Friedrich Benesch: "Pfingsten heute"
"Gemeinschaft im Zeichen des Individualismus"
Ein Vortrag aus dem Jahre 1976, erschienen im Verlag Urachhaus Stuttgart
Pfingsten - dieses Fest ist das paradigmatische Zeichen und die Erfüllung der sozialen Sehnsüchte unserer und der kommenden Zeit. Friedrich Benesch darf als Berufener zu diesem Thema betrachtet werden. Er hat - jugendlich - den Nationalsozialismus von innen heraus erlebt und war seitdem allen "sozialen" Bestrebungen - auch denen der vorschnellen "Dreigliederer" gegenüber sehr zurückhaltend. Warum? - das geht aus seinem hier eingestellten Vortrag hervor.
Leben (aus wikipedia)
Als ältestes von fünf Kindern eines Gymnasiallehrers studierte Friedrich Benesch zunächst von 1925 bis 1931 Naturwissenschaften in Marburg, Halle an der Saale und Klausenburg, dann von 1932 bis 1934 sein bisheriges (Pflicht-)Nebenfach evangelische Theologie wieder in Marburg, dazu von 1938 bis 1941 noch Vorgeschichte, Volkskunde und Rassenkunde in Halle bei Professor Walther Schulz, dem Schüler und Nachfolger Hans Hahnes, dessen Vorlesungen er bereits 1926/27 besucht hatte.
In Marburg wohnte Benesch in der nationalkonservativen Deutschen Burse (Leiter: Johann Wilhelm Mannhardt) und wurde Mitglied der schlagenden Verbindung Germania und noch in den 20er Jahren im deutschnationalen Bund der Artamanen, der als einziger Jugendbund bis 1934 korporativ in die Hitlerjugend übernommen wurde.
Benesch arbeitete von 1929 bis 1931 während seiner Studienzeit als Assistent am zoologischen Institut in Klausenburg, dann ab 1934 mit nationalsozialistischem Selbstverständnis als Dorfpfarrer in Birk bei Sächsisch-Regen in Siebenbürgen. 1934 heiratete er Sunhilt Hahne, die Tochter von Professor Hans Hahne.
1936/37 lief ein Amtsenthebungsverfahren gegen Pfarrer Benesch durch das Konsistorium der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Rumänien unter Bischof Viktor Glondys wegen seiner nationalsozialistischen politischen Aktivitäten.
Erst 13 Jahre nach seinem Tod wurde durch den Historiker Johann Böhm Beneschs „braune Vergangenheit“ bekannt: dass er 1934 Mitglied der „Radikal-nazistischen“ DVR (Deutsche Volkspartei Rumäniens) wurde und dass er 1939 in Halle einen Antrag auf Beitritt zur SS stellte, woraufhin er bis zu seiner Rücknahme dieses Antrags als „SS-Bewerber“ geführt wurde. 1941 meldete die deutschsprachige Bistritzer Zeitung, dass Benesch zum neuen Kreisleiter von Sächsisch-Regen und zum stellvertretenden Gebietsführer des Volksbundes der Deutschen in Ungarn ernannt worden sei. Der Volksbund der Deutschen in Ungarn war nationalsozialistisch ausgerichtet, orientierte sich am Deutschen Reich und organisierte sich ab 1940 nach dem Vorbild der NSDAP und der SS und war im Gebiet Bistritz und Sächsisch-Regen mit am Holocaust beteiligt.
Nach dem Anschluss Nord-Siebenbürgens an Ungarn wurde Benesch erneut von 1940 bis 1944 Dorfpfarrer in Birk, und nach der Flucht aus Siebenbürgen im September 1944 – Benesch war für den Treck aus dem Reener Land verantwortlich – war er von Pfingsten 1945 bis Februar 1947 Pfarrer in Neukirchen bei Halle. Am 30. November 1947 wurde er nach neunmonatiger Ausbildungszeit vom Erzoberlenker Emil Bock zum Priester der Christengemeinschaft geweiht und arbeitete als Gemeindepfarrer in Coburg und Kiel, dann von 1958 bis 1985 in Stuttgart als Leiter des Priesterseminars, wo er bis 1987 als Lehrer und (weltweit auf 28 umfangreichen Vortragsreisen) als Vortragsredner tätig war.
(Hinweis: Am Beginn des Kapitels 1c Soziale Dreigliederung ist das Thema kunsthistorisch besprochen von Hella Krause-Zimmer - s.nebenstehendes Bild rechts)
Meine sehr verehrten Anwesenden!
Morgen feiern wir Pfingsten. Das Urbild dieses Festes, das im Neuen Testament aus der Apostelgeschichte aufsteigt, hat ja gleich etwas Begeisterndes: das wehende, brausende geistige Anwesendsein, aus dem sich Flammen auf die Häupter, in die Herzen senken, die dann aufflammen in das reine, aus dem freien Ich heraus gesprochene Menschenwort. Das hat Atem. Aber dieser Atem, dieses Licht, diese Befreiung - sie waren nicht einfach da. Sie waren als Folge einer allertiefsten Bedrängnis zustande gekommen. Die Begeisterung, die Erleuchtung waren das Ergebnis von Krisis und Katharsis der Jüngerseelen.
Man kann Pfingsten nicht feiern, ohne zu empfinden, daß dem Heilenden des Geistes etwas vorangehen muß. Dieser Geist hat zwei Namen: Er ist der Heilende, aber auch der Geist der Wahrheit, das heißt jener gewaltigen Kraft, die nicht nur aus dem Licht heraus erleuchtet, sondern in das hineinleuchtet, was im Dunkel liegt.
Die Jünger waren in den zehn Tagen vom Himmelfahrtstage bis zum Pfingstmorgen so einsam, so verlassen und verzweifelt wie nicht einmal da, als sie bei der Gefangennahme des Christus zerstreut worden waren. Denn dem Verlassensein, das sie nach der Gefangennahme erlebt, hatten sie noch einen letzten Rest von Vorstellung entgegenbringen können; sie hatten das Unbegreifliche, das Unerwartete erlebt, aber es war doch eine vorstellbare Wirklichkeit gewesen. Als dann der Heiland durch den Tod hindurch in die Auferstehung übergegangen war und nach der Zerstreuung, nach der Vereinzelung mit einem Male das gemeinsame geistige Erlebnis seiner Anwesenheit fortwährend erfahren wurde, mußten diese Menschen meinen: Nun ist das Paradies auf Erden gekommen und wird ewig so bleiben. Es blieb aber nur 40 Tage so. Und als sie sich dann erneut verlassen fühlten, indem der Auferstandene die Himmelfahrt vollzog, wurde durch den Sturz aus dem Paradies dieser "Fortgang" für sie zu einem viel tieferen Erschütterungserlebnis als das der Gefangennahme. Ein trauernd-demütiges Aushaltenkönnen allein trug sie durch die folgenden zehn Tage. Dann erst ereignete sich Pfingsten.
Bei den Jüngern war mit Pfingsten ein Anfang geschehen, und er hat den Jahrtausenden das Urbild gegeben. Das Pfingstereignis in den Jüngerseelen ist ja durch drei grundlegende geistig-seelische Vorgänge charakterisiert. Aus der tiefen Einsamkeit und Verlassenheit entfaltete sich in jedem einzelnen Jünger eine innere Bewegung des Geistig-Seelischen, in welches die Erinnerungen aufstiegen, die sie mit dem Gotteswesen in seiner menschlich-irdischen Erscheinung auf dem irdisch-sinnlichen Plan erlebt hatten. Alle diese Erinnerungen wurden durchleuchtet von den Worten, die Er zu ihnen gesprochen hatte.
Die brausende Bewegung der Bilder erzeugte in jedem einzelnen das Gefühl der tiefsten individuellen Verbundenheit mit dem Heiland, die gleichzeitig das Erlebnis der Verbundenheit mit dem eigenen ewigen Wesen, mit der eigenen ewigen Individualität als das tiefste Herzensfeuer einer rein geistigen Liebe entflammte. In diesem Feuer leuchteten nun alle Begegnungen auf, die sie in den 40 Tagen von Ostern bis Himmelfahrt im Umgang mit dem Auferstandenen erlebt hatten. Sie erfuhren dann in diesem Licht und Feuer die volle Erweckung des Geistbewußtseins, indem der tiefere Sinn, das Wesenhafte alles dessen ihnen bewußt wurde, was sie mit dem Herrn während seines Erdenwandels erlebt hatten. In einer unmittelbaren Erleuchtung verstanden sie sein Wesen, sein Wandeln und seine Tat. Sie begriffen vollständig, wer dieses Wesen ist. Und so konnten sie, jeder einzelne, aus der Erhöung ihres eigenen Wesens ihre gemeinsame Verbundenheit mit dem Gotteswesen auf die individuellste Weise erfahren, und sie vermochten aus der voll erwachten Freiheit alles, was sie verstanden hatten - wiederum jeder in seiner Weise -, auszusprechen. Sie erfuhren im Wort den Zusammenklang der erleuchtenden Erkenntnis und der wärmenden Empfindung. Dies gab ihnen die Vollmacht, so zu sprechen, daß jeder andere sich ganz persönlich berührt fühlen konnte. Eine ewige Zukunft hatte angefangen zu sprechen. - Derart steht das Urbild des Pfingstereignisses seit Jahrtausenden vor der Menschheit als das Bild der freiesten Individualität unter dem Himmel erleuchteter Gemeinsamkeit und Ewigkeit im Geiste - Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft.
Aber dieses Urbild hat sich verdunkelt. Die Angelegenheiten des Christentums sind durch die Entwicklungsnotwendigkeiten der Menschheit verdeckt worden. Das Christentum sollte zunächst nicht so sehr in das Erkenntnisleben, vielmehr in das Gefühls- und Willensleben der Menschen einziehen und sie in Glauben und Lieben vertiefen und verinnerlichen. Der Höhepunkt dieser Entwicklung lag im mittelalterlichen Christentum. Die Glaubenskraft der Scholastiker, die Innigkeit der Mystiker, die Frömmigkeit der Mönche hatten das Christuswesen im Gemüt der Menschen aufleben lassen und tief verankert. Das volle Verständnis aber und die gedankliche Erkenntnis des Christuswesens und seiner göttlichen Wege aus der geistigen Welt zur Menschheit und durch den Tod in die Menschheit und in das Ganze der Erdenwesens blieb nur wenigen Eingeweihten voll bekannt. Die große Schar der Christenheit lebte vorerst in einem glaubensgetragenen Herzensverhältnis zum Heiland.
In dem Maße aber, wie die Menschheit Gedankenkräfte entwickelt hat - insbesondere im Zusammenhang mit der fortschreitenden Philosophie und Naturwissenschaft -, ist die Zeit herangekommen, in der das Christus-Verhältnis des Menschen mehr und mehr auf das Verständnis der Mysterien des Christentums durch den Menschen angewiesen ist. Das bedeutet, daß auf die religiösen Fragen Antworten gefunden werden müssen, die aus einem Bewußtsein und einer Erkenntnis des Übersinnlichen hervorgehen und nicht nur auf die traditionellen, mehr oder weniger dogmatisierten Lehrinhalte beschränkt bleiben können.
Dieser Ansatz ist mit Beginn unseres Jahrhunderts erfolgt. Und es darf wohl mit voller Verantwortung ausgesprochen werden, daß dadurch auch eine aus dem Geiste des Christentum heraus mögliche Antwort auf Lebensfragen gesucht werden kann, wie sie zum Beispiel die Frage nach Individualität und Gemeinschaft darstellt.
Sehen Sie, verehrte Anwesende, man ist doch eigentlich tiefinnerlich verpflichtet, gerade zu Pfingsten auf das Erscheinen des vollen Geisteslichtes in Gestalt der Anthroposophie und ihres Begründers im Beginne dieses zwanzigsten Jahrhundert hinzuschauen. Wir können in diesem Jahre (1975) Pfingsten gar nicht feiern, ohne daß wir auch vollbewußt auf den Geist hinblicken, der nach zweitausend Jahren christlicher Geschichte das zu verwirklichen beginnt, was der Heiland vorausgesagt hat, wenn er spricht: "Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich aus reden, sondern was er hört, wird er reden, und das Zukünftige wird er euch verkündigen" (Joh16,12+13). Man kann nicht Pfingsten in einer gerechten Weise, im Sinne des Jetzt und Heute feiern, wenn man nicht hineinschaut in das Licht, das unserer Zeit in Offenbarungen aus der Sphäre des Geistes, des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit, durch die Gestalt des Christus-Eingeweihten übergeben worden ist.
Der Begriff des Eingeweihten ist unserer Zeit verlorengegangen. Das intellektuelle, materialiistisch-naturwissenschaftliche Bewußtsein der Gegenwart hat es ungeheuer schwer, sich vorzustellen, daß es Menschen gibt, die durch Schicksal, Schulung und Sendung einen Zustand übersinnlicher Erkenntnisfähigkeit erreichen können, durch den sie mit geistigen Augen und Ohren die geistige Welt nicht nur schauen und hören, sondern auch durch ein höheres gedankliches Vermögen die übersinnlichen Erfahrungen verstehen und deuten können, in denen sich das Pfingstgeschehen vollgültig erneuert. Einen solchen Menschen nannte man einen Eingeweihten. Als solcher ist zu Beginn dieses Jahrhunderts Rudolf Steiner innerhalb der Menschheit erschienen. Wenn man die Offenbarungen, die durch ihn zustande gekommen sind, unbefangen auffassen lernt, kann man empfinden, daß durch eine Sendung und eine Tat des Christus selbst der Christus-Eingeweihte des zwanzigsten Jahrhunderts aufgetreten ist. Man wird dazu geführt zu erforschen, welche Antworten die Anthroposophie auf die Frage nach der menschlichen Individualität, nach der menschlichen Gemeinschaft zu geben vermag; Antworten, die mit der geistigen Welt korrespondieren und aus pfingstlichem Geiste hervorgehen. Was aus dem Bereich des lebendig-gegenwärtigen Christus kommt, ist deshalb wahrhaft erleuchtend, weil es hineinleuchtet in die Zonen unseres irdisch-menschlichen Bewußtseins, die durch die vorher charakterisierte Entwicklung verdunkelt sind.
Und so kann man zunächst fragen: Dürfen wir heute von Individualismus sprechen? Gewiß, das Zeichen der Individualität ist in der Neuzeit vollständig aufgerichtet worden. Man braucht nur einen Atemzug lang an die Gestalt eines Martin Luthers zu denken, der da steht und bekennt: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders..." Ob man nun die Ichkraft eines Luther, das Ich-Erlebnis eines Descartes, das philosophische Ringen um das reine Ich-Erlebnis bei Fichte oder schließlich das Dichterwort von dem "höchsten Glück der Erdenkinder" bei Goethe anschaut - es ist das Erlebnis der eigenen freien Individualität als ein Höchstes in der abendländischen Menschheit heraufgekommen. Wohl die extremste Erscheinungsform des Individualismus stellt Max Stirner mit seiner Formulierung "Der Einzige und sein Eigentum" dar. - Als eine Art Zusammenfassung dieser gesamten Entwicklung läßt sich der ethische Individualismus Rudolf Steiners in seinem Buch "Die Philosophie der Freiheit", auffassen. Das Ichfeuer, das Feuer der sich mehr und mehr befreienden Menschenindividualität kann nicht mehr zum Erlöschen gebracht werden. Dennoch muß man demgegenüber den Eindruck gewinnen, daß das Zeichen des Individualismus bedroht ist, und zwar durch die Gemeinschaftsfrage, die ebenso brennen menschliche Notwendigkeiten umgreift. Im Zeichen der Gesellschaft, der Massengesellschaft, der Industriegesellschaft usw. - im Zeichen des Sozialismus zu leben, bedeutet das nicht, daß der Individualismus verschwinden muß?
Damit ist aber die Schwierigkeit ganz scharf charakterisiert. Während jeder einzelne im Sinne des Individualismus bestrebt ist, alles ihn Umgebende - Mensch, Kreatur, Natur, Dingwelt - zu sich als Zentrum hinzugruppieren, von sich aus und zu sich hin zu erleben und als freie und verantwortliche Individualität zu handhaben, verlangt die Gesellschaft das absolut Gegenteilige: die Preisgabe der individuellen Eingrenzung der Brennpunktstellung des einzelnen zugunsten der vielen, des Ganzen. Fragt man nun die Anthroposophie: "Wie steht es denn mit den sozialen Möglichkeiten und Kräften des Menschen?" - dann beginnt anhand ihrer Antwort allerdings eine Katharsis. Denn es ist der übersinnlichen Forschung möglich, im Anschauen der Menschenwesenheit in viel intimere und tiefere Vorgänge im Menschenleben hineinzuleuchten, als das selbst der modernen Tiefenpsychologie gelingt. Diese Geisteswissenschaft, an die wir die Frage nach Individualität und Gesellschaft richten kann nämlich aufzeigen, daß das wahre Wesen der Individualität nur verständlich wird, wenn man sie als eine rein geistige Ich-Wesenheit auffaßt, die vor der irdischen Konzeption und Geburt in der geistigen Welt lebt und sich in die durch Vererbung und Zeugung angebotenen Hüllen als Erdenmensch verkörpert. Dann allerdings ist die Antwort auf die Frage nach der Sozialität dieser Individualität bitter zu hören. Sie lautet schlicht so, daß der moderne Mensch als Erdenmensch zunächst vor allem ein antisoziales Wesen ist.
Rudolf Steiner hat durch seine übersinnliche Erkenntnis des Menschenwesens das volle Licht in die verborgenen Untergründe hineingetragen. In einer Reihe von Vorträgen, die unter den Titeln "Die soziale Grundforderung unserer Zeit" - "In geänderter Zeitlage" (GA186) und "Die geistigen Hintergründe des sozialen Frage" (GA189/190) erschienen sind, hat er in der Vorweihnachtszeit 1918 die soziale Problematik bis in die Tiefen der einzelnen Menschenwesenheit hinein verfolgt. Darin sagt er: "Der Mensch ist vor allen Dingen auch in sozialer Beziehung ein Wesen, das er unendlich gern nicht sein möchte; er möchte unendlich gern anders sein, als er ist. Man kann sagen: Der Mensch hat sich ja eigentlich ungeheuer gerne. Das ist schon einmal nicht in Abrede zu stellen: Der Mensch hat sich selbst ungeheuer gerne. Und durch die Selbstliebe ist es, daß der Mensch Selbsterkenntnis zu einer Quelle von Illusionen macht. So möchte sich der Mensch nicht gestehen, daß der eigentlich nur Hälfte ein soziales Wesen ist, daß er zur anderen Hälfte ein antisoziales Wesen ist. - Dies sich trocken und energisch zu gestehen, daß der Mensch gleichzeitig ein soziales und ein antisoziales Wesen ist, das ist eine Grundforderung der sozialen Menschenerkenntnis. Man kann gut sagen: Ich strebe an, ein soziales Wesen zu werden; - man muß es auch sagen, weil, ohne daß man ein soziales Wesen ist, man überhaupt nicht mit Menschen richtig leben kann. Aber zugleich liegt es in der menschlichen Natur, fortwährend gegen das Soziale anzukämpfen, fortwährend ein antisoziales Wesen zu sein."
Diese Beschreibung Rudolf Steiners berührt ja zunächst diejenigen Vorgänge im Menschen, die den Blick auf die soziale Frage verhüllen. Die Quelle der Illusionen in bezug auf die wahre Selbsterkenntnis ist die Selbstliebe. Wird aber dieser Schleier durch energische Selbsterkenntnis gehoben, wie das Rudolf Steiner vollzogen hat, dann ist der Blick für eine Menschenkunde frei, welche die Grundforderung unserer Zeit erfüllt. - Wo ist die Frage nach Individualität und Gemeinschaft überhaupt zu stellen? Sie kann nicht anhand der Geschichte, auch nicht irgendeiner menschlichen Abstammungslehre, sondern sie muß in der Tiefe des heutigen Menschen selbst als Selbsterkenntnis gestellt werden. Da ein jeder Mensch seinem Wesen nach sowohl sozial als auch antisozial ist, darf auch nicht irgendeine Menschengruppe oder Klasse das Soziale für sich in Anspruch nehmen und eine andere Gruppierung der Menschheit verteufeln. Wo liegt im Menschen konkret das Antisoziale, und wo entfaltet sich demgegenüber in ihm das Gemeinschaftliche, das Soziale?
Indem die Geisteswissenschaft Menschenkunde betreibt, fällt der Blick auf den gesamten Umfang des menschlichen Seelenlebens. Dieses ist gegliedert in vier Bereiche: Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen. Die Frage ist: Was geschieht bei jedem sozialen Ur-Akt, was geschieht eigentlich bei jeder menschlichen Begegnung? Denn Begegnung - und jeder "soziale" Vorgang ist irgendwie Begegnung - wird nur dadurch Realität, daß einer den anderen überhaupt erst wahrnimmt. Dieses Wahrnehmen von Ich zu Ich hat den Charakter vollständiger Unmittelbarkeit. Das Organ, mit dessen Hilfe sie sich vollzieht, ist der Sinn des einen Ich für das andere Ich, der Ich-Sinn (GA45, Einzelvortrag "Die 12Sinne"GA5412). Um eine reale Berührung mit dem wahrzunehmenden Ich des anderen Menschen zu haben, muß das wahrnehmende Ich in das wahrgenommene für den Bruchteil einer Sekunde wirklich untertauchen, genauso wie der Blick des Auges, wenn es die Welt wahrnehmen will, in das objektive Licht eintauchen muß. Nun besteht hier aber ein fundamentaler Unterschied: Die Sehkraft des Auges und das darin wahrnehmende Ich wird durch das Licht, weil dieses ein objektiver Weltprozeß ist, wachgemacht. Der Blick des Ich in das Ich des anderen Menschen dagegen wird für den Sekundenbruchteil des Eintauchens eingeschläfert, weil er nicht in ein objektives, sondern in ein subjektives Wesen untertaucht, das ebenso ein autonomes Willenswesen mit dem Willen zur Selbstbehauptung ist wie der Wahrnehmende. Das heißt, der andere Mensch, den ich wahrnehmen will, schläfert einen, eben den wahrnehmenden Teil meines Ich für den Bruchteil eines Augenblickes ein. Da ich aber selbst ein Ich bin und das nur dadurch, daß ich mich in mir wollend erhalte, setze ich mich gegen die Einschläferung zur Wehr; ich stoße also das andere Ich wieder von mir ab. Diese Erhellung eines sonst unbewußt verlaufenden Tatbestandes zeigt zum einen, daß der soziale Vorgang, das heißt die Verbindung und Begegnung mit dem anderen Ich, ein Schlafzustand ist, und sie zeigt andererseits, daß der Wachzustand der Selbstbehauptung schon in der Wahrnehmung des Du der Ur-Akt der Antisozialität des Menschen ist. Denn: Selbstbehauptung ist antisozial. Und so formuliert Rudolf Steiner in seiner Beschreibung von der Art der Funktion des Ich-Sinnes auch die Schwierigkeit für das Erfassen der Grundproblematik der sozialen Frage: "Das ist nun wie der Pendelschlag: Schlafen in dem anderen, Aufwachen in uns selbst, wiederum dadurch Schlafen in dem anderen, Aufwachen in uns selbst. Und dieser komplizierte Prozeß des Hin- und Herpendelns zwischen dem Einschlafen in dem anderen und Aufwachen in uns selbst, der findet in uns statt, wenn wir dem anderen gegenüberstehen. Das ist ein Vorgang in unserem Wollen. Wir nehmen ihn nur nicht wahr, weil wir unser Wollen gar nicht wahrnehmen...
...In diesem Vibrieren zwischen dem Einschlafen in dem anderen und Aufwachen in uns selbst haben Sie das Urelement, gewissermaßen das Atom des sozialen Zusammenlebens der Menschen. Das ist das Urelement desjenigen, was soziales Leben von Mensch zu Mensch ist. Es ruhen also dieses Urelement und damit auch alle komplizierten Gebilde des sozialen Lebens eigentlich alle in demjenigen Teile unseres Wesens, der schläft, auch wenn wir wachend sind. Das soziale Leben ist im wesentlichen höchstens ein träumendes Wesen des wachenden Menschen; es ist nicht ein völlig waches Leben, das der Mensch lebt im sozialen Leben. Daher ist das Soziale so schwer für das gewöhnliche Leben faßbar, weil es eigentlich gar nicht ein völlig waches Leben ist, weil es ein träumerisches Leben ist und weil wir uns eigentlich immer, um uns selbst in uns aufrechtzuerhalten, wehren müssen gegen das soziale Empfinden, gegen das Empfinden in dem anderen."
Hat man das einmal durchschaut, dann zeigt sich, daß dieser innere Vorgang sich in Verwandlung auch in den drei anderen grundlegenden Seelentätigkeiten des Menschen, in Denken, Fühlen und Wollen wiederholt. Es kann ganz nüchtern heißen: "Vor allen Dingen muß man sich mit Bezug auf das Denken und Vorstellen darüber im klaren sein, daß in beidem ein bedeutender Quell des Antisozialen zu sehen ist. Wenn der Mensch denkt, ist er ein antisoziales Wesen." Denn er will nicht nur - wie bei der Ich-Wahrnehmung - sich selbst bewahren, um sich nicht in den anderen Menschen aufzulösen, sondern er will sich auch in seinem eigenen Denken und Vorstellen wach erhalten und dadurch in denkender und vorstellender Eigentätigkeit behaupten. Um aber gedanklich mit dem anderen Menschen in Verbindung treten zu können, muß er auf diese Eigenheit verzichten, weil durch das wechselseitige Verhältnis, das sich zwischen Mensch und Mensch bildet, eben im Unterbewußten ein Versuch lebt, sozial zu sein, der sich aber nur dann verwirklicht, wenn man sich die Vorstellungswelt gegenseitig partiell einschläfert. Tut man das, so hört man im Grunde auf zu denken. Will ich aber selbst wieder denken, so erlebe ich, daß der andere mein eigenes Denken einschläfert, wogegen ich mich sofort auflehne. Ein solches Verhalten ist antisozial. Man beobachte nur einmal genauer, was bei jeder Diskussion vor sich geht! Der Vorgang gelangt zwar nicht "in das gewöhnliche Bewußtsein herauf, wirkt aber im Menschen als antisozialer Impuls. Gewissermaßen tritt uns jeder Mensch als ein Feind unseres Vorstellens, als ein Feind unseres Denkens entgegen." Und weiter charakterisiert Rudolf Steiner - wenn auch in überraschender Weise - die Wirklichkeit des Sozialen als einen Schlafzustand: "Hier kann nur Geisteswissenschaft zur Wahrheit kommen über die Dinge. Denn nur Geisteswissenschaft kann einiges Licht verbreiten über die Frage: Wie stehen wir dann überhaupt als Menschen in Beziehung zu anderen Menschen? Wann ist denn gewissermaßen das rechte Verhältnis von Mensch zu Mensch für das gewöhnliche, alltägliche Leben hergestellt? Ja, sehen Sie, wenn dieses richtige Verhältnis hergestellt ist zwischen Mensch und Mensch, dann ist auch zweifellos die soziale Ordnung da. Aber nun liegt - man mag ja sagen: unglückseligerweise, aber der Erkennende sagt: notwendigerweise - die eigentümliche Tatsache vor, daß wir ein regelrechtes Verhältnis von Mensch zu Mensch nur im Schlafe entwickeln. Nur wenn wir schlafen, stellen wir ein ungeschminktes, richtiges Verhältnis von Mensch zu Mensch her. In dem Augenblicke, wo Sie das gewöhnliche Tagesbewußtsein abgelähmt haben, wo Sie in dem Zustande zwischen Einschlafen und Aufwachen im traumlosen Schlafe sind, da sind Se - jetzt rede ich mit Bezug auf das Vorstellen, mit Bezug auf das Denken - ein soziales Wesen. In dem Augenblicke, wo Sie aufwachen, beginnen Sie durch das Vorstellen, durch das Denken antisoziale Impulse zu entwickeln. Man muß sich nur denken, wie kompliziert dadurch die menschlichen Gesellschaftsverhältnisse werden, daß eigentlich der Mensch nur im Schlafe zu dem andern Menschen sich richtig verhält."
Und in der Folge heißt es, daraus sei zu ersehen, "daß ohne Eingehen auf das Seelische, auf die Tatsache, daß der Mensch ein denkendes Wesen ist, sich überhaupt über die soziale Frage nichts sagen läßt, denn die soziale Frage greift in große Intimitäten des Menschenlebens ein. Und wer nicht berücksichtigt, daß der Mensch, indem er denkt, einfach antisoziale Impulse entwickelt, der kommt zu keiner Aufklärung über die soziale Frage. Im Schlaf habe wir es eben leicht. Da sind wir ohnehin eingeschläfert. Da also kann sich die Brücke zu allen Menschen hinüberbauen. Im Wachen strebt der andere Mensch, indem er sich uns gegenüberstellt, uns einzuschläfern, damit die Brücke zu ihm gebaut werden kann - und ebenso wir ihm gegenüber. Aber wir müssen uns dagegen wehren, denn sonst würden wir einfach in unserem Verkehr mit Menschen um unser denkendes Bewußtsein gebracht".
Einschub: Wer z.B. den Begriff des Egoismus des Astralleibes entlehnt aus der anthroposophischen Menschenkunde (GA145) und in einer Gruppe von
Zusammenarbeitenden das selbstlose Streben der anderen fordert, tötet damit jeden lebendigen Verkehr und Ausgleich im Sozialen ab - kk
Nun kann man ja meinen, nur im Denken müsse der Mensch antisozial sein, sich wachhalten, um selbst zu denken, vorzustellen und zu urteilen. Wie verhält es sich mit dem Fühlen? Mit seinen wunderbaren Kräften von Sympathie und Antipathie, vor allem von Sympathie, müßte das Fühlen doch ein soziales Element sein. In dem oben genannten Vortrag hat Rudolf Steiner auf den entsprechenden Tatbestand erhellend hingewiesen. Er sagt: "Das Fühlen von Mensch zu Mensch hat nämlich eine paradoxe Eigentümlichkeit. Das Fühlen hat die Eigentümlichkeit, daß es zunächst geneigt ist, uns eine gefälschte Empfindung von dem anderen Menschen zu geben. Die erste Neigung im Unterbewußtsein des Menschen im Verkehr von Mensch zu Mensch besteht immer darin, daß uns von dem anderen Menschen im Unterbewußtsein eine gefälschte Empfindung auftaucht, und wir müssen im Leben immer erst diese gefälschte Empfindung bekämpfen. Der Lebenskenner wird sehr leicht bemerken, daß Menschen, die nicht geneigt sind, interessevoll auf andere Menschen einzugehen, eigentlich fast über alle Menschen schimpfen, wenigstens nach einiger Zeit. Das ist ja eine Eigentümlichkeit einer großen Anzahl von Menschen. Man liebt den einen oder den anderen Menschen eine Zeitlang; aber wenn diese Zeit vergangen ist, dann regt sich so etwas in der menschlichen Natur, und man fängt an, auf den anderen irgendwie zu schimpfen, irgend etwas gegen ihn zu haben. Man weiß oftmals selbst nicht, was man gegen ihn hat, denn diese Dinge spielen sich ja sehr im Unterbewußtsein ab. Das rührt einfach davon her, daß das Unterbewußtsein die Tendenz hat, das Bild, das wir uns von dem anderen Menschen machen, eigentlich zu verfälschen. Wir müssen den anderen Menschen erst genauer kennenlernen, dann werden wir sehen, daß wir in dem Bilde, das zunächst gewonnen haben, Fälschungen ausradieren müssen. So paradox das klingt, es würde eine gute Lebensmaxime sein - wenn auch Ausnahmen dabei in Betracht kommen -, wenn wir uns immer vornehmen würden, das Bild des Menschen, das sich uns im Unterbewußtsein fixiert, zu korrigieren, unter allen Umständen irgendwie zu korrigieren. Denn dieses Unterbewußte, das hat die Tendenz, nach Sympathien und Antipathien die Menschen zu beurteilen. Das Leben fordert uns ja selbst dazu auf. So wie das Leben uns dazu auffordert, einfach denkender Mensch zu sein und wir dadurch antisozial sind, so fordert uns das Leben auf - die Dinge, die ich sage, sind einfach Tatsachen -, nach Sympathien und Antipathien zu urteilen. Jedes Urteil aber, das nach Sympathien und Antipathien gefällt ist, ist gefälscht. Es gibt kein wahres, kein richtiges Urteil, wenn es nach Sympathien und Antipathien gefällt ist. Und deshalb, weil immer das Unterbewußte im Fühlen nach Sympathie und Antipathie geht, entwirft es immer ein gefälschtes Bild des Nebenmenschen...
So ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, das Gefühlsleben des Menschen zu studieren, insofern es antisozial ist. Während das Denkerleben deshalb antisozial ist, weil der Mensch sich schützen muß vor dem Einschlafen, ist das Gefühlsleben antisozial, weil der Mensch dadurch, daß er nach Sympathie und Antipathie seinen Verkehr zu Menschen einrichtet, von vornherein der Gesellschaft falsche Gefühlsströmungen einimpft. Dasjenige, was von Menschen durch Sympathien und Antipathien kommt, ist von vornherein so, daß es antisoziale Lebensströmungen in die menschliche Gesellschaft hineinwirft. Man kann sagen, so paradox das klingt, eine soziale Gesellschaft wäre eigentlich nur möglich, wenn die Menschen nicht in Sympathien und Antipathien lebten. Dann wären sie aber keine Menschen. Daraus geht ihnen wiederum hervor, daß der Mensch zugleich ein soziales und antisoziales Wesen ist, daß also das, was man >soziale Frage< nennt, auf die Intimitäten der menschlichen Wesenheit eingehen muß. Wenn man darauf nicht eingeht, so wird man niemals zu einer Lösung der sozialen Frage für irgendeine Zeit kommen."
Man muß die Beschreibung des Geistesforschers im Wortlaut vor sich haben, um in voller Klarheit die antisoziale Komponente, die in dem Gefühlsleben mitschwingt, zu erfassen; und man kann nicht umhin, die Frage zu haben, wodurch die Verfälschung des Bildes vom anderen Menschen zustande kommt. Auch hier erhellt die Geisteswissenschaft den vollen Tatbestand. Sie beschreibt nämlich, wie das normale Gefühlsleben des Menschen im Grunde so verläuft, daß er nicht nur fühlt, sondern daß er auch empfindet, daß er fühlt, und indem dies geschieht, fühlt er sich selbst. Auf dem Grunde eines jeden Mitgefühls schwingt immer auch das Selbstgefühl mit; darum können auch ganz große und starke Gefühle gleichzeitig von um so stärkerem Selbstgefühl durchdrungen sein. Das scheinbar selbstloseste Mitgefühl kann vom stärksten Selbstgenuß durchsetzt sein. Hier liegt die Wurzel für die erste Subjektivität des Menschen; man kann sie auch Selbstbezogenheit nennen. Sie ist es, die gefühlsmäßig das Bild des anderen zugunsten des miterlebten Eigenbildes verfälscht.
Sich zu gestehen, daß der andere nicht schon vollkommen sein kann, wie wir es ja selbst auch nicht sind, fällt uns schwer. - So läßt sich auch in bezug auf das Gefühlsleben im Verkehr mit den anderen Menschen das Antisoziale nicht in Abrede stellen. Angesichts der antisozialen Regung müßten wir eigentlich aufhören, uns durch Sympathie und Antipathie ein Bild vom anderen zu machen. Dem stellt sich jedoch die menschliche Natur entgegen. Damit ist auch das Fühlen dem eigentlich sozialen Verhalten zunächst doch nicht förderlich.
Wenn schon die Erhellung der antisozialen Komponente in bezug auf das Fühlen sehr tief gefaßt werden muß, so gilt das noch mehr für das Wollen. Zunächst hat man den Eindruck: Ich will dem anderen Menschen Gutes tun, und ich tue dies auch. Dann bin ich doch sozial. - Was aber geschieht im Wollen tatsächlich? Unsere Sympathien und Antipathien beeinflussen oder bestimmen unser Verhalten und bilden unbewußte Inspirationen, in denen mehr oder weniger Liebe mitwirkt. Der wahre Verhalt, den die Geisteswissenschaft an diesem Punkte ins volle Licht des Bewußtseins hebt, muß für jeden denkenden Menschen etwas tief Erschütterndes haben. Die Illusion in bezug auf die Selbsterkenntnis, von der zuvor die Rede war, ist im Bereich des Willenslebens am stärksten, weil dieses im Unbewußten verläuft. So führt Rudolf Steiner aus: "Mit Bezug auf die Liebe unterliegt der Mensch im allereminentesten Sinne einer großen Täuschung und bedarf noch mehr der Korrektur als mit Bezug auf die gewöhnlichen Gefühlssympathien und -antipathien. Denn, so sonderbar das klingt für das gewöhnliche Bewußtsein, es ist durchaus wahr, daß die Liebe, die sich von einem Menschen zum anderen geltend macht, wenn sie nicht vergeistigt ist - im gewöhnlichen Leben ist ja die Liebe nur im seltensten Maße vergeistigt, und ich rede jetzt nicht etwa bloß von geschlechtlicher oder auf geschlechtlicher Unterlage ruhender Liebe, sondern überhaupt von der Liebe von Mensch zu Mensch -, daß diese nichtvergeistigte Liebe eigentlich nicht die Liebe als solche, sondern das Bild ist, das man sich von ihr macht, daß zumeist nichts weiter ist, als eine furchtbare Illusion. Denn die Liebe, die ein Mensch zum andern zu entwickeln glaubt, ist - so wie die Mensch einmal im Leben sind - zumeist nichts anderes als Selbstliebe. Der Mensch glaubt, den andern zu lieben, liebt sich aber eigentlich in der Liebe nur selbst. Sie sehen hier einen Quell von antisozialem Wesen, der noch dazu die Quelle einer furchtbaren Selbsttäuschung sein muß. Man kann nämlich in überströmender Liebe zu einem Menschen aufzugehen meinen, aber man liebt nicht in Wirklichkeit diesen anderen Menschen, sondern man liebt das Verbundensein mit dem anderen Menschen in der eigenen Seele... Dies ist ein wichtiges Lebensgeheimnis. Das ist von ganz immenser Wichtigkeit. Denn in der Täuschung über diese Liebe, von der man glaubt, daß sie Liebe sei, die aber eigentlich nur Selbstliebe, Selbstsucht, Egoismus, maskierter Egoismus ist - und die weitaus meiste Liebe, die von Mensch zu Mensch spielt und Liebe genannt wird, ist nur maskierter Egoismus -, in dieser Täuschung ist die Quelle der denkbar größten und weitesten antisozialen Impulse. Durch diese Selbstliebe, die sich in Liebe maskiert, wird der Mensch im eminentesten Sinne zu einem antisozialen Wesen."
Meine sehr verehrten Anwesenden! Diese Tatsachen sich zu verdeutlichen ist gar nicht möglich ohne den Geist der Wahrheit und die Gesinnung der Wahrhaftigkeit, die aus der Anleitung durch die Geisteswissenschaft kommt. Im bewußten Durchdringen der in den Untergründen des Wahrnehmens, des Denkens, Fühlens und Wollens beim heutigen Menschen wirkenden verborgenen Verhaltensweisen und Kräfte ergibt sich ein ganz klares Bild. Dieses Bild ist, instinktiv gesehen, zunächst nicht ohne weiteres akzeptabel. Wir müssen die Erfahrung machen, daß wir da nicht nur auf etwas gestoßen werden, was wir normalerweise so nicht ganz durchschauen, sondern auf Tatsachen, die wir in unserem gewöhnlichen strebenden Bewußtsein so auch gar nicht wollen. Ich habe am Anfang von einer Krisis und Katharsis gesprochen, welche die Voraussetzung für ein lichtvolles Feiern des Pfingstfestes seien. Hier haben wir sie vor uns. Wir wollen mit allen Kräften Gemeinschaft mit unseren Mitmenschen. Wir wollen sozial sein. Dieses Wollen entpuppt sich jetzt aber als ein Wünschen; und wenn sich das Wünschen auch noch so sehr gegen die Wahrheit sträubt, werden wir hier doch dazu geführt, zu erkennen und anzuerkennen: Wir sind antisoziale Wesen. Diese Erkenntnis ist bitter und bleibt es auch so lange, bis wir uns - wenn wir sie einmal errungen haben - innerlich auf den Weg machen, zwei Fragen zu stellen. Die erste Frage ist, welchen Sinn es habe, daß sich die Dinge so verhalten; und die zweite, ebenso bedeutungsvolle Frage ist: Welche Wege können wir gehen, um in den Bereichen unseres Menschseins, in denen wir antisoziale Wesen sind, das Soziale zu entfalten, das Gemeinschaft erst ermöglicht, aber eben Gemeinschaft im Zeichen des Individualismus? - Auch auf die erste Frage kann uns Geisteswissenschaft Antwort geben. Sie beantwortet diese mit dem Hinweis, daß die Menschheitsentwicklung darin besteht, in bestimmten Zeitaltern bestimmte Fähigkeiten und Kräfte zur Entfaltung zu bringen. So spricht sie von unserem Zeitalter als von dem der "Bewußtseinsseelenentwicklung", wobei das Charakteristikum dieser Bewußtseinsseelenentwicklung darin zu sehen ist, vorerst gerade die antisozialen Kräfte im Menschen auszubilden.
Das Geheimnis des Menschenwesens - im Gegensatz zum Tier - liegt ja darin, daß die seelischen Grundfunktionen - Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Wollen - nicht nur von Bewußtsein mehr oder weniger begleitet sind, sondern daß innerhalb dieses Bewußtseins auch das Selbstbewußtsein lebt. Weil das Selbstbewußtsein sowohl in bezug auf sich selbst als auch in bezug auf alle Seelenerlebnisse gleichzeitig von Gedanken durchdrungen ist, können alle Seelenerlebnisse auch begrifflich erfaßt werden, wodurch sie zur Selbsterkenntnis werden können. Innerhalb dieser Selbsterkenntnis und der in ihr lebenden Gedankenwelt erscheinen nicht nur Begriffe und Ideen, sondern auch Ideale. Die Fortentwicklung des Menschen bringt es mit sich, daß er zwar auf der einen Seite die Begriffe und Ideen seiner Subjektivität unterordnen, auf der anderen Seite aber mit Hilfe der Ideale sein Seelenleben in den Dienst des Wahren, des Guten und des Schönen stellen kann. Der Teil des menschlichen Seelenlebens, der dieses vermag, ist bereit, das Wahre als wahr anzuerkennen, auch dann, wenn sich das gesamte subjektive Seelenleben dagegen sträubt; dasselbe gilt für das Gute. Dieser Teil der menschlichen Seelenkräfte wird von der Geisteswissenschaft Bewußtseinsseele genannt Aber auch hier taucht eine bedeutsame Paradoxie im menschlichen Seelenleben auf: Die volle Anerkennung der Ideale - auch der Gemeinschaft und Gesellschaft - hat für den Menschen nur dann eine reale Bedeutung, wenn er selbst, und zwar nur er selbst, diese Ideale aus eigener Kraft ergreift und für sich verbindlich macht. Zu diesem Zwecke muß er aber er selbst sein, das heißt, er muß sich von allen übrigen Menschen absetzen, auch dort, wo er für die anderen dasein will. Hier ist die Quelle für das vorhin besprochene wesenhaft Antisoziale des Menschen.
Aus der Geisteswissenschaft erfahren wir, daß wir jetzt in einem Zeitalter leben, in dem die Selbsterkraftung noch für eine lange Zukunft die Hauptaufgabe des Menschen sein wird. Wir hören so wieder zu unserem eigenen Schrecken, daß die volle Entfaltung des Antisozialen die Aufgabe eines ganzen Zeitalters sein soll. Dieses Zeitalter nennt Rudolf Steiner das 5. nachatlantische Zeitalter. Es hat in unserer Zeit erst begonnen und wird noch Jahrtausende dauern. Auch auf die Frage nach der Bedeutung unseres Zeitalters kommt Rudolf Steiner in dem vorhin genannten Zyklus zu sprechen. Bezüglich der Sozialität und Antisozialität beschreibt er dieses Zeitalter mit folgenden Worten: "Nun liegt noch dazu das Eigentümliche vor, daß gerade die zunächst wesentlichsten Eigenschaften des Menschen im fünften nachatlantischen Zeitraum antisoziale Eigenschaften sind. Denn das Bewußtsein, das gerade auf das Denken gebaut ist, soll sich in diesem Zeitraum entwickeln. Daher wird dieser Zeitraum gerade am stärksten die antisozialen Impulse durch die Natur des Menschen herauskehren." Wenn man diese Aussage als den eigentlichen Sinn der kommenden Jahrhunderte der Menschheitsentwicklung anerkennt, so steht sie in stärkstem Widerspruch zu all dem, was als Not und Kampf, als Sehnsucht, Forderung und Erkenntnisproblematik in bezug auf Gesellschaft und Gemeinschaft heute die gesamten Auseinandersetzungen der Menschheit durchweht. Das aber würde heißen, daß in allen diesen auf Gesellschaft und Gemeinschaft bezogenen Bemühungen in den Untergründen zunächst immer die antisozialen Impulse im Menschen stärker wirken als alles andere, und zwar in einem solchen Maße, daß ein jeder sich über diesen Tatbestand den umfassendsten Täuschungen hingibt, weil er ihn sich nicht eingestehen will. Es steigt mit einmal das Bild auf, daß besonders bei denjenigen Menschen, die sich am heftigsten zum Anwalt für das Soziale machen, die im verborgenen wirkenden antisozialen Kräfte um so mächtiger sind, je weniger sie als solche erkannt werden. Wer diese Tatbestände erfährt, kann bemerken, wie oft sich die sozialsten Forderungen auf die antisozialste Art und Weise durchsetzen wollen. Das Antisoziale im Menschen hat ja den realen Sinn, dem einzelnen dazu zu verhelfen, seine aus der geistigen Welt sich verkörpernde Individualität im Erdenleben zu einer selbständigen und frei sich selbst bestimmenden, sich selbst wissenden und erlebenden Persönlichkeit werden zu lassen.
Dies ist der Sinn des Zeitalters der Bewußtsseinsseelenentwicklung; dies ist das Zeichen des Individualismus - der Freiheit.
Welche Bedeutung haben also Gesellschaft und Gemeinschaft, das heißt auf welchen Wegen ist Gemeinschaft im Zeichen des Individualismus möglich? Und man darf wohl sagen: Ein Fest der Gemeinschaft zu feiern, ohne das Wirklichkeitselement des Individualismus einzubeziehen, ist eigentlich nicht möglich.
Wo sind die sozialen Impulse? Wann ist der Mensch sozial? - Solange der Mensch auf der Erde lebt, trägt er einen fundamentalen Inkarnationswillen, einen Individuationswillen in sich, den er aus dem vorgeburtlichen Dasein hereingebracht hat und der darin besteht, selbst etwas zu werden und zu sein, ein Ich zu sein und dadurch immer mehr das Ichsein zu erkraften. Dieses ist jedoch nicht allein bestimmend. Hinzu kommt in jedem von uns ein zweites, ganz anderes Bestreben, das von unserer Zukunft herrührt.
Sobald der Mensch sich aus seiner individuellen Verkörperung teilweise löst, das heißt sobald er in den Schlafzustand übergeht und damit in die geistige Welt, ändert sich seine Gesamtverfassung. Die Geisteswissenschaft beschreibt den Schlafzustand so, daß die Seele zwar das gewöhnliche Bewußtsein einbüßt, zugleich aber einen großen Teil ihrer Begrenzung durch das Verkörpertsein während des Tagwachens verliert. Dadurch kann sie sich mit den Seelen der anderen, ihr verbundenen Menschen weitgehend vereinigen und durchdringen. Es wird also im schlafenden Zustand das Ideal der Sozialität Wirklichkeit. Der Mensch ist schlafend ein soziales Wesen, indem er beginnt, den anderen Menschen in der eigenen Seele, in dem eigenen Inneren aufleben zu fühlen. Man stelle sich einmal vor: Hier sitzen wir nebeneinander, begegnen einander von außen, schauen einander an. In der Nacht aber, im Schlaf, erlebe ich den Mitmenschen, über den ich mich vielleicht gründlich geärgert habe, in meinem innersten Wesen, und zwar möglicherweise um so intensiver, je mehr ich gegen ihn einzuwenden hatte.
Was sich im Schlafe anfänglich zeigt, tritt nach dem Tode voll in Kraft. Ist der Menscheinleib einmal abgelegt und die Seele freigeworden von ihrer Bindung an das Individualisierende des Leibes, hat sich das menschliche Bewußtsein aus einem punktförmigen, selbstbezogenen Zustand erst einmal in einen Zustand der freien Vereinigung und Durchdringung so umgewandelt, daß der Mensch nicht mehr aus dem Mittelpunkt seiner Diesseitigkeit in die Welt hinausschaut, sondern aus dem leibfreien Bewußtsein der Jenseitigkeit die anderen Wesen in seinem eigenen Innern beherbergt und so als Seele unter Seelen, als Geist unter Geistern lebt, dann wird das Ursoziale der existentielle Zustand. Der andere lebt dann dergestalt in mir, daß während der ganzen Zeit des sogenannten Kamaloka, während der Läuterung der Seele in der ersten Zeit nach dem Tode, gar nicht die eigenen seelischen Erlebnisse den Inhalt des Seelenlebens abgeben, sondern alles, was durch mich den anderen zugefügt worden ist, und gerade darin besteht die Läuterung.
So kann man sagen, daß von der individuellen Zukunft unseres nachtodlichen Daseins her die Wirklichkeit des Sozialen in unser gegenwärtiges irdisches Dasein hereinweht. Aus der Vergangenheit sind wir antisozial; das Soziale ist "zukünftig" gegenwärtig. - Wann also ist der Mensch ein soziales Wesen? Nach dem Tode.
Warum braucht der Mensch die antisozialen Kräfte, das Sich-Wachhalten-Müssen, das aus dem subjektiven Sympathie und Antipathie-Element herausfließende Urteilen-Müssen, sein in der tiefsten Liebe Sich-selbst-erleben-Müssen? Indem die Geisteswissenschaft auf den einzelnen Menschen blickt, kann sie sehen, daß er zwar seine individuelle Hülle, seine individuelle Leiblichkeit, seine individualisierten Lebenskräfte, sein persönlichkeitsdurchdrungenes, subjektives Seelenleben und schließlich darin sein selbst gebildetes denkendes, vorstellendes Bewußtsein hat, er sich aber so, wie er sich heute verkörpert, von seinem wesenhaften wirklichen Ich abtrennt. Denn sie unterscheidet das in der Leiblichkeit sich selbst verwirklichende selbstbewußte "Ich" von dem eigentlichen höheren wesenhaften Ich. Diese höhere Ich ist das wahre Wesen des Menschen, das in der Verkörperung eine einmalige und doch auch wieder vorübergehende Teilerscheinung seiner selbst hervorbringt und aus ihr für sein ewiges Werden die Erfahrungen des niederen Ich nach dem Tode in sich aufnehmen kann. Aus diesem Grunde weiß der Mensch nur von dieser in einer Verkörperung sich darlebenden und zwischen Geburt und Tod eingeschlossenen irdisch gewordenen Wesenheit und verliert für sein irdisches Bewußtsein den bewußten Zusammenhang zwischen diesem in eine bestimmte Verkörperung eingespannten Erdenbild und seinem wahren ewigen Wesen.
Alles, demgegenüber der Erdenmensch "Ich" sagt, stellt nichts anderes als die Wahrnehmung des Bildes seines Ich im eigenen Bewußtsein dar. Dieses Ich selbst hat er nicht. Es ist überbewußt und unterbewußt. Die Art, wie er sich heute in die Hüllen verkörpert, bewirkt nur die Gelegenheit, sich an ihnen zu reflektieren, wodurch ein Gefühl von dem eigenen Ich, ja sogar ein gewisses Bewußtsein von ihm zustandekommt. Das wesenhafte Ich lebt jedoch außerhalb des gewöhnlichen Bewußtseins und bedient sich dessen nur als eines Spiegels. Hätte nämlich der Mensch auf der Erde sein wahres, wesenhaftes Ich bewußt verfügbar bei sich, dann wäre der gesamte Inhalt seines irdischen Erlebens er selber, und er würde weder zu eine Erfahrung des anderen Menschen noch zu einer wirklichen Begegnung mit der irdischen Welt kommen können. Das heißt aber, er wäre überhaupt nicht fähig, Erfahrungen zu sammeln, und die Folgen, die aus diesen Erfahrungen in das wahre Ichwesen zurückstrahlen, könnten dieses Ichwesen nicht bereichern.
Zur Wahrnehmung des eigenen Ich sagt Rudolf Steiner: "Und nun werden Sie begreifen, wie es sich eigentlich mit dem Ich verhält. Das geht gar nicht herein als ein reales Wesen in Ihre Sinneswahrnehmungen und in ihre Vorstellungen, sondern das bleibt im Wollen unten und schläft da weiter auch vom Aufwachen bis zum Einschlafen... Sie können das dunkle Gefühl haben, daß Sie ein Ich haben, indem aus dem Wollen heraus Ihnen erklingt etwas von dem, was Sie wei ein Loch in Ihren Seelenerlebnissen haben. Aber eben die Wahrnehmung des Ich ist eine durchaus negative. Das ist außerordentlich wichtig einzusehen. Es ist notwendig, daß jene oberflächliche Ich-Vorstellung, die auch in vielen Philosophien der Neuzeit figuriert, in ihrer Nichtigkeit erkannt werde. Denn erst, wenn man diesen ganzen Tatbestand, den ich hier Ihnen auseinandergesetzt habe, durchschaut, wird man verstehen, innerlich verstehen das Verhältnis von Mensch zu Mensch im Leben.
... Wir nehmen nicht nur, wie ich eben jetzt auseinandergesetzt habe, unser eigenes Ich, allerdings negativ eben, wahr, sondern wir nehmen auch das Ich des anderen Menschen wahr. Wir könnten es nicht wahrnehmen, wenn das Ich in unserem eigenen Bewußtsein wäre. Wäre das Ich in unserem eigenen Bewußtsein, dann wäre das Verhältnis von Mensch zu Mensch ein recht fatales; dann würden wir durch die Welt gehen und nur immer in unserem Bewußtsein innerhalb unserer Sinnes- und Vorstellungswelt Ich, Ich, Ich haben...
...Und gerade deshalb, weil unser Ich nicht in unserem Bewußtsein, sondern außerhalb unseres Bewußtseins ist, wie das Wollen auch, deshalb können wir uns in das Ich des anderen versetzen. Wäre das Ich in unserem Bewußtsein, so würden wir uns nicht in das Ich des anderen versetzen können und würden ihn nur wie in einem Schattendasein wahrnehmen."
Diesen inneren Tatsachen ist ja der denkende Menschengeist schon seit einiger Zeit auf der Spur. Am nächsten herangekommen an diesen Bereich ist Fichte. Durch energisches Denken und scharfsinnige Beobachtung konnte er bemerken, daß der Weg zum Erfassen des eigenen Ich zunächst durchaus ein negativer ist. Erst wenn der Mensch alles ausschaltet, was um ihn und in ihm nicht wirklich "Ich" ist, gelangt er dazu, den noch ausgesparten Raum als den Ort des Ich zu erfassen. Aber es kommt erst dann zu einem wirklichen Icherlebnis, wenn das Ich aus dem Unbewußten, das heißt aber schlafenden Bereich des Willenslebens herauserweckt wird. Erst das selbst wollend "sich setzende" Ich ergibt eine Art Berührung mit dem eigenen wahren Wesen des Menschen.
Zunächst steht man ja doch wohl ahnungslos solchen Tatsachen gegenüber. Und man muß sie aus dem Geiste der Wahrheit erfahren. Sobald man dann versucht, sich mit dieser Erkenntnis auseinanderzusetzen, ist es unumgänglich, daß die Sehnsucht und das Wollen in eine Krisis führen. - Der Geist der Wahrheit gibt uns die Möglichkeit, genügend wahrhaftig gegen uns selbst zu sein, das Antisoziale auf dem Grunde unseres Wesens zu erkennen und dann erst von da aus die Frage nach der Möglichkeit wahrer Gemeinschaft unter Menschen sachgemäß zu stellen.
Wie können wir zu dem Pol des Antisozialen und der Tatsache, daß der Mensch seinen geistigen Wesenskern nicht in sich trägt, den Gegenpol bilden? Wohin muß man schauen, wenn man das wirkliche Ich und durch dieses und in ihm das Soziale entwickeln will?
Ich darf zusammenfassen: Die Tatsache, daß wir unser wahres Ich nur in einem Bilde erleben, bewirkt in uns die Möglichkeit, sowohl das Ich anderer Menschen als auch die gesamte übrige Welt in sinnenfälliger Weise wahrzunehmen. Das hat zur Folge, daß wir im Wahrnehmen des anderen Menschen sowie in unserer denkenden, fühlenden und wollenden Begegnung mit dem anderen die Akte der Selbstbehauptung, des Selbsterlebens und des Sich-selbst-Wollens einfügen. Dieses sind antisoziale Verhaltensweisen. Wo liegt nun demgegenüber der Ansatz für das Soziale? Es genügt eben nicht, wahrzunehmen, daß der andere Mensch da ist und er so ist, wie er für uns in der Begegnung im Denken, Fühlen und Wollen uns erscheint und auf uns wirkt und wir auf ihn wirken. Wir müssen vielmehr einen Ansatz finden, um bei voller Selbstbehauptung die wahre Existenz des anderen zu erfassen. Rudolf Steiner zeigt auf, daß diese Möglichkeit im Fühlen zu finden ist. Man könnte meinen, ein sachgemäßes Denken über den anderen oder ein selbstloses Wollen würde am ehesten zu einem sozialen Grundverhalten führen. Das ist aber merkwürdigerweise nicht der Fall. Und so sagt Rudolf Steiner folgendes: "Wir können gar nicht in unseren Unterbewußten ein richtiges Bild des Nebenmenschen haben. Gewiß, wir haben manchmal auch ein zu gutes, aber es ist immer nach Sympathien und Antipathien gebildet, und es bleibt nichts anderes übrig, als sich eine solche Tatsache einfach zu gestehen, sich zu gestehen, daß man auch da als Mensch nicht etwas sein kann, sondern etwas werden soll. Man muß sich sagen, daß man namentlich mit Bezug auf den Gefühlsverkehr mit anderen Menschen ein erwartendes Leben führen muß. Man darf nicht auf das Bild gehen, das sich einem zunächst von dem Menschen aus dem Unterbewußten in das Bewußtsein heraufdrängt, sondern man muß versuchen, mit Menschen zu leben. Man wird sehen, wenn man versucht, mit den Menschen zu leben, daß sich aus der antisozialen Stimmung, die man eigentlich immer zunächst hat, die soziale Stimmung herausentwickelt."
"Einer von den Impulsen, die uns beseelen..., ist doch der, daß wir gewissermaßen das, was die meisten Menschen nur für die erste Jugend gelten lassen, ins ganze Menschenleben hineintragen: Wir setzen uns, wenn wir vielleicht sogar längst grau geworden sind, noch auf die Schulbank, auf die Schulbank des Lebens allerdings... Aber das ist dasjenige, was uns gründlich als Empfindung vor die Seele tritt, indem wir uns dem Nerv der geisteswissenschaftlichen Bewegung nähern: daß der Mensch wirklich sein ganzes Leben hindurch zu lernen hat, wenn er den Aufgaben dieses Lebens gewachsen sein will. Das ist so sehr wichtig, daß wir auch mit dieser Empfindung uns durchdringen. Wenn nicht gebrochen wird mit dem Glauben, daß man durch die Anlagen, die man entwickelt bis zum zwanzigsten oder fünfundzwanzigsten Jahre, schon alles beherrschen kann, daß man dann nur zusammenzukommen braucht in den Parlamenten oder sonstwo, und über alles entscheiden kann, solange nicht gebrochen wird mit dieser Anschauung, mit dieser Empfindung, solange kann nicht irgend etwas Heilsames in der sozialen Struktur der Menschen zustande kommen."
Aus diesen Worten geht eine Erleuchtung hervor, die sich nahezu philosophisch formulieren läßt: Durch das Gefühl dafür, wie der andere Mensch ist, wie wir über ihn denken, was uns an ihm sympathisch oder antipathisch ist, können wir den Impuls vom "Sein" zum "Werden" fassen. Indem wir ein Gefühl dafür entwickeln, daß jeder Mensch, dem wir wahrnehmend, denkend, fühlend und wollend begegnen, in jedem Augenblick ein anderer ist und dies gerade sein wahres, wirkliches Wesen ausmacht, können wir zu seinem innersten Wesen als einem werdenden erwachen. Erst das bedeutet eigentlich, durch seine Hüllen hindurch ihn als rein geistiges Wesen zu erfahren. Das aber heißt letzten Endes voll mitzuerleben, was in diesem anderen Menschen vorgeht; es heißt zu erfassen, wie sich sein Geistwesen in seiner Hüllennatur und in seiner sozialen Situation ringend darlebt. Wenn man das Verhältnis des Menschen zur Gottheit in die Betrachtung dieses Tatbestandes einbezieht, dann könnte man sagen: Wir begeben uns aus der Sphäre des Vaters, in welcher der Mensch ist, mitfühlend in die Sphäre des Sohnes, in welcher der Mensch wird. Vielleicht leuchtet das hier Gemeinte besonders deutlich in der Erinnerung an Goethes Prolog zum "Faust" auf, wo der Herr zu den Erzengeln spricht:
"Doch ihr, die echten Göttersöhne,
"Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfaß euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken!"
Meine sehr verehrten Anwesenden! Vielleicht kann man nicht gleich beim ersten Mal, wenn man diesen Impuls zu erfahren bekommt, dessen volle Bedeutung erfassen. Man wird schon eine Weile damit leben und es immer wieder praktizieren müssen, bis sich dieser Impuls in der eigenen Seele so weit belebt und verstärkt, daß er sozial wirksam wird. Unwillkürlich stellt sich die Frage: Soll diese Weiterführung angesichts des so stark Antisozialen im Menschen nun auf einmal etwas so Einfaches, im ersten Augenschein vielleicht sogar >Banales< sein? Soll hier wirklich die Lösung für eines der tiefsten Rätsel, für eines der größten Probleme der heutigen Menschheit liegen? - Und dennoch ist es so. Denn einerseits ist es selbstverständlich, daß das Antisoziale in uns die Notwendigkeit unserer Selbstfindung, Selbstgestaltung und Selbstbehauptung sein muß; andererseits liegt darin auch ein Werdendes. Sobald wir den Zustand unserer inneren Autonomie durch die Betätigung unseres antisozialen Verhaