: "Die Politik wird bei Großprojekten gezwungen sein, nicht nur die technologischen und ökonomischen Vorteile zu sehen" (0.17Anmerkungen). Auch bei dem Großflughafen in Berlin wird sich da noch einiges tun, er ist ja schon buchstäblich in den märkischen Sand gesetzt. Wenn der Mensch dann doch in den Mittelpunkt von Politik und Marketing gestellt werden soll, nimmt er sich allerdings meist eher aus wie ein Strichmännchen auf einer Schießscheibe. Da wird ins Schwarze gezielt und damit das Thema von vornherein verfehlt: Das Was bedenke – mehr das Wie! (0.18 Anmerk.) Wenn Winfried Kretschmann auch die Autoindustrie zur Zurückhaltung auffordert, kann man von den Nahle/Gabriels nur enttäuscht sein, daß sie angesichts der Ölprobleme keine ähnlichen Konsequenzen für ihre Politik ziehen. Ein Sproß aus der Porschedynastie, der Anthroposoph Peter Daniell Porsche, verhält sich vorbildlich: "Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen!", heißt ein Buch von ihm. Wie wird sich außerdem die städtische Politik in Stuttgart entwickeln, wo mit Fritz Kühn ein Grüner als Bürgermeister agiert? (0.19 Anmerkungen)
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Von West und Ost wird der alte Stil im großen Ganzen nur mit unterschiedlichen Vorzeichen praktiziert. Für das eine stehen im Wesentlichen Smith/Keyne und für das andere Marx/Engels mit dem jeweils verwirrenden Heer der Interpreten und Rivalen. Die Forschungsgrundlage beider war die industrielle Revolution im Westen und unvermerkt wurden damit die Wirtschaftslehren wichtiger als Staats- und Religionslehren (0.20 Anmerkungen). Aber es war von vornherein zum Scheitern verurteilt, die Gesetze der industriellen Entwicklung auf das agrarische Russland anzuwenden, es verhalf dem Marxismus nur zum Status einer Ersatzreligion, die den seligen Endzustand einer klassenlosen Gesellschaft versprach. Dagegen hätte erst ein echter Sozialist und genauer Naturbeobachter, Kropotkin, mit seiner Forschung über die gegenseitige Hilfe im Tierreich (0.21 Anmerkungen) einen sozialen Ansatz schaffen können, wenn er denn gehört worden wäre. Denn der damals aufkeimende Sozialdarwinismus fasste praktisch auch im Ostblock Fuß. Und die heutigen Marxisten in der sozialdemokratischen, grünen und linken Partei zusammengenommen könnten in Deutschland gut Mehrheiten stellen, wenn sie nicht selbst vom Sozialdarwinismus infiziert wären. Durch unser exclusives (ausschließendes) parlamentarisches System werden nicht sachliche Mehrheiten staatstragend, sondern ideologische, abgesehen davon, daß die Polarisierungen mehr und mehr zu Blockaden führen, wie sich das häufig in den USA abspielt. Ein runder Tisch, wo die Mitbestimmung keiner politischen Gruppierung versagt bleibt, wird sicher wieder kommen - bei der nächsten großen Krise! Und beiden, den Marxisten und den Kapitalisten gehört gleichermaßen die Zukunft - auf dem Feld des Weiterdenkens! Und für den Westen wiederum
gilt die Aussage des englischen Staatsmannes Winston Churchill, daß ja die Amerikaner immer die richtigen Lösungen finden – nachdem sie alle anderen ausprobiert haben! – Im Westen wird experimentiert, im Osten ideologisiert. Und welche Experimente machen die etablierten Parteien, wenn sie sich jetzt grün übertünchen, um nicht ganz unter den Tisch zu fallen? Welche Politik ist von den Trendsettern denn morgen zu erwarten, wenn sie sich die schnellen Halbwertzeiten zu eigen machen? Bei diesen handelt es sich bekanntlich um Zerfallsprozesse. Man schaue sich einmal den Wald von Hintertürchen bei dem Atomausstieg von Schwarz/Gelb (2013) an! Der Ausbau des Stromnetzes wird jetzt als Vorwand benützt, um weiterhin das große Geld zu machen. Und wie wenig das Agieren im Finanzwesen Hand und Fuß hat, zeigt das Gebaren der Ratingagenturen und Banken: Zuerst wurde alles Mögliche überbewertet, was zu den platzenden Finanzblasen führte. Dadurch sind nur die Ratingagenturen in ihrer Macht gewachsen und überliefern heute ganze Kontinente den Spekulationsgeiern. Man darf gespannt sein, wer aus diesem Auf und Ab gestärkt hervorgehen wird, wenn nur noch ein Bruchteil wert ist, was andern geschuldet wird. "...Doch ist die Staatsverschuldung nicht das einzige Kriterium, an dem sich entscheidet, wie der Wohlstand der Welt sich neu verteilt. Vorne liegen werden die Nationen, die den technologischen Wandel nicht nur aushalten, sondern gestalten. Das Internet verändert alle ökonomischen Prozesse. Keine Branche kann sich ausnehmen, nichts wird diese geradezu schöpferische Zerstörung im Sinne Joseph Schumpeters aufhalten. Und in diesem Feld sind die USA der Taktgeber der Welt. So haben sie weiterhin alle Chancen auf enormen Wohlstand--". (Moritz Döbler im Berliner Tagesspiegel, 22.12.12)
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Die gegenseitige Verschuldung hat ein globales Ausmaß angenommen. Ein Schuldenschnitt sollte doch so aussehen, daß auch aufgerechnet wird, was in den vergangenen Jahrhunderten an wirtschaftlicher Bereicherung durch die heutigen Industrienationen geschehen ist, da sind die griechischen Reparationsforderungen nur ein Beispiel: "Vergib uns unsere Schulden - wie wir vergeben unseren Schuldigern". Dieser wohlbekannte Passus stellt ein zeitgemässes und erlösendes Motto für unsere Globalwirtschaft dar! Gerade die USA, die mit Weltbank und IWF (Internationaler Währungsfond) letztlich den Daumen auf dem globalen Schuldendruck haben, sollten Sinn für dieses Motto haben, wenn man bedenkt, wie religiös sie sich gerieren.
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Für einen Aufstand in Friedfertigkeit plädiert Stéphane Hessel, der 1917 in Berlin geboren wurde und 1948 als UN-Vertreter Frankreichs die Charta der Menschenrechte mitunterzeichnete (Er ist am 26.2.13 95-jährig verstorben, konnte aber noch erleben, daß seine Gedanken in einem Bestseller um die Welt gingen): "Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des Immer-noch-mehr brechen, in dem die Finanzwelt, aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben. Es ist höchste Zeit, daß Ethik, Gerechtigkeit und nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden. Denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch auf einem für uns unbewohnbar werdenden Planeten ein Ende setzen könnten" ("Zitat aus "Empört Euch") Stéphane Hessel ruft hauptsächlich die junge Generation zur Resistance, zum Engagement auf, aber wohlgemerkt zum gewaltfreien Widerstand. Man muß fragen: gegen wen geht heute der Widerstand? - Früher gab es die Diktatur des Regimes. Heute ist die Diktatur des Finanzkapitalismus, dem immer absurdere Auswüchse gestattet und auch noch finanziert werden. Der Widerstand geht heute gegen die Diktatur der
Rendite! Das zeigen auch die neuerlichen Proteste an der Wallstreet. Und es ist wie immer: Die alte Generation ist erfahren, tut aber nicht viel, während die junge Generation viel tut, aber oft unbedacht. Der neue Bischof/Kardinal Woelki nannte die Autozündeleien in Berlin einen Hilferuf. Die Schauspielerin Veronika Ferres plädierte als verängstigte Augenzeugin der Jugendkrawalle in London dafür, daß mehr in die junge Generation investiert wird. Die Arbeitslosigkeit der Jugend wächst proportional mit der Anhebung des Rentenalters und der junge Mensch kann nicht an dem weltweit gewachsenen Wirtschaftswohlstand teilhaben. Nullbock entsteht aus Nullperspektive und Nulltoleranz! Kreatives Potential schlägt aggressiv um, wenn es ignoriert wird. Da hilft auch die schnell aufgelegte millionenschwere Investition in Jugendarbeitsplätze nicht, wenn nicht strukturell nachgearbeitet wird. Auch in Spanien, Israel usw. protestiert viel Jugend, und auch die Arabellion, die Aufstände in Nordafrika waren ein Ansturm gegen völlig verkrustete Herrschaftsverhältnisse. Rund um das Mittelmeer tritt ein Herrscher nach dem andern ab - bei den einen kommen die Finanzokraten, bei den andern die Fundamentalisten - und alle scheinbar demokratisch an die Macht und werden dennoch wieder abgesetzt.
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'Occupy' und 'Blockupy' thematisieren die soziale Ungerechtigkeit:
"Banken wurden gerettet - wir wurden verkauft! - wir bezahlen für die Fehler der Banken"
Bemerklich wird, daß die Mittelschicht sich auflöst, Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden. Der Absturz in die Armut ist für Mittelschichtler keine Eventualität mehr! Fast 1000 Städte weltweit wurden am 15.10.2011 von Hunderttausenden der Occupy-Bewegung erreicht, in Berlin waren 1500 Demonstrierende angemeldet - 10.000 kamen! Und das auch ohne Facebook. Ausgerechnet Herr Gauck war der Meinung, daß diese Bewegung schnell wieder verebben wird und er hat leider damit auch recht gehabt. Hat er aber nur so viel Sinn für die Gliederungserfordernisse der Globalisierung? Die Zivilgesellschaft scheut feste Strukturen, darin liegt
ihre Stärke und ihre Schwäche. Die Camps der Protestierer in New York, aber auch in Berlin und Frankfurt wurden dann geräumt. Die Begründung dafür war fadenscheinig - und das bei den Avantgarden der Demokratie! ..."Im Gegensatz zu allen internationalen Politikern stellt die Occupy-Bewegung die Systemfrage. Nicht sie ist eine Ansammlung lebensfremder Utopisten - es sind die Politiker, die ein System aufrechterhalten, das unter chronischer Dysfunktionalität leidet. Damit erhöhen unsere Staatsoberhäupter nur die Wahrscheinlichkeit, daß es am Ende zu einem verhängnisvollen Zusammenbruch kommt"... (0.22 Anmerkungen.)
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Jean Ziegler, der in der UN für das Welternährungsprogramm gearbeitet hat, veröffentlichte seine 'Nicht-gehaltene Festspielrede Salzburg 2011' nachdem er dort ein-, und nach Vorlage seines Manuskripts wieder ausgeladen wurde:
Der Aufstand des Gewissens
"Was ist mein Traum? Die Musik, das Theater, die Poesie - kurz: die Kunst - transportieren die Menschen jenseits ihrer selbst. Die Kunst hat Waffen, welche der analytische Verstand nicht besitzt: Sie wühlt den Zuhörer, Zuschauer in seinem Innersten auf, durchdringt auch die dickste Betondecke des Egoismus, der Entfremdung und der Entfernung. Sie trifft den Menschen in seinem Innersten, bewegt in ihm ungeheure Emotionen. Und plötzlich bricht die Defensiv-Mauer seiner Selbstgerechtigkeit zusammen. Der neoliberale Profitwahn zerfällt in Staub und Asche. Ins Bewußtsein dringt die Realität, dringen die sterbenden Kinder. Wunder können in Salzburg geschehen: Das Erwachen der Herren der Welt. Der Aufstand des Gewissens! Aber keine Angst, dieses Wunder wird in Salzburg nicht geschehen!
Ich erwache
Mein Traum könnte wirklichkeitsfremder nicht sein! Kapital ist immer und überall und zu allen Zeiten stärker als die Kunst. "Unsterbliche gigantische Personen" nennt Noam Chomsky die Konzerne. Vergangenes Jahr haben laut Weltbankstatistik die 500 größten Privatkonzerne, alle Sektoren zusammen genommen, 52,8% des Welt-Bruttosozialproduktes, also aller in einem Jahr auf der Welt produzierten Reichtümer, kontrolliert. Profitmaximierung ist ihre Strategie. Es ist gleichgültig, welcher Mensch an der Spitze steht. Es geht nicht um seine Emotionen, sein Wissen, seine Gefühle. Es geht um die strukturelle Gewalt des Kapitals. Produziert er dieses nicht, wird er aus der Vorstands-Etage verjagt"
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Unsere Gesellschaft ist wohl gerade im Tertiär angekommen: Die Manager reiten Sauriere und können nur versuchen, oben zu bleiben, denn steuern können sie nicht! Die Sauriere sind nur zu beherrschen, wenn der volkswirtschaftliche Mehrwert den Menschen zugute kommt, statt im Finanzdschungel zu versanden. Dafür braucht es das
Grundeinkommen !!
Welche friedenstiftende Rolle es für die Erfüllung der Menschenrechte spielen wird, und daß nicht nur Piraten und Linke davon wahrträumen, davon in den folgenden Kapiteln noch mehr.
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Die europäische Mitte hat aus ihrer Geschichte und ihrer Mittlerposition eigene Möglichkeiten und daraus aber auch verpflichtende Aufgaben. Das Verhältnis des Mitteleuropäers zu den geistigen Eigenschaften seines Volkes resultiert aus Erkenntnis und Freiheit, nicht aus Instinkt und Sachzwang. Blut und Boden sind nur andere Ausdrücke dafür. 50 Jahre vor den Achtundsechzigern und 15 Jahre vor der nationalsozialistischen Machtergreifung gab es schon eine zielführende Bewegung für eine gesellschaftliche Neugestaltung. Sie wurde, da Erkenntnis und Freiheit immer nur die Sache Einzelner sein kann, praktisch zunächst auch nur von einem Einzelnen inauguriert und wie dann in der Weimarer Republik leider auch von den 68ern weitgehend ignoriert: Rudolf Steiner erkannte aus der Anthroposophie heraus historische Möglichkeiten und drängende Notwendigkeiten. Das mitteleuropäische Unglück war doch, daß hier wie in Ost und West imperialistisch agiert wurde, was in der Folge aber nur zur Vereinnahmung durch diese führte, statt zwischen beiden vermitteln zu können (0.23a Anmerkungen). Die Mauer ist das Gegenbild dessen, was von Berlin ausgehen
sollte, sie war das Symptom für weltpolitische Herzprobleme und zeigt an, daß Europa seine Mittlermöglichkeiten nicht wahrgenommen hat. Schon Friedrich Nietzsche hat von der Exstirpation des deutschen Geistes zugunsten des Deutschen Reiches gesprochen. Der Merkantilismus, kurz Merkelianismus der deutschen Politik bringt wieder die Völker gegen Deutschland auf. Oberlehrer Schäubles Inspiration ist, seine jugendlichen Sparerfolge auf die volkswirtschaftliche Ebene zu transponieren. Dieser Unsinn kann auch nicht korrigiert werden, wenn er nun als Schirmherr jugendlichen Europäern Arbeitsplätze schaffen will - erst drosseln, dann den Griff ein wenig lockern und dafür rundherum beklatscht werden! Ex-Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker: "Wer glaubt, daß sich die Frage von Krieg und Frieden nie mehr stellt, könnte sich gewaltig irren" (0.23b Anmerkungen). Diese Aussage bewahrheitet sich in dem neuerlichen Ansatz zu einer EU-Armee. Damit wäre der Vorsatz Deutschlands zunichtegemacht, nach den Gewaltobsessionen des Dritten Reiches nie wieder eine Armee aufzustellen.
Nach 40-jähriger Wüstenwanderung zwischen zwei Blöcken steht das wiedervereinigte Deutschland wirtschaftlich erstarkt da.
Es ist ein Tanz auf dem Vulkan, wenn heute wieder als Macht auftritt, diesmal im Euro-Reigen, was aus der geographischen und geistigen Situierung eine Mediatorenstellung hat, und diese Aufgabe z.B. auch im aktuellen arabisch-persisch-israelischen Geschehen wahrnehmen könnte, statt sich da nebulös herauszuhalten oder 'nur' Waffen zu liefern. Auf diese Weise steht der Mensch ganz sicher im Mittelpunkt - des Fadenkreuzes! Aus dem schönen Schwarzwald werden tödliche Waffen in alle Krisengebiete ausgeführt, eingeführt werden dann Flüchtlinge, für die die Waffenproduzenten aber nicht aufkommen (0.24a Anmerkungen). Nach Israel werden U-Boote geliefert, die höchstwahrscheinlich dort mit Atomraketen bestückt werden. Welche Ziele stehen da im Mittelpunkt? Wird Gewinnmaximierung heute gewissenlos erreicht mit der Tötung von Menschen? Warum sollten jetzt in Deutschland Drohnen angeschafft werden? Letztlich dürfen sie nach den geltenden Bestimmungen gar nicht eingesetzt werden, wie
es sich neuerdings herausgestellt hat, so daß schon mehr als 1 Milliarde Euro verschleudert wurde (Mai 2013).Und wenn in Baden-Württemberg Herr Kretschmann eine neue Gründerzeit propagiert, findet er hoffentlich einen angemessenen Grundstein (0.24b Anmerkungen I+II). Dafür braucht man nicht nur an Rudolf Steiners Anthroposophie erinnern. Schon für Friedrich Schiller war des Deutschen Größe nicht die materielle Macht - ob damals mit dem Schwert oder heute mit Autos und Panzern (0.25 Anmerkungen I+II). Eine wie immer geartete Vormachtstellung Deutschlands muß auch heute wieder den Machtpolitikern in West und Ost ein Dorn im Auge sein, wenn auch die imperialistischen Strukturen längst sich geändert haben, denn wirtschaftspolitisch ist der pazifische Raum längst wichtiger geworden als Old-Europe. Auch wird mittlerweile die Anschauung vertreten, daß Deutschland zu stark für den Euro-Raum sei und eher selber ausscheiden sollte, bevor man das z.B. von Griechenland erwartet (0.26 Anmerkungen ).
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nach manchem vergeblichen Anlauf sollte schon das Stehaufmännchen mit dabei sein (0.30 Anmerkungen). Und jeder hat seinen eigenen Ansatz und Stil: der eine nimmt gleich mehrere Stufen auf einmal, der andere müht sich lange mit den einzelnen Stufen ab. Die verschiedenen, im denkerischen, gefühls- oder im willensmäßigen Ansatz unterschiedlichen, ja gegensätzlichen gegensätzlichen Wege, die Rudolf Steiner mit der Anthroposophie aufzeigt, sind alle in sich gediegen. Das wird evident, wenn man sich erst einmal damit beschäftigt, und über vordergründige Beweise abwarten kann, ob diese Geisteswissenschaft sich als lebensvoll erweist und nicht zur grauen Theorie führt, sondern zur Tüchtigkeit im Leben. Die vielen Lebensfelder anthroposophischer Arbeit demonstrieren dies heute schon auf eindrückliche Weise. Auch hat Rudolf Steiner nie beansprucht, das gesellschaftliche Leben seiner Zeit aus der Misere herausführen zu können. Eine Wahl zum führenden Politiker lehnte er ab, politische Tätigkeit ist in den Statuten der Anthroposophischen Gesellschaft nicht die Aufgabe. Wohl aber, Urteilsgrundlagen herbeizuschaffen, damit gesellschaftliche Arbeit wohlbegründet getan werden kann. Die menschliche Gesellschaft ist nicht das, was schon der Name sagt, wenn einer oder einige wenige die großen Ziele menschlichen Handelns vorgeben können.
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