Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

Vorab: Hermann Beckh baut in dieser Darstellung auf sein vorhergehendes Buch: "Der kosmische Rhythmus im Markus-Evangelium" auf. Dieses Buch ist auch heute noch erhältlich beim "Verlag Freies Geistesleben Stuttgart"

Die Bezüge auf dieses Buch benennt Hermann Beckh im folgenden abgekürzt und mit Seitenangabe: ME...

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Widmung, Vorwort, Einleitung und A. Erster Abschnitt: Sternengeheimnis:

Die kosmischen Ausgangspunkte für die Ausgangspunkte für die Betrachtung des Johannes-Evangeliums

1. Der Tierkreis im kosmischen Rhythmus des Markus-Evangeliums (Rückblick)


Widmung

Dem Andenken meiner Schwester Marie +25.2.29 *

In lichten Höhen,

Wo sonneglitzernd

Die schönsten Libellen

Verflatternd Wärmestrahlen

Dem Lebensraum vermählen,

Verweile du, meine Seele.

Sie weben mein gedenkend

Aus Trauer Kraft;

Schon fühle ich

Wie sie mich fühlen,

Wie sie, erwärmend -

Mich durchdringend, strömen;

Der Geist schmilzt

In Weltenweiten,

Die Erdenschwere

In Zukunftslicht.

Rudolf Steiner

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Vorwort

   In der letzten Ansprache, die Rudolf Steiner, bereits schwer erkrankt, am Vorabend des Michaelitages 1924 in Dornach noch vor einem größeren Kreis teilnehmender Freunde gehalten hat, wurde das Geheimnis der Persönlichkeit, der wir die Inspiration des Johannes-Evangeliums verdanken, noch einmal bedeutsam berührt. Was der Name Johannes für das Menschheitsbewußtsein bedeutet, dies tief ins eigene Bewußtsein aufzunehmen, sahen wir uns da aufgerufen. Nicht wie ein Dogma wurde es hingestellt, sondern eher wie ein Rätsel, dessen Lösung sich suchenden Herzenskräften erschließen sollte. So ließ es uns zugleich noch einmal bedenken, was Anthroposophie im Erkenntnis-Zeitalter sein sollte, als was sie im Sinne ihres Begründers in den Herzen der Menschen leben wollte: ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte. In der Form heutigen menschlichen Denkens gegeben, will Anthroposophie dieses Denken wieder in ein kosmisches Denken, ein Sternen-Denken hinaufführen. Ein Sternen-Impuls lebt in ihr als innerster Zukunftskeim. Im Johannes-Evangelium selbst diesen Impuls aufzusuchen, war das Bemühen der gegenwärtigen Arbeit.

   Von jener menschheitsbedeutenden, von allen Gefühlen des Dankes für den Begründer der Anthroposophie durchklungenen Abschiedsstunde von Dornach wendet sich der Gedanke des Verfassers zu einer andern, für ihn persönlich bedeutsamen Stunde, als die von früher Jugend an auch im geistigen Streben ihm innig verbundene Schwester nach langem schwerem Leiden in geistige Welten hinüberging. Auch an dieser Arbeit hat sie mit ihren tiefsten Herzenskräften Anteil genommen. Wie sie den früher erschienenen ersten Teil (Markus-Evangelium) noch sterbend erlebte, so ist dann ihr Sterben in den nunmehr erscheinenden zweiten Teil (Johannes-Evangelium) geistig eingeflossen.

   Endlich gebührt der tiefempfundene Dank des Verfassers dem Herrn Verleger Rudolf Geering-Basel, dessen ganz auf Menschheits-Ziele gerichteter hochherziger Opfersinn nach dem Erscheinen des ersten Teiles dieser Schrift nun auch noch das Erscheinen dieses zweiten Teiles ermöglichte.

Stuttgart, den 8. Juli 1930

Hermann Beckh


Einleitung S9

Mannigfache Wege können an ein Verständnis des - neben und mit der Apokalypse - tiefsten, inhaltschwersten und zukunfttragendsten aller Menschheitsdokumente, des Johannes-Evangeliums, näher heranführen. Hier soll derjenige Weg gegangen werden, der aus dem Markus-Evangelium, aus dem Hinschauen auf den "kosmischen Rhythmus" im Markus-Evangelium sich ergibt. "Das Markus-Evangelium als Weg zu Johannes, das Johannes-Evangelium als Weg zu Christus" - so lautet in aller Kürze und Bestimmtheit der Grundgedanke dieser ganzen, in ihrem ersten Teile dem Markus-Evangelium, in ihrem hier beginnenden zweiten Teile dem Johannes-Evangelium gewidmeten Schrift*..


* (Der kosmische Rhythmus im Markus-Evangelium, Verlag Rudolf Geering, Basel 1928, in der Darstellung des gegenwärtigen Buches fortan abgekürzt: M.E., wobei dann die angefügten Zahlen sich auf die Seiten jenes Buches beziehen.  Über das Wesen des hier gemeinten

"Rhythmus" vgl. auch die gemeinverständlich gehaltene Darstellung in des Verfassers Aufsatz "Rhythmisches Geschehen im Evangelium" in der Zeitschrift "Die Christengemeinschaft" VI,11S334)

 

  Der bei der Betrachtung des Markus-Evangeliums gefundene, den geistigen Aufbau und die inneren Zusammenhänge dieses Evangeliums tragende "kosmische Rhythmus" kann als ein in sich selbst beruhender, aus sich selbst heraus einleuchtender erkannt werden. Es offenbart sich in diesem Rhythmusin den einzelnen Motiven oder "Zeichen" dieses Rhythmus, eine geistige Zwölfheit so, daß beim dreimaligen Vorüberziehen von zwölf Abschnitten des Evangeliengeschehens im Fortgang des Rhythmus mit der Wiederkehr eines gleichartigen oder doch sinnverwandten Geschehens sich verbindet. Der geistige Sinn der einzelnen "Zeichen" und damit des ganzen Rhythmus wird aus diesem Zusammenhange, aus der das Ganze zum Kreislaufe rundenden Wiederkehr des Gleichartigen in der dreimaligen Wiederholung jener zwölf Motive oder "Zeichen" in sich selbst unmittelbar verständlich.

   Der also im Evangeliengeschehen waltende Rhythmus ist kein anderer, als der allem Leben der Erde und des Menschen, allem Kosmischen und Irdischen zugrunde liegende, der große Rhythmus, der im ewigen Wechsel von Blühen und Welken, Wachsen und Fruchten, Werden und Vergehen, Leben und Sterben, Schlafen und Wachen, Sommer und Winter, Tag und Nacht sich offenbart. Bis ins Musikalische (vgl. des Verfassers Schrift "Vom geistigen Wesen der Tonarten"), ja bis ins Räumliche, bis in den harmonischen Aufbau der Menschengestalt konnten wir diesen Rhythmus verfolgen (ME23ff).

   So ist auch für denjenigen geistigen Werdegang und Entwicklungs-Stufengang, den wir hier immer als "Initiation" oder "Einweihung" bezeichnen, für das "Werden des Geistesmenschen" in der christlich-johanneischen Einweihung vor allem derselbe Rhythmus maßgebend. Nicht nur ein Geheimnis des Christuslebens, sondern eine Tatsache der Johannes-Einweihung - so erkannten wir in der früheren Darstellung - offenbart sich im dreimaligen Hindurchschreiten durch jene Zwölfheit der Himmelszeichen in der Geschichte des Markus-Evangeliums. Im Johannes-Namen selbst erkannten wir das Geheimnis der drei Stufen dieses Werdeganges (ME46ff).

   Vor allem deutlich und bedeutsam offenbart sich jener Rhythmus des Blühens und Welkens, Werdens und Vergehens im Jahres-Kreislauf. Ein Sonnen-Rhythmus ist er da S11 zunächst einfach insofern, als ja mit dem Kreislauf des Jahresgeschehens der jährliche Wandel der Sonne in ihrer Himmelsbahn sich vollzieht (Es handelt sich hier nicht um kopernikanische Probleme, sondern um die einfache Beschreibung von Himmelsvorgängen, wie sie sich, von der Erde aus gesehen, darstellen). Ein Sternen-Rhythmus insofern, als wir beobachten, wie in dieser ihrer Jahresbewegung die Sonne einen Rundgang durch zwölf himmlische Regionen beschreibt, die man, in Anlehnung an alte Überlieferung, immer die zwölf Sternbilder des Tierkreises genannt hat. Jedes dieser zwölf Tierkreisbilder bezeichnet einen Abschnitt oder ein "Zeichen" des Jahresgeschehens. Die "Zwölfheit" der Zeichen und Abschnitte der Sonnenbahn und des Jahresgeschehens ergibt sich, unabhängig von aller Überlieferung, aus der Tatsache, wie wir weiterhin beobachten, wie mit dem Sonnen-Rhythmus ein Monden-Rhythmus, mit dem Jahres-Kreislauf ein Kreislauf von zwölf Monaten sich verbindet (der, als reiner Monden-Rhythmus genommen, nicht restlos im Sonnen-Rhythmus aufgeht).

   So sind Sonne, Mond und Sterne für diesen ganzen irdisch-kosmischen Rhythmus zunächst nichts anderes als die kosmische Uhr, an der wir das irdisch-zeitliche Geschehen ablesen, alle irdische Zeitbestimmung messen, die große kosmische Uhr, nach der letzten Endes auch alle unsere kleinen irdischen Uhren zusammengefügt und gestellt sind. Der Tages-Rhythmus ist das kleinere Abbild des Jahres-Rhythmus (ME21), das Zifferblatt der einfachsten Taschenuhr enthält einen Hinweis auf die Zwölfheit der kosmischen Zeichen.

   So können wir, auch ohne Sterne und Sternbilder dabei in Betracht zu ziehen, von dem hier immer gemeinten Rhythmus und seinen zwölf "Zeichen" eine geistige Anschauung gewinnen, wenn es uns glückt, die zwölf monatlichen Abschnitte des Jahreskreislaufs - der jeweilige Übergang liegt eigentlich nicht um den ersten des Kalendermonats herum, sondern vielmehr um den einundzwanzigsten, um den Zeitpunkt, in dem auch die S12 Äquinoktien und Solstitien eintreten - in der Verschiedenheit ihrer Stimmung zu erfassen, zu erkennen, welche Stufe des Blühens und Welkens, des Wachsens und Fruchtens, Werdens und Vergehens in jedem dieser zwölf Jahresabschnitte sich offenbart. Auch das Hinschauen auf das Musikalische des Tonarten-Kreises, der wie der Tageskreis und der Jahreskreis, ein Hell und Dunkel, eine Tagseite und eine Nachtseite kennt, ließ uns die geistige Zwölfheit als solche, unabhängig vom Sternhimmel, auffassen.

   Im allerhöchsten Grade beachtenswert ist es, wie Rudolf Steiner im Berliner Vortrags-Zyklus "Der menschliche und der kosmische Gedanke" (GA151) von einem in zwölf Haupt-Weltanschauungsrichtungen zum Ausdruck kommenden geistigen Tierkreis spricht: "Wie den Tierkreis scheinbar die Sonne durchläuft, und wie andere Planeten scheinbar den Tierkreis durchlaufen, so ist es der menschlichen Seele möglich, einen Geisteskreis zu durchlaufen, welcher zwölf Weltanschauungsbilder enthält", und es wird dann geradezu der Ausdruck "Geistes-Tierkreisbilder" gebraucht (aaO,3.Vortrag S2). So entspricht z.B. die als "Idealismus"charakterisierte Weltanschauung dem Tierkreisbilde des Widders. Es wird ausdrücklich gesagt, daß diese rein geistig zu erfassende Beziehung mit der in einem individuellen Geburtshoroskop aufzuzeigenden Tierkreis-Konstellation nicht identisch ist, daß es sich nicht um horoskopische Dinge dabei handelt.

   Für diesen geistigen Tierkreis, diese "zwölf Geistes-Tierkreisbilder" sind die am Sternhimmel erglänzenden Tierkreisbilder - die Aufzählung und Erklärung ihrer Namen findet man ME36ff - zunächst nur allenfalls ein Bild oder Gleichnis. Gerade, wenn wir uns mit den Problemen des Evangeliums und seines kosmischen Rhythmus beschäftigen, ist es wichtig, daß wir uns zur Vorstellung eines solchen geistigen Tierkreises in dem von Rudolf Steiner gemeinten Sinn erheben können, daß wir durch die hier immer gebrauchten, dem Sternen-Tierkreis entlehnten Namen der einzelnen "Zeichen" vorerst immer nur eine rein geistige Anschauung uns vermitteln lassen. So erleben wir - das alles ist bei der Darstellung des S13 Markus-Evangeliums ausführlich behandelt worden - in Sämannsgleichnis, Speisung, Abendmahl als Sinn des Jungfrauen-Zeichens (der "Abendmahls-Konstellation") einfach den Empfang eines geistigen Keimes, aber sich steigernd durch drei verschiedene Stufen des großen Rhythmus; in den dabei sich stets anschließenden Bildern von Schiffahrt, Seesturm usw. das "Ringen um das innere Gleichgewicht" als den Sinn des Wage-Zeichens. (Gerade bei der "Wage" kann es nicht schwerfallen, den Sinn dieses Wortes einmal ganz unastronomisch, nur rein-geistig zu verstehen.) Und es kann Eindruck erwecken, wenn stets dem "Empfang des geistigen Keimes" ein solches "Ringen um das Gleichgewicht" folgt, also der geistige Rhythmus uas dem Zeichen der Jungfrau stets offensichtlich hinüberführt in dasjenige der Wage (so wie es ja auch der vom Sternen-Tierkreis her uns vertrauten Reihenfolge und Ordnung entspricht). Für das richtige Bilden und Erfassen der Vorstellung eines "geistigen Tierkreises" wird gerade die Evangelienbetrachtung eine gewisse maßgebende Bedeutung haben. Wir ahnen da, wie der Sinn jener geistigen "Zeichen" nicht nur ein irdisch-menschlicher, sondern ursprünglich ein göttlich-geistiger ist. Vom höchsten aller möglichen Gesichtspunkte läßt uns das Evangelium auf jene "geistige Zwölfheit" (oder "Zwölfheit geistiger Zeichen") hinschauen, es läßt uns an den ursprünglich göttlichen Sinn, an die eigentlichen Ur-Motive jener zwölf Zeichen am unmittelbarsten herankommen. Nicht aus irgendeiner traditionellen "Astrologie" schöpfen wir Belehrung für das geistige Evangelienverständnis, sondern eine - mit bloßer Horoskopie niemals zu verwechselnde - geistige Astrologie empfängt neue Gesichtspunkte durch das christliche Evangelium.

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   Haben wir einmal den geistig-universalen Sinn des hier gemeinten Tierkreis-Rhythmus im Lichte des uralten Weisheitsspruches "Wie oben, so unten" (er kann auch lauten: "Wie unten, so oben") recht verstanden, dann kann uns einleuchten, S13 wie das in allen jenen zeitlich-irdischen Beziehungen sich Offenbarende auch im Kosmischen waltet, wie es letzten Endes seine Offenbarung wirklich auch in den Sternenwelten selber haben muß. Nur müssen wir dabei ganz loskommen von der heute in weiten Kreisen noch herrschenden einseitig-materiellen Vorstellung der Gestirnswelten, ...*


* Nicht eine einzige der im Fortgang der naturwissenschaftlichen Forschung immer wunderbarer und über-materieller, übersinnlicher erscheinenden physikalischen und astronomischen Tatsachen zwingt zu einer solchen materialistischen Vorstellungsweise. Man findet sie viel mehr in gewissen "populären", im Grunde also unwissenden, unwissenschaftlichen Darstellungen,

als in den viel vorsichtigeren, wenn auch noch nicht positiv-spirituellen Erzeugnissen echter Wissenschaft- lichkeit. Sie erscheint, wo sie sich heute noch findet, eigentlich nur als ein undurchschauter Rest eines aus dem vorigen Jahrhundert überkommenen, heute nicht mehr zeitgemäßen Denkens.


...wir müssen uns dann erheben zu einer Vorstellung, der Geist und Leben nicht nur eine sporadische Erscheinung in Mensch, Pflanze und Tier inmitten einer sonst toten Erdenumgebung sind, müssen begreifen, daß Geist und Leben auch im Irdischen, in Mensch, Pflanze und Tier, sich nicht offenbaren könnten, wenn sie nicht auch im Kosmos, das heißt aber: in den Sternenwelten (denen auch unsere Erde angehört) vorhanden wären. Damit aber ist eine geistig-wesenhafte Ansicht des "Tierkreises", der Gestirnwelten überhaupt, im Grunde schon bejaht. Eine unmittelbare Anschauung dieser Tatsache ist nur durch übersinnliches Schauen, durch hellsichtige "Erkenntnis der höheren Welten" (auf dem in Rudolf Steiners Buch zeitgemäß dargestellten Weg) zu gewinnen. Ein Begreifen der Tatsache ist auch ohne hellsichtige Anschauung möglich. Auch ohne daß der Erkenntnisweg selbst beschritten wird - die ganze in dem Buche über Das Markus-Evangelium gegebene Darstellung handelt im Grunde von einem solchen, von dem christlich-johanneischen Erkenntniswege - kann sich heute durch ein aufgeschlossenes Einleben in die Anthroposophie, in Erkenntnisse übersinnlicher Forschung überhaupt ein ahnendes Verständnis für das Lebendige und Geistig-Wesenhafte im Kosmos der Seele erschließen.

   Es ist, um alles dieses zu verstehen, gar nicht nötig, die S15 "Materie" zu "übersehen" oder gering zu schätzen. Wir würden uns damit den eigentlichen Tiefen johanneischer Erkenntnis nur verschließen. Selbst das Wort "Materialismus" braucht gar nicht immer nur im Sinne eines niederen und grobsinnlichen Materialismus verstanden zu werden. In dem schon einmal angeführten Zyklus "Der menschliche und der kosmische Gedanke" (GA146) zeigt Rudolf Steiner, wie "Materialismus" auch als eine von zwölf an sich möglichen und berechtigten Hauptweltanschauungsrichtungen verstanden werden kann, wie der die dem geistigen Tierkreiszeichen des Krebses entsprechende Weltanschauungsrichtung ist. Und in der Schrift "Der kosmische Rhythmus im Markus-Evangelium" (ME246) ist zu zeigen versucht, wie im wirklichen Durchdringen des Geheimnisses der Materie, so, wie es am Kreuze von Golgatha sich vollzieht, ein höherer johanneischer, ein alchimistischer, ein die Erde und Erdenstofflichkeit transsubstanzierender "Materialismus" gefunden werden kann, und wie sich aus diesem Grunde die Johannes-Einweihung im Zeichen des Krebses vollendet. Die fortschreitende Betrachtung des Johannes-Evangeliums wird ergeben, wie wir dort von den Weltenhöhen immer tiefer in die Erdentiefen, vom Sternengeheimnis aus in die Tiefen des Erdengeheimnisses geführt werden.

   Haben wir einmal zu diesem "Geheimnis der Materie", zu dieser Geistoffenbarung in aller sog. Materie, zu dieser johanneischen Erkenntnis der Materie den Zugang gefunden, so besteht weiterhin keine Veranlassung, den Sternhimmel in bloße Abstraktionen aufzulösen. Nur darüber werden wir uns klar sein, daß allerdings auf keinem Gebiete die grobsinnliche Denkungsart unserer Zeit mit ihrer materialistischen Philistrosität so verheerend, so geistvernichtend und Ich-ertötend wirkt, wie auf astronomischem. Ja, auch die Gesundheit des Leibes müßte zuletzt einem solchen alle höhere Geistigkeit, alle innere Harmonie der Seele, alles wahre Menschentum untergrabenden Denken, das sich gewisse allzu irdische und irdisch-materielle Vorstellungen vom Weltall (Sternen-All) bildet, zum Opfer fallen. Die Überwindung des einseitig-materialistischen Denkens ist darum auf keinem Gebiete S16 wichtiger, für den Fortschritt entscheidender*


* Einen eigenartigen und beachtenswerten Weg zur Überwindung des materialistischen Denkens auf astronomischem Gebiet von rein mathematischen Ausgangspunkten aus zeigt das wertvolle und interessante Buch von Dr. Wilhelm Kaiser "Die geometrischen Vorstellungen in der Astronomie" (Basel 1925, Rudolf-Geering-Verlag) besonders demjenigen, der es vermag, in jener Überwindung einer gewissen materiellen Vorstellungsweise nicht beim Außerirdischen stehen zu bleiben, sondern die Konsequenzen auch für das Irdische zu ziehen. Der Gefahr, einer materiell (im

gewöhnlichen Sinne) belassenen Erde einen zur Abstraktion verflüchtigten Sternenkosmos gegenüber-zustellen, wird ein solcher dann entgehen. Erde und Kosmos werden ihm dann wieder geistig wesenhaft, in einem auch vor der Anthroposophie sich rechtfertigenden, spirituell richtigen Sinn vermag ihm die Erde wiederum ein "Stern unter Sternen" zu werden. In diesesm Sinne auch W.J.Stein im Geleitworte seines Buches "Weltgeschichte im Lichte des Heiligen Gral", Bd.S4.



    Es gilt - wie einmal anderwärts gesagt (* in des Verfassers Schrift "Der Ursprung im Lichte", Christus aller Erde Bd.7S20Stuttgart, Verlag der Christengemeinschaft) werden konnte -, hinauszuwachsen über die heutige Vorstellungsweise, die, um die Gestirne zu begreifen, dem Erdenleben entnommene Begriffe und Anschauungen in die Welträume hinausverlegt; wir müssen selbst in ein Sternenbewußtsein hineinwachsen, das nicht mehr das Kosmische am Irdischen mißt, sondern wieder die kosmischen Maßstäbe in das Erdenleben hineinbringt. Dann ahnen wir, wie von den Sternen nicht dieses Irdische, sondern wie kosmisches Leben, kosmische Liebe, kosmisch Wesenhaftes von ihnen uns zustrahlt.

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   Solange wir den Tierkreis-Rhythmus nur im Irdischen, im Jahreskreislauf vor allem, suchten, waren die Gestirnwelten, waren Sonne, Mond und Sterne für uns nur so etwas wie eine große kosmische Uhr. Haben wir einmal die eben charakterisierte, geistlebendige Vorstellung vom Sternenkosmos gewonnen, dann werden wir dabei nicht stehen bleiben, dann wird diese noch immer etwas mechanistische Vorstellung sich uns wandeln und den Übergang suchen in eine andere, lebensvollere, in die Vorstellung einer "geistigen Sternenschrift", so wie Novalis sie im S17 Eingang seiner dichterischen Prosaschrift "Die Lehrlinge zu Sais" andeutet*.


* "Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehen; Figuren, die zu jener großen Chiffren-schrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere,

der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und in sonder-baren Konjunkturen des Zufalls erblickt. In ihnen ahnet man den Schlüssel dieser Wunderschrift, die Sprachlehre derselben..."

Novalis


Wo Geistiges im Weltenwesen wirkt, erschafft es sich die Form, offenbart es sich in der Form, es kann darum auch die Anordnung der Gestirne im Kosmos keine willkürliche sein, sondern sie muß den Sinn und die Harmonie des Weltganzen und aller seiner Teile erkennen lassen. Dieses und nichts anderes besagt der Ausdruck "kosmische Schrift", "Sternenschrift". So offenbart sich das Geistige des Widders, des Stiers, der Zwillinge usw. wirklich in dem entsprechenden Sternbild, d.h. im Bilde der entsprechenden Sterngruppen, und für ältere Zeiten des Menschheitsbewußtseins war noch lebendig-bildhafte Anschauung, was heute wie eine an verflossene Mythologie anknüpfende abstrakte und willkürliche Namengebung sich ausnimmt. "Wie oben, so unten" -: das Geistige des Widders, der Zwillinge, der Wage, des Skorpions, das im Sternbilde wirklich sich offenbart, ist letzten Endes dasselbe, das wir auch in den verschiedentlichen irdischen Offenbarungen (des Jahreslaufs usw.), im irdischen Zeichen erlebten. Der Stier, der Krebs, die Wage, der Schütze usw., sie haben als geistige Wesenheiten (Wesen der höheren Hierarchien) ihren Ausdruck und ihre Offenbarung so gut in den verschiedensten irdischen Beziehungen, wie in der eigentlichen Sternenwelt, in der Welt der Fixsterne.

   An diesem Punkte aber erscheint es zum rechten Verständnis alles Folgenden wichtig, den Gesichtspunkt der irdischen Offenbarung und Auswirkung des "Zeichens" von dem des in den Sternenwelten selbst wesenden Lebendigen wohl auseinanderzuhalten. So finden wir z.B. die Offenbarung der Geistigkeit S18 des Widders im irdischen Jahreslauf heute wie vor Jahrtausenden da, wo mit der Frühlings-Tagundnachtgleiche der lichte Teil des Jahres beginnt*...


* Das ist vom Gesichtspunkt der nördlichen Erdhälfte gesprochen. Auf der südlichen Erdhälfte beginnt dann der Herbst, das wäre dann eigentlich das Zeichen Wage. Mit jedem Zeichen wirkt zugleich das Gegenzeichen -

das hat sich auch in der Darstellung des Markus-Evangeliums immer wieder ergeben -, und auf der südlichen Erdhälfte ist die Betonung von Zeichen und Gegenzeichen umgekehrt.

  

...die Sonne ihre belebende Kraft offenbart. Der Krebs offenbart sich im irdischen Jahreslauf - heute noch wie vor Jahrtausenden - da, wo in der Sommersonnenwende die Sonne wieder rückwärts geht, ihren "Krebsgang antritt", wo (auf der nördlichen Erdhälfte) das Naturleben wieder abnimmt. Ebenso ist (auf der nördlichen Erdhälfte) die Wage das Zeichen der Herbstgleiche: Tage und Nächte sind da vorübergehend wieder gleichlang geworden, sind "in die Wage getreten", und der Steinbock wäre in diesem Sinne das "Zeichen" der Wintersonnenwende. Wollten wir aber heute die diesen "Zeichen" entsprechenden Abschnitte der Sonnenbahn nach den wirklichen Sternbildern bestimmen, so würden wir finden, daß da längst keine Übereinstimmung mehr besteht: das hier (für den irdischen Jahreslauf) gemeinte "Zeichen des Widders" steht heute im wesentlichen schon im Sternbilde der Fische - d.h. es orientiert sich am Himmel an den Fischen (nur wenige Grade des Widderzeichens liegen heute noch im Sternbilde des Widders) -, ebenso orientiert sich das Krebszeichen heute nach dem Sternbilde der Zwillinge, das Wagezeichen liegt ganz im Sternbilde der Jungfrau usw... *


* Dabei spricht auch mit, daß die Sternbilder von ungleicher Größe sind, auch wird ihre Abgrenzung oft verschieden angenommen, und Teile eines Sternbildes ragen in ein anderes hinein, wie z.B. der Stachel des Skorpions in den Schützen; die Zeichen aber werden,

Skorpions in den Schützen, die Zeichen aber werden, dem Gleichmaß des Jahreslaufes entsprechend, alle in gleicher Größe als Zwölftel des Gesamtkreises, also zu 30 Grad angenommen.


..Es handelt sich dabei um die schon in dem Buche über das Markus-Evangelium öfter berührte rückläufige Bewegung des Frühlingspunktes, der im Laufe von etwa 25920 Jahren (Die Zahl wird da und dort etwas verschieden angegeben.) alle Sternbilder des Tierkreises durchläuft. Astronomisch-mathematisch erklärt sich diese Bewegung, S19 diese Veränderung am Sternhimmel aus einer Drehung der Erdachse, die infolgedessen im Laufe dieses großen "Weltenjahres" immer anderen Regionen des Sternenkosmos sich zuwendet. So steht dem Rhythmus des irdischen Jahreslaufes ein anderer, größerer Rhythmus des "großen Weltenjahres" gegenüber, in dem aber die Reihenfolge, in dem die einzelnen Tierkreisbilder von der Sonne durchlaufen werden, eine umgekehrte wie im gewöhnlichen Jahreslauf ist. In der Betrachtung des Johannes-Evangeliums wird sich zeigen, welche Bedeutung dieser "Rhythmus des großen Weltenjahres" gerade für dieses Evangelium hat, während der Rhythmus des Markus-Evangeliums ganz nach dem des irdischen Jahreslaufes orientiert ist. (Klarheit muß bei all dem immer auch darüber bestehen, daß, wenn es heißt, die Sonne oder ein Planet stehe in dem und jenem Zeichen oder Sternbilde, damit nie eine räumliche Beziehung zu Fixsternwelten gemeint ist, sondern immer nur dieses, daß unsere Sonne oder ein Planet unseres Sonnensystems in ihrer scheinbaren Bewegung an dem durch irgendein Sternbild bestimmten Abschnitt des Himmelsbogens gesehen werden.)

   Damit ist also gesagt, daß diejenige Zeit des Jahresrhythmus, in der die Geistigkeit des Widders oder eine andere Tierkreis-Geistigkeit die herrschende ist, heute nicht diejenige ist, in der die Sonne auch an dem von jener Tierkreis-Wesenheit beherrschten Sternbild vorübergeht. Vielmehr sind beide heute schon beträchtlich (schon ungefähr um eine Zeichenlänge, um ein Zwölftel des Ganzen) auseinandergefallen, um diesen ihren Abstand dann immer mehr zu vergrößern, bis sie nach über 20.000 Jahren wieder zusammenfallen werden. Man unterscheidet darum das Zeichen (als einen bestimmten Abschnitt des Jahresrhythmus) von dem Sternbilde, d.h. man ist sich darüber klar, daß man das Zeichen nicht mehr nach dem Sternbilde räumlich orientieren kann, wenn auch die Zeichen und Sternbild beherrschende geistige Wesenheit letzten Endes dieselbe ist (darum auch die Beibehaltung des Sternbild-Namens für das räumlich infolge der Verschiebung des Frühlingspunktes anders orientierte "Zeichen"). Das "Zeichen" weist hin auf irdische Zusammenhänge und Vorgänge, das "Sternbild" weist S20 in die Sternenwelten. Nicht, wie ein Planet zu den Fixsternen, sondern wie er zur Erde steht, drückt seine Stellung in einem bestimmten "Zeichen" aus. So verschieden als Erdenwelt und Sternenwelt, sind Zeichen und Sternbild - was die wechselseitige Beziehung aber keineswegs ausschließt. Nur ist diese Beziehung, die als geistige Beziehung immer bestehen bleibt, heute infolge der Verschiebung des Frühlingpunktes keine unmittelbar-räumliche mehr, und sie wird es in die Zukunft hinein immer weniger sein.

   Für die Probleme des Johannes-Evangeliums ist, wie die weitere Darstellung noch deutlicher zeigen wird, diese Unterscheidung von Zeichen und Sternbild nicht bedeutungslos. Das Problem, das wir hier zunächst als ein rein astronomisches hingestellt haben, wird da allmählich in eine immer mehr geistige Sphäre gerückt werden. Etwas von dieser geistigen Sphäre werden wir zunächst ahnen, wenn wir fragen. Wann war es eigentlich, daß Zeichen und Sternbild, die sich jetzt immer mehr voneinander entfernen, zusammenfielen, wo die "Zeichen" gewissermaßen von den Sternbildern ihre Namen erhalten konnten, die ihnen in der Folgezeit auch dann noch geblieben sind, als infolge der Verschiebung des Frühlingspunktes die unmittelbar-räumliche Beziehung von Zeichen und Sternbild sich nicht mehr bewahrheitete? Die Stunde dieses Zusammenfallens von Zeichen und Sternbild - und zwar handelt es sich bei dem, was jetzt gesagt wird, nicht etwa um irgendeine "geisteswissenschaftliche Mitteilung", sondern um eine rein-astronomische Tatsache - war keine andere als die des Ereignisses von Golgatha. Damals hatte der Frühlingspunkt der Sonne den Widder bis zum letzten Grad durchlaufen und ging hinüber in das Sternbild der Fische*...


* Es gibt wohl Berechnungen, die diesen Zeitpunkt etwa 50 oder 80 Jahre früher ansetzen. Aber dabei ist zu bedenken, daß, wie schon oben bemerkt wurde, die Sternbilder ja ungleich groß, die Zeichen hingegen einander gleich sind, also ein mathematisch präzises Zusammenfallen schon dadurch ausgeschlossen ist, und daß überdies bei der Abgrenzung der einzelnen Sternbilder keine volle Übereinstimmung herrscht, und Teile eines Sternbilds in das andere hereinragen. Auch ist ja schließlich die Rückwärtsbewegung des Frühlings-punktes doch eine sehr langsame, erst in längeren Zeiträumen bemerkbare. Hält man alle diese Tatsachen richtig zusammen, so wird für eine geistige Betrachtung ohne weiteres einleuchten, daß der Übergang des Frühlingspunktes vom Widder in die Fische wirklich so präzis als möglich für die Zeitenwende anzunehmen ist, daß man also die Abgrenzung der Sternbilder einfach

nach der Lage des Frühlingspunktes in dem angegebenen Zeitpunkte wird vorzunehmen haben.

  Im übrigen ist dieser astronomische Übergang des Frühlingspunktes von einem Tierkreiszeichen bzw. Sternbild in das andere zu unterscheiden von der in der anthroposophischen Geschichtsbetrachtung üblichen Berechnung der "Kulturperioden". Nach dieser von Dr.Steiner gegebenen Berechnung vollzieht sich z.B. der Übergang vom Widder-Zeitalter in das Fische-Zeitalter im Jahre 1413: der "Kulturperiode" prägt sich das neue Zeichen erst dann entscheidend auf, wenn astronomisch etwa die Hälfte des betreffenden Zeichens erreicht (oder, wie in diesem Falle, schon bedeutend überschritten) ist. Das Hinschauen auf das Ereignis von Golgatha zeigt zur Genüge, inwiefern doch auh der astronomische Zeichen-Übergang ebenfalls oder erst recht eine geistige Zeitenwende bedeutet.


...Er war damals gerade im Anfang (oder S21 vor dem Anfang) des Fische-Sternbilds, heute ist er schon beinahe am Ende dieses Sternbilds angelangt, um in einer nicht mehr allzufernen Zukunft hinüberzugehen in das Sternbild des Wassermanns. Dann - d.h. unmittelbar vor diesem Hinübergehen des Frühlingspunktes in den Wassermann - wird das Zeichen des Widders mit dem Sternbilde der Fische so vollständig als möglich zusammengefallen sein, ebenso wie im Zeitpunkte von Golgatha, vor dem Hinübergehen des Frühlingspunktes in die Fische, Zeichen und und Sternbild des Widders so vollständig als möglich zusammenfielen. Die Zeit des Erdenwandels Christi war die Zeit des vollständigsten Zusammenfallens von Zeichen und Sternbild. Damals, in jenem Zeitalter (in der "vierten", der "griechisch-lateinischen Kulturperiode" im Sinne der anthroposophischen Geschichtsbetrachtung) erhielten die Erden-Zeichen ihre Namen aus dem Kosmos, von den Sternbildern. Das Geistige des kosmischen Widders hat sich damals dem Erden-Umkreis eingeprägt*...


* Natürlich ist die Bewegung des Frühlingspunktes eine permanente: in der der "griechisch-lateinischen Periode" vorausgehenden altägyptischen Kulturperiode z.B. lag der Frühlingspunkt (das "Widder-Zeichen" in dem hier immer gemeinten Sinn) im Sternbild des Stieres (was mit der ganzen ägyptischen Isis-Venus-Kultur, den Isis-Mysterien, einen tieferen geistigen Zusammenhang hat), in der urpersischen Zeit im Sternbild der Zwillingen der (vorgeschichtlichen) urindischen Zeit im Sternbild des

Krebses, und das noch viel frühere Wiederzusammenfallen von Widder-Zeichen und Widder-Sternbild würde in eine urferne Vergangenheit führen. Doch zeigt ja Rudolf Steiner in dem oben angeführten Leipziger Zyklus gerade, wie in solcher urferner Vergangenheit andere (damals nicht im Physischen verlaufende) Christus-Ereignisse dem (irdisch-historischen) Christus-Ereignis von Palästina vorausgingen.


      Im letzten Vortrag des S22 Leipziger Zyklusses (1913, "Christus und die geistige Welt" GA149), der für alle Probleme einer neuen, durchchristeten Sternenweisheit (Astrologie und Astrosophie) von grundlegender Bedeutung ist, führt Rudolf Steiner mit eigenartigem Nachdruck dreimal ein Wort des Astronomen Kepler, des Entdeckers der berührten "Planetengesetze", an: "Ein gewisses Bild des Tierkreises und des ganzen Firmaments ist von Gott in die Seele der Erde gedrückt." Und Rudolf Steiner faß diese Erkenntnis dann noch einmal zusammen in den Worten: "Und wir wehen es heute, wie dieses Bild des Tierkreises in die Seele der Erde, in die Aura der Erde gedrückt worden ist." Das in die "Aura der Erde" gleichsam festeingedrückte Sternbild wäre das heutige "Zeichen", das die Veränderung der Sternbilder nicht mitmacht, sondern festbleibt. Ist der Vorgang bei dieser "Geburtsstunde des Erden-Ich" - denn dieses ist im Sinne der Geisteswissenschaft die Stunde von Golgatha - dann nicht im großen Maßstabe der gleiche, wie in jeder Geburtsstunde, wo auch, wenn wir Rudolf Steiner in dem Büchlein "Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit (GA15S54) gegebenen Hinweisen folgen, die in jenem Augenblick gegebene Sternen-Konstellation, das Himmelsfirmament der Geburtsstunde in der "Gehirn-Aura" des Kindes sich abprägt, um dann für das ganze Erdenleben als das "Geburtsfirmament" oder "Geburtshoroskop" dieses Menschen stehen zu bleiben?*


* Das Schicksal eines Erdenlebens ist in weitem Maße durch diese Geburtskonstellation bedingt. Dies widerspricht, richtig verstanden, nicht der "menschlichen Freiheit". Was im Horoskop seinen Ausdruck findet, ist einfach das in früheren Erdenleben selbst gewobene, vom Selbst gewobene Schicksal als eine bestimmte Konfiguration und Konstellation "astralischer" Spannungen, Harmonien und Disharmonien, die naturgemäß in hohem Grade schicksaltragend und schicksalbedingend wirken. Was das "Selbst" mit diesem "selbstgewobenen" astralischen Schicksalsgewebe anfängt, ist Sache der Freiheit - soweit eine solche schon errungen ist. Nur das vom Selbst schon vor der Geburt gewirkte Gewebe steht in dem Horoskop, nicht das Selbst, das dieses alles gewoben hat; noch weniger, was das Selbst weiterhin aus diesem Gewebe machen wird. Indisch-budhhistisch könnte man sagen: Nicht der "Haus-Erbauer" steht im Geburtshoroskop, sondern nur das Haus, das er sich

erbaut hat, astrologisch-technisch gesprochen: die be- stimmte Häuserkonstellation und Häuserkonfiguration, die das Geburtsfirmament aufzeigt. Daß für alles, was der frühere Hauserbauer und jetzige Hauseigner im Hause vornimmt, die Lage, Beschaffenheit und Einrichtung dieses Hauses selbst in weitgehendem Maße bestimmend ist, wird jedermann einleuchten, ebenso, daß die "Freiheit" des Hauseigners, zu tun, was er will, als solche durch dieses Haus nicht beeinträchtigt wird. Nur ist es eben selbstverständlich, daß jede "Freiheit" sich immer nur innerhalb der durch irgendeine Situation gegebenen Grenzen auswirken kann. Es gibt sehr ungeschickt gebaute, beengende Häuser, die irgeindeine vorgenommene Berufs- oder sonstige Betätigung sehr erschweren, während ein günstig gelegenes, geschickt erbautes, gut eingerichtetes und gut nach den Himmelsrichtungen orientiertes Haus die freie Entfaltung des Hausbesitzers aufs höchste begünstigt und fördert.


* Dort, wie an einer bedeutsamen S23 Stelle des Zyklus "Der Mensch im Lichte von Okkultismus, Theosophie und Philosophie" (GA137), erklärt Rudolf Steiner das Prinzip der Astrologie aus der Tatsache, daß der Mensch herausgeboren ist aus der ganzen Welt, daß er ein Extrakt des ganzen Weltalls ist. Nicht als "festes Dogma", sondern nur als Anregung für das eigene Denken soll alles dieses zunächst hier ausgesprochen werden, und weil uns in der fortschreitenden Darstellung gerade die Betrachtung des Johannes-Evangeliums immer wieder auf diese Probleme hinführen wird.

   Jedenfalls könnte nach dem Dargelegten einleuchten, daß gerade in dieser hier immer mit Nachdruck betonten Unterscheidung von Zeichen und Sternbild, wie sie für alle Praxis auf diesen Gebieten immer etwas Selbstverständliches war und ist, eine Christus-Tatsache S24 allerbedeutsamster Art, eine Tatsache des "Mysteriums von Golgatha" ihren Ausdruck findet*.


* Auch der Begründer der anthroposophischen Bewegung hat, wie alle wissenschaftlich-astronomische und alle auf Erfahrung sich stützende astrologische Praxis, bei einem sehr entscheidenden, menschheitsbedeutenden Anlaß, nämlich der Grundsteinlegung des ersten Goetheanums am 20. September 1913, "da Merkur als Abendstern in der Wage stand", das Zeichen und nicht das Sternbild berücksichtigt. Merkur, und zwar der astronomische Merkur, war im Laufe dieses Tages eben in das Wage-

zeichen eingetreten, und stand am Sternen-Mittag 0 Grad 9'Wage, also, auf das Sternbild hin umgerechnet, im Sternbilde der Jungfrau. Der okkulte" Merkur" andrerseits, d.h. die astronomische Venus (der Sinn dieser Ausdrucksweise wird später noch erklärt werden), stand im Zeichen des Löwen 22 Grad 35', also, wenn man diese Tatsache und zugleich die große Ausdehnung des Löwen-Sternbildes berücksichtigt, auch in diesem Sternbild.


***

   Wir hätten also, alles dieses vorausgesetzt, einen Erden-Tierkreis der Zeichen, und einen eigentlichen Sternen-Tierkreis, einen Tierkreis der Sternbilder, als zwei verschiedene Offenbarungen eines und desselben Geistigen - darum auch die ganz berechtigte Gleichheit der Namen - zu unterscheiden. Beim einen, dem Erden-Tierkreis der Zeichen, sind wir eigentlich nur im rhythmischen Umkreis der Erde, in der "Aura" der Erde, in jener Sphäre, in der vor allem das Jahreserleben - und das ihm folgende kultische Erleben - sich abspielt*.


* Das indisch-vedische Wort Rta (spr. etwa Rita, vgl. lateinisch ritus) bezeichnet den kosmischen Rhythmus im Lauf der Gestirne, im Geschehen der Jahreszeit wie auch in dem (auf jener kosmischen Gesetzlichkeit sich

aufbauenden) Kultus des Opferrituals. Vgl. dazu den erwähnten Aufsatz in der Zeitschrift "Die Christengemeinschaft" VI,IIS334).


   Erst beim Tierkreis der Sternbilder sind wir in der eigentlichen Sternenwelt. (Das beiden gemeinsame "Geistige des Tierkreises" offenbart sich eben im Irdischen wie in der Sternenwelt.) Gehen wir von der anthroposophischen Viergliederung des Menschenwesens aus, so erfühlen wir im Physischen die Beziehung zur Erdenfeste, zur mineralischen Erde, im Ätherischen die Beziehung zum rhythmischen Umkreis der Erde, zur Erden-Aura (zu jener Sphäre also, wo auch der "Tierkreis der Zeichen" zu denken ist). Im Astralischen erfühlen wir die Beziehung zur S25 Planetenwelt, zur näheren Sternenwelt unseres Sonnensystems; im Ich die Beziehung zum gesamten Sternenkosmos, zur Welt der Fixsterne als der eigentlichen "Sternenwelt". Das ist dann jene Welt, der auch der "Tierkreis der Sternbilder", der eigentliche Sternen-Tierkreis angehört.

   Schauen wir von dem hier erreichten Punkt noch einmal auf die Darstellung des Markus-Evangeliums zurück, so werden wir finden, daß wir den dortigen Tierkreis uns zunächst gar nicht als "Sternen-Tierkreis" vorzustellen haben. Die Sphäre des Markus-Evangeliums ist im Grunde der Erden-Tierkreis, die rhythmische Erden-Aura, jene Sphäre also, in der wir auch im Jahreserleben und im Kultus stehen (darum ist die Reihenfolge der Zeichen dort auch die der jährlichen Sonnenbahn und dem Jahresgeschehen entsprechende). Erst das Johannes-Evangelium (dessen Element das "Ich" ist, wie das Element des Markus-Evangeliums das "Ätherische") erhebt uns in die eigentlichen Sternen-Sphären - um uns dann von diesen Weltenhöhen immer tiefer und entscheidender in die Geheimnisse der Erdentiefen hinunterzuführen. Reichte für das Verständnis des Markus-Evangeliums in einer gewissen Weise noch das Hinschauen auf den Erden-Tierkreis der Zeichen aus, so werden wir beim Johannes-Evangelium immer mehr vom Erden-Tierkreis auf den Sternen-Tierkreis, auf das zwischen Zeichen und Sternbild liegende Geheimnis hingeführt.

   Können wir in diesem Sinne das Geistige des Markus-Evangeliums im wesentlichen schon aus dem Jahres-Geschehen, dem Jahres-Rhythmus, aus dem Tierkreis der Zeichen also begreifen, so spricht dabei immerhin die Tatsache mit, daß die dort geschilderten Erlebnisse des dreifachen Rhythmus, des dreimaligen Rundgangs der Sonne durch die zwölf Zeichen, uns ja doch auf die "drei Jahre des Christus-Erdenlebens", auf jene Zeit also führen, wo Zeichen und Sternbild am vollständigsten zusammenfielen, wo das Kosmische des Sternen-Tierkreises sich in der Erden-Aura, im Erden-Tierkreise abprägte. Insofern also steht hinter dem Erden-Tierkreis (Zeichen-Tierkreis) des Markus-Evangeliums doch auch wieder der Sternen-Tierkreis, der Tierkreis der Sternbilder. Darum konnte und durfte in der S26 damaligen Darstellung an markanten Stellen (z.B. ME149,349) auf die Sternbilder, auf den wirklichen Anblick des Sternhimmels dennoch hingewiesen werden.

   Da der für das Markus-Evangelium gefundene kosmische Rhythmus der Tierkreiszeichen hier als wichtiger Schlüssel auch für die Probleme des Johannes-Evangeliums dient (wenn auch die Anwendung dieses Schlüssels dort zu einem ganz andersartigen Rhythmus führt), erscheint es im Beginne der Betrachtung geboten, in einem kurzen zusammenfassenden Rückblick jenen rhythmischen Aufbau des Markus-Evangeliums und den daraus erhellenden, für alle weitere Darstellung wichtigen Evangelien-Sinn der einzelnen Tierkreisbilder noch einmal ins Gedächtnis zu rufen (Dieses zugleich auch mit Rücksicht auf diejenigen Leser, die mit dem Inhalte des 1.Teiles dieser Schrift etwa noch nicht vertraut sind). Im zweiten Kapitel wird diesem kosmisch-rhythmischen Gesichtspunkte der Tierkreiszeichen ein neuer, planetarischer hinzugefügt werden, der dann für die kosmischen Zusammenhänge und Sternengeheimnisse des Johannes-Evangeliums als ein weiterer Schlüssel sich erweisen wird.

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A. Erster Abschnitt

Sternengeheimnis:

Die kosmischen Ausgangspunkte für die Betrachtung des Johannes-Evangeliums


1. Der Tierkreis im kosmischen Rhythmus des Markus-Evangeliums (Rückblick S29)


S29   In dem früher für das Markus-Evangelium gefundenen, auch für die Zusammenhänge des Johannes-Evangeliums als Schlüssel wichtigen kosmischen Rhythmus der Tierkreiszeichen - der dort in drei großen Runden oder "Oktaven" verläuft - geht dem Christusgeschehen im Zeichen der Fische immer wie ein Auftakt voraus das Geheimnis des Engels, der dem Christusgeschehen auf Erden die Wege bereitet ("Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, der da bereite meinen Weg vor dir"), das Engelgeheimnis Johannes des Täufers (der "Elias-Johannes-Wesenheit") als des Vorbereiters des Christuswerkes auf Erden. Zu diesem "Elias-Johannes-Auftakt" gehören im kosmischen Rhythmus immer die beiden Tierkreiszeichen Steinbock und Wassermann. Mit dem Steinbock, der in alter Astrologie die "himmlische Wüste" genannt wird, verbindet sich im Markus-Evangelium das Motiv des "Predigers in der Wüste" (wie Luther übersetzt), des "Rufenden in der Einsamkeit" (denn "Wüste" ist, außer derjenigen des Ostjordanlandes, auch die Seeleneinsamkeit des Täufers, in der er der Begegnung mit dem himmlischen Ich entgegenlebt). Mit dem Wassermann verbindet sich dann das Motiv der Wassertaufe des Johannes. Es wurde in der früheren Darstellung gezeigt, wie die den einzelnen Tierkreisbildern sich zuordnenden Motive sich überall mit bestimmten Evangelien-Worten verbinden. So gehören zum Steinbock die Worte "Ändert den Sinn!" (von Luther "tut Buße" übersetzt), die, in einer spätern Runde, abermal, im Steinbock-Zeichen wiederkehrend, im Munde der Jünger erscheinen (in S30 denen die Elias-Johanneswesenheit sich jetzt zu offenbaren beginnt, Mark.6,12, dazu ME136). Der Steinbock - dem an der menschlichen Gestalt Knie und Ellenbogen zugehören - ist auf der einen Seite das Zeichen der Eigenwilligkeit, des finstern Eigensinns: so in der Geschichte von Herodes und Herodias. In der "Sinnesänderung", wenn die Knie sich zum Gebet beugen, offenbart sich dann die andere Seite dieses Wesens und Zeichens als Ehrfurcht vor dem Göttlichen.

   In allen drei "Runden" oder "Oktaven" sind diese Zeichen Steinbock und Wassermann mit dem Opfer Johannes des Täufers (der Elias-Johannes-Wesenheit) verbunden. Ein solches Opfer liegt schon in der Wesenshingabe des Täufers an Christus in der Jordantaufe; es liegt weiterhin - in der zweiten Runde - in dem Opfertode des Johannes, der den Jüngern dann ermöglicht, mit neuen Kräften aus der geistigen Welt heraus zu wirken (Mark.6). Eine neue Stufe der Hingabe der Elias-Johannes-Wesenheit an das Christusgeschehen und den von da ab dieses Christusgeschehen immer mehr tragenden Johannes-Jünger offenbart sich dann in der 3. Runde (damit zugleich auf der dritten, der Intuitions-Stufe) in der Verklärung (ME189,196ff). In der schon über die "dritte Oktav" hinaus in das Auferstehungsgeschehen führenden Geschichte von Golgatha wird das Wendezeichen Steinbock zum Zeichen der Weltenwende. Der Wassermann, in der ersten Oktav noch das Zeichen der Wassertaufe des Johannes, steht in der zweiten, wo die Tiefen des Wassers und des Ätherischen schon zu den Tiefen des Erdengrabes geworden sind, für die Grablegung des Johannes (auch in der dritten Oktav, beim Elias-Geschehen der Verklärung, klingen hier Todesgeheimnisse an), und im Übergange zur Auferstehung ist der Wassermann das Zeichen für die Grablegung des Christus selber geworden.

   Steinbock und Wassermann sind zwei "dunkle", dem untern, dunkeln Teile des Tierkreises angehörige Zeichen. Auch die Fische gehören als ein "nächtliches Zeichen" noch dem Kreisbogen der fünf unteren, dunkeln Tierkreisbilder an (auf die sich, wie in ME gezeigt, die "fünf Brote" der einen Speisung beziehen), wenn sich in ihnen S31  auch schon der Übergang zum oberen, hellen Teile des Tierkreises, zu den sieben hellen Tierkreisbildern vollzieht (S.Fig. 1 im Anhang.) Wie Oberes und Unteres, Sommer und Winter, Tag und Nacht, berühren sich Himmel und Erde im Tierkreiszeichen der Fische. Sie waren das Zeichen, in dem die Sonne am Himmel stand, als in kosmischer Urvergangenheit Sonne und Erde sich trennten, sie sind das Zeichen, in dem bei der Jordantaufe im Herniederstieg des Christus geistiges Sonnenleben sich wiederum mit dem Irdischen verbindet. (Es soll damit nur ausgedrückt sein, wie das Zeichen der Fische geistig über jenen Vorgängen am Jordan steht, ohne daß über das Äußere der Sternenkonstellation, über den Jahreszeitpunkt, in dem die fraglichen Vorgänge zu denken sind, etwas ausgesagt wird, wenn schon auch hier Beziehungen möglich sind.) In der zweiten Oktav verbindet sich das nächtliche Zeichen der Fische mit dem Geheimnis der einen, im sechsten Markus-Kapitel erzählten "nächtlichen" (d.h. als "Nachterlebnis", als Meditations-Erlebnis zu denkenden) Speisung. Darin liegt eine neue Stufe, eine neue Offenbarung des Christus-Erdengeschehens, des himmlischen "Gralsgeschehens". Die nächsthöhere Stufe verwirklicht sich in der dritten Oktav in der Verklärung des Christus, wo das, zuerst bei der Jordantaufe vernommene "Wort vom Sonnen-Sohn" (dort: "Du bist mein lieber Sohn...", hier: "Das ist mein lieber Sohn...") wieder erscheint, wo schon das wirkliche Hineinsterben des Christus ins Irdische beginnt. Zuletzt erscheinen die Fische dann noch einmal am Auferstehungs-Morgen.

   Im Widder, im Zeichen der beginnenden Aktivität, vollzieht sich, nachdem in den Fischen die erste Berührung mit dem Irdischen stattgefunden hat, der Eintritt des Christus in das aktive Erdenwirken. Hier erfolgt schon im ersten Markus-Kapitel die für dieses Evangelium so charakteristische Heilung der Besessenen. Beim Wiedererscheinen des Widders in der dritten Oktav finden wir die mit der Verklärungsgeschichte so bedeutsam verwobene "Heilung des besessenen Knaben", den die Jünger nicht heilen können, der von Christus dann geheilt wird, im 9. Kapitel. Dort erscheinen auch die für den Sinn S32 des Widder-Zeichens im Evangelium so bezeichnenden Worte des Aufstehens und Aufrichtens ("und er er richtete ihn auf; und er stand auf", Mark.9,27). Die einzige Besessenen-Heilung im Markus-Evangelium, die nicht im Zeichen des Widders steht (weil es sich da um ein mehr geistiges Geschehen handelt, für das die Besessenen-Heilung nur Bild ist), die des fünften Markus-Kapitels, steht im Zeichen der Wage, also nicht in einem beliebigen andern, sondern in dem mit ihm geistig verbundenen Gegenzeichen des Widders (im Johannes-Evangelium gewinnt diese, schon im Markus-Evangelium überall zu beobachtende Beziehung von Zeichen und Gegenzeichen eine erhöhte Bedeutung). Wie die Fische dem Christus-Kreuz oder "Sohnes-Kreuz", dem "Kreuze des Ätherischen" (ME AnhangS351ff), gehört der Widder dem Vater-Kreuz, dem "Kreuze des Physischen" an*.

Tierkreis

3 Kreuze - grün, blau, rot - Vater, Sohn, Heiliger Geist


* Die auf der indischen Theosophie fußende astrologische Forschungsrichtung nennt die "drei Kreuze" im Tierkreis mit Ausdrücken der indischen Sankhya-Philosophie das Rajas-Kreuz (spr. Radschas), das Sattva-Kreuz, das Tamas-Kreuz. Daß die hier wie in ME gebrauchte christliche Ausdrucksweise auch dem

Geiste der indischen Urweisheit nicht widerspricht, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Inder selbst die Dreiheit der "Gunas" Rajas, Sattva, Tamas auch in Verbindung bringen mit ihrer göttlichen Dreiheit Brahma, Wischnu, Schiwa, die der christlichen Dreiheit von Vater- Sohn und Geist entspricht.


In diesem Sinne bezeichnet der Widder in der zweiten Oktav das Erreichen des Festlands nach dem Seesturm (Mark.6 am Ende). Wie dieser zugleich ein Bild des Seelensturms, der innern Krisis, ist jenes "Erreichen de Festlands" zugleich das Bild für das sichere Herüberbringen der geistigen Nachterlebnisse an das Ufer des Tagesbewußtseins. Auch bei den Besessenen-Heilungen im Widder ist dieser Gesichtspunkt des Hineinstellens jener bewußtseinsgestörten Kranken in das normale Tagesbewußtsein, in das normale Kräftesystem des Physischen entscheidend.

   Wie die Fische dem "Kreuze des Ätherischen", der Widder dem "Kreuze des Physischen", gehört der ihm folgende Stier dem "Kreuze des Astralischen", dem "Kreuz des Geistes" an. Im Sinne der indischen Theosophie wäre dieses das Kreuz S33 des todbringenden und heilenden Rudra-Schiwa. In der einen Achse dieses Kreuzes (die andere wird durch das schon berührte Wassermann-Zeichen mit demjenigen des Löwen gebildet) finden wir den Stier, die Kraft des heilenden Wortes (an der Menschengestalt ist dem Stierzeichen das Sprachorgan, der Kehlkopf zugeordnet), in seiner Opposition das Todeszeichen Skorpion (Skorpion das Zeichen der Todes-Ursache, Schütze des sich vollendenden Todes). Das Geheimnis von Gesundheit und Krankheit, Leben und Tod kommt in dieser Achse des Tierkreises zum Ausdruck. Dementsprechend finden wir hier im Evangelium schon in der ersten, wie dann auch in den folgenden Oktaven die Offenbarung der im Worte wirkenden heilenden göttlichen Kraft, die Krankenheilungen des Christus, die dann, wenn sie am Sabbat stattfinden, die Ursache werden zu jener in der Evangelien-Erzählung immer wiederkehrenden Auseinandersetzung des Christus mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Der heilenden Kraft des lebendigen, göttlichen Wortes - so können wir das Wesen jener Auseinandersetzungen fassen - stellt sich in dieser Konstellation entgegen die erstarrte und erstorbene Satzung des jüdischen Pharisäertums, die der lebendigen Offenbarung des einstmals von Moses aus den Höhen des Göttlichen empfangenen Sinai-Wortes den Tod gegeben hat. Lebensmacht und Todesmacht - so können wir auch sagen -, die im Worte wirkende heilende göttliche Lebensmacht und Liebesmacht auf der einen Seite, die am Toten, Vergangenen, an dem zur Erstarrung gebrachten Vaterprinzip festhaltende, der lebendigen Liebeskraft des Sohnes sich widersetzende Macht auf der anderen Seite stehen sich hier gegenüber. Wie zu anderen Zeichen, zu anderen Motiven des Evangelien-Rhythmus andere Evangelien-Worte, so gehört zum Stier einfach das Wort "Wort" (z.B. Mark.2,2). Wie auf der zweiten Stufe des Rhythmus das Wort zur Inspiration der Jünger wird, offenbart im Bilde der Taubstummen-Heilung der Schluß des ganz von der Wesenheit des Stierzeichens beherrschten 7. Markus-Kapitels. Auch alle andern Episoden dieses Kapitels, vor allem das zunächst rätselhaft anmutende Verhalten des Christus gegenüber der Frau aus Syrophönizien (V.25ff,ME160ff) S34 werden aus dem Wort-Motive des Stierzeichens verständlich. - Die ganzen johanneischen Tiefen des "Wortes" eröffnen sich auf der dritten, der Intuitionsstufe, wo das von der Menschheit im Sündenfall verlorene, auch den Jüngern in ihrer Initiation wiederum entglittene Wort zuletzt auf den werdenden Johannes, als den einzigen zur Christus-Initiation hindurchdringenden Jünger übergeht (Mark.9,31-10,31). Alle Prüfungen und Krisen, die er noch zu bestehen hat, stehen unter dem Stierzeichen des Wortes (ME209ff). In seiner Einweihung verbindet sich da Johannes ganz mit dem göttlichen Schöpferworte des Christus. Der Eingang des Johannes-Evangeliums: "Im Urbeginne war das Wort..." verdankt jenem Sichvermählen mit der Wesenheit des göttlichen Wortes die innere Vollmacht. In diesem Sinne steht dann auch über dem Eingang des Johannes-Evangeliums das Wortzeichen des Stieres.

   Auf den Stier folgt im Rhythmus der Tierkreisbilder das Höhenzeichen der Zwillinge. In jener im Anhang (zuerst ME375) gegebenen Darstellung des Tierkreises, die das Zeichen der Fische wie den Aufgang des Christus-Geschehens (den "himmlischen Aszendenten") erkennen läßt, bilden die Zwillinge die Himmelsmitte (Medium coeli), die sie im geistigen Sinne ja auch wirklich sind. Wie man (um es wirklich im Sternbilde anzuschauen) die in den "himmlischen Zwillingen" (Kastor und Pollux) kulminierende, in Winternächten über Sirius-Orion sich emporwölbende Region des Tierkreises als den "heiligen Berg des Himmels" bezeichnet hat, so sind im Evangelium die Zwillinge das Zeichen des heiligen Berges der Inspiration und der Intuition. Da wo sie zum erstenmal erscheinen, gehören im Markus-Evangelium dazu die Worte "Und er ging auf den Berg und ordnete die Zwölfe" (Mark. 3,13f). Wo in der zweiten Stufe des Motiv wieder erscheinen sollte, finden wir die entsprechenden Worte an der Parallelstelle des Matthäus-Evangeliums (15,29). In einem besonderen Sinne erscheinen im Zusammenhang der fraglichen Stellen im Markus-Evangelium als die "himmlischen Zwillinge" die beiden "Zebedäussöhne" S35 Jakobus und Johannes. Wir haben bei diesen "Zebedäussöhnen" nicht an die irdische, sondern an die Mysterien-Persönlichkeit der beiden Jünger zu denken. (Über die Mysterien-Persönlichkeit insbesondere des Johannes in ihrem Verhältnis zur irdischen Persönlichkeit vgl. ME45ff,223ff,279ff ua). Das tritt besonder auf der dritten Stufe des Rhythmus zutage, wo sich die "Söhne des Zebedäus" mit ihrer geheimnisvollen Bitte an Christus wenden (Mark. 10,35ff, dazu ME234ff, wo zu zeigen versucht wird, wie ein Mysterien-Erlebnis des Johannes dem allem zugrunde liegt).

   Dem Höhen-Zeichen der Zwillinge folgt das Abstiegs- und Wendezeichen des Krebses. In ihm sind wir von dem Christus-Sohnes-Kreuz des Ätherischen, dem die Zwillinge angehören, wieder eingetreten in das Erden-Kreuz des Physischen. Abstieg von der geistigen Bergeshöhe nach den Menschheitstiefen, den Niederungen der Menschheitskrankheit, der Menschheitsblindheit und der Menschheitsfinsternis ist im Markus-Evangelium der Sinn dieses Zeichens, dem sich Worte des Abstiegs und Niederstiegs dementsprechend zuordnen, so im 3.Kapitel (V20) die Worte: "und sie kamen zuhause" (es folgt da bald jene für den Krebs charakteristische Begegnung mit Mutter und Sippe, wo der Engigkeit der Blutsbande die umfassende Menschenliebe des Christus gegenübersteht). In der dritten Oktav (Mark.10,46) erscheint das Motiv des Abstiegs im Bilde des Abstiegs vom Hochlande nach der Tiefe von Jericho, wo dann jene das Wesen der Menschheitsblindheit verdeutlichende Blindenheilung erfolgt (ME243). Im Zeichen des Krebses vollendet sich da die Einweihung des Johannes, der darin zum Überwinder des Krebses, dh. des Negativen dieses Zeichens wird. Verwandlung der Materie, Transsubstantiation wird da der höhere, johanneische Sinn dieses Zeichens. Im Sterben des Alten, Vergangenen offenbart sich das Werden des Zukunfttragenden, im Zerfall der Materie das Auferstehen des Geistigen. Vom bloßen Abstiegs- und Niederstiegszeichen wird da der Krebs zum Zeichen der Geisteswende (man beachte die Opposition zum Steinbock, dem andern "Wendezeichen": wie mit dem Steinbock das Geheimnis der alten, vorchristlichen, S36 ist mit dem Krebs dasjenige der neuen, der christlichen Einweihung verbunden). Diesen höheren, johanneischen Sinn des Krebszeichens offenbaren dann im Johannes-Evangelium die Worte "Er muß wachsen; ich aber muß abnehmen", die auch dort einem im Zeichen des Krebses zu denkenden Abschnitt (Joh.3,30) angehören.

   Der Löwe, der das Ganze des Markus-Evangeliums und seines kosmischen Rhythmus in erster Linier beherrscht, hat dort nicht, wie die andern Zeichen, bestimmte ihm äußerlich zugeordnete Abschnitte, sondern steht als das Zeichen der höchsten Überwindung, des Königtums im Ich und damit auch der alchimistischen Verwandlung, der Umwandlung des Physischen durch das Feuer des Geistigen bis in die Blutstiefen hinein mehr im geistigen Hintergrunde. Es gehört der Löwe bei Markus in einem gewissen Sinne mehr dem Zentrum als der Peripherie des Kreises an. Doch erscheint das Motiv dieses die Opposition zum Wassermann bildenden Zeichens mit aller Deutlichkeit in den Evangelienworten: "Ich taufe euch mit Wasser; aber Er wird euch mit dem heiligen Geist taufen" (Mark. 1,8; bei Matth. 3,11: "wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen").

   Die Jungfrau, das am meisten ätherische aller Zeichen, bildet mit dem gegenüberstehenden, mit ihr dem Christus-Sohnes-Kreuz der Mitte angehörigen Zeichen der Fisch jene für das Christusgeschehen im Evangelium so bedeutsame "Abendmahls-Konstellation". Schon in den alten Mysterien die Trägerin des "Lebensbrotes", der Kräfte des kosmischen Lebensäthers, wird sie es in einem neuen Sinne wiederum durch die Ich-Kraft des Christus (vgl. das johanneische: "Ich bin das Brot des Lebens"). Das Verhältnis der drei Stufen (Runden, Oktaven) des kosmischen Rhythmus ist hier ein besonders deutliches und anschauliches: auf der ersten, der Imaginations-Stufe erscheint das Geheimnis des kosmischen Abendmahlsgeschehens (der Zukunftsentwicklung von Erde und Menschheit, des "Himmelreichs") noch wie im Keime in den Bildern von Sämann und Samenkorn (Mark.4), auf der zweiten, der S37 Inspirationsstufe ist das damals im Bild und Keime Empfangene den Jüngern schon zu einer aktiven Seelenkraft geworden, die ihnen ermöglicht, vom Nehmen zum Geben fortzuschreiten, das Lebensbrot so, wie es sich dann in der "Speisung der Viertausend" (Mark.8) vollzieht, der darbenden Menschheit darzureichen. (In dem Evangelienbilde von Brot und Fischen bei beiden Speisungsgeschichten - die erste, die Nacht-Speisung im 6. Kapitel, die der 5000, steht im nächtlichen Zeichen der Fische, die andere, als Tagerlebnis zu denkende, im hellen Tages-Zeichen der Jungfrau - wird die Konstellation Jungfrau-Fische besonders anschaulich.) Auf der dritten, der Intuitionsstufe offenbart sich der Sinn des Jungfrauen-Zeichens dann im Christus-Abendmahle selbst (Mark.14); als die gleichsam verkörperte Jungfrau erscheint da Maria Magdalena (den Namen nennt nur das Johannes-Evangelium), die dem Christus Jesus die Füße (bei Markus das Haupt) salbt.

   Das Gleichgewichts-Zeichen der Wage, das, selbst noch im Hellen stehend, den Übergang aus dem oberen hellen in den unteren dunkeln Teil des Tierkreises vermittelt, erscheint im Evangelium überall da, wo wir in den Bildern vom Seesturm und Seelensturm das Ringen um das innere Gleichgewicht finden. (Bei der primär dem Widder zugeordneten Seesturm-Episode des 6. Markus-Kapitels ist die Wage als Gegenzeichen stark mitbetont.) Bedeutsam ertönt in diesem Zusammenhang das Ich bin des Christus (Mark.6,50, vgl. Jh.6,20). Auch im Johannes-Evangelium erscheint das große Ich, das Ich-bin des Christus überall als das Motiv der Wage. Vom Seesturm des ersten Wage-Erlebnisses (Mark.4,35ff) sind auf der zweiten Stufe (Mark.8) die Jünger zur ruhigen Seefahrt fortgeschritten. Doch erscheinen da schon wie fernes Wetterleuchten die Anzeichen neuer Seelenschwierigkeiten und Krisen, in die das Todeszeichen des Skorpions bereits seine düstern Schatten hereinwirft (ME175ff). - Auf der dritten Stufe der Wage - Gethsemane - sehen wir den von den Jüngern verlassenen Christus selbst in bängster Weltenstunde um das innere, geistig-physische Gleichgewicht, um die Möglichkeit, sich zur Vollbringung des Mysteriums von Golgatha in dem von vorzeitiger S38 Auflösung bedrohten Erdenleib zu halten, ringen,...*


* Denn vom Abendmahle an ist der Christus Jesus im Grunde schon ein Sterbender, in Gethsemane schon ein in voller Agonie Ringender: ein Sterbender muß alle

Himmelskräfte in Bewegung setzen, um den Kreuzestod noch zu "erleben", sich bis zum Martyrium des Kreuzes lebend im Erdenleibe zu erhalten.


sehen wir ihn die ins Wanken und Erzittern geratene Weltenwage ins Gleichgewicht bringen, und finstersten Widersachermächten den allen Fortgang der Erdenentwicklung ermöglichenden Sieg des innern Gleichgewichts abgewinnen.

   Die Wage führt im kosmischen Rhythmus der Tierkreiszeichen hinüber in dasjenige Zeichen, das als "Todeszeichen" in der ganzen Initiations-Geschichte des Markus-Evangeliums, in der christlich-johanneischen Einweihung überhaupt eine vor allen anderen ernste und kritische Bedeutung hat. Geheimnisse der Lebensquelle, des "Sonnen-Adlers", der erst durch den Sündenfall des Menschen zu dem den Todesstachel tragenden Skorpion geworden ist, sind in diesem Zeichen verborgen. Schon die (noch unter der Wage zu denkende) Besessenen-Geschichte im 5. Markus-Kapitel läßt die kritische Nähe, das Hereinwirken des todbringenden Zeichens und seiner Dämonie deutlich verspüren. In seiner Opposition zum Stier kommt die auch physiologisch zwischen den menschlichen Sprachkräften und den Sexualkräften obwaltende Beziehung zum Ausdruck. Beide Zeichen gehören sinnvoll dem "Kreuze des Astralischen" an; wie im Wortzeichen des Stieres die Heilung, die heilende Kraft des lebendigen Wortes, offenbart sich im Skorpion die Todesmacht, die auch die Ursache der Krankheit ist. Die beiden im 6. Markus-Kapitel erzählten, unter sich in einem Zusammenhang der Natur-Sympathie stehenden Krankheitsfälle, von denen der zweite, der Fall der Jairustochter, bis hart an die Todesgrenze geführt hat, weisen deutlich auf das vom Skorpion physiologisch beherrschte Gebiet hin (ME121). In der Initiationsgeschichte der Jünger ist der Skorpion die bewußtseinsverdunkelnde Macht, durch die die Einweihung in ihre Krisis gebracht wird. Schon die, wiederum mit der Seelensturm-Geschichte im 4. Kapitel innerlich zusammenhängende S39 Besessenen-Geschichte im 5. Kapitel, läßt, wenn wir sie als Bild für geistige Vorgänge nehmen, etwas von dieser Krisis ahnen, die in der zweiten Runde, in der Bewußtseinsverdunkelung des Petrus in Cäsarea Philippi unmittelbar nach seinem Christus-Bekenntnis (ME180ff) zuerst voll zum Ausdruck kommt, und dann im 9. Kapitel im Unvermögen der Jünger, den besessenen Knaben zu heilen, vollends offenbar wird. Ihren Höhepunkt erreicht sie dann in der dritten Runde im Verrate des Judas, in der Verleugnung des Petrus, in der Flucht der Jünger in Gethsemane (Mark. 14,50). Wie Judas und Petrus, steht auch Pontius Pilatus unter dem Negativen dieses Zeichens: Judentum und Römertum offenbaren in ihrem Verhalten zu Christus die Todesmacht des Skorpions. Nur Johannes verwirklicht in der Überwindung der Todesmacht das Ziel der christlichen Einweihung, imaginativ gesprochen: er verwandelt den Skorpion wiederum in den Sonnen-Adler (dem er als Evangelist darum schon in altkirchlichen Darstellungen zugeordnet wird). In dieser Überwindung und Verwandlung gewinnt er die verlorene Jungfräulichkeit des Menschenwesens zurück. Darum erscheint innerhalb des Tierkreises vor allem die Jungfrau als das Zeichen des Johannes. Schon in der ersten Runde kann gesehen werden, wie diese Tatsache sich offenbart in der Erweckung der Jairustochter, wo im Beisein der drei Jünger, im wachen Miterleben vor allem des Johannes, der Christus die Worte spricht: "Mägdlein (Jungfrau), ich sage dir: stehe auf!" Auch hier vollzieht sich in dem, was äußeres Geschehen ist, eine Tatsache des Johannes-Bewußtseins.

   Den bewußtseinsverdunkelnden Sinn des Zeichens Skorpion spricht vor allem aus das Evangelien-Wort von der "Flucht im Winter" (Mark.13,18; ME326). Wie sonst Bewußtseinsverdunkelung als Umnachtung, als Bewußtseinsnacht, erscheint sie hier in dem entsprechenden, dem Jahresrhythmus entnommenen Bilde als Bewußtseinswinter. Die Fluht der Jünger in Gethsemane (Mark. 14,50) ist in diesem Sinne eine "Flucht im Winter", in der Bewußtseinsnacht. Auch im Johannes-Evangelium spielt dieses Motiv der "Flucht", der Zerstreuung und Absonderung durch die bewußtseinsverdunkelnde Todesmacht S40 eine entscheidende Rolle, vgl. die Hindeutung des Christus auf die Jüngerflucht im Schlusse der Abschiedsreden (Joh.16,32) und vorher im 10. Kapitel (V12), wo vom Ich-Gegner als dem "Wolf, der die Schafe erhascht und zerstreuet" die Rede ist. Bis ins Sprachliche hinein finden wir da an beiden Stellen im griechischen Skorpizein den Hinweis auf den Skorpion als das die gemeinten Vorgänge beherrschende Zeichen.

   Wie Skorpion die Todesursache, offenbart sich im Schützen der vollbrachte Tod. Der Schütze erscheint zum erstenmal beim Tod Johannes des Täufers im 6. Markuskapitel, in der zweiten Runde, bei der "Verklärung" (cap.9) bezeichnet er das in diesen Vorgängen schon beginnende Sterben des Christus, zuletzt, in der dritten Runde (Mark.15), die Vollendung des Todes-Mysteriums, den Tod auf Golgatha. So, wie sich den anderen Tierkreiszeichen bestimmte Evangelienworte zuordnen, erleben wir im Schützen das Verstummen des Wortes, die Weihevollendung am Kreuze. Aus dem Kreuze des Astralischen, dem der Skorpion als das Zeichen der Todesursache angehört, sind wir da wieder hinübergetreten in das Christus-Sohnes-Kreuz der Mitte, das auch dasjenige der Abendmahls-Konstellation ist, in das Kreuz des Ätherischen. Im Tode, wie im Geheimnis der mit dem Schützen im Tagesrhythmus verbundenen "tiefen Mitternacht" offenbart sich das Geheimnis der Lebensquelle, des ewigen, zukunfttragenden Lebensstromes.

   So stellt sich im Evangelium, rein aus dem Evangelium heraus betrachtet, der Sinn der zwölf Himmelszeichen dar. Wie die Sonne im Jahreskreislauf den Ring der zwölf Tierkreiszeichen durchschreitet, so offenbart sich im kosmischen Rhythmus des Markus-Evangeliums im dreimaligen Hindurchgehen durch jene zwölf Himmelszeichen das Geheimnis des Christus-Sonnenlebens und der in dieses Leben hineinführenden Einweihung. Im Miterleben und inneren Aufnehmen des im I-A-O des Johannes-Namens selbst enthaltenen Rhythmus (ME46) vollendet sich das Werden des Johannes, die johanneische Einweihung, verwirklicht sich jene Bewußtseinsstufe, aus der heraus die Inspiration des Johannes-Evangeliums dann selbst erflossen ist.

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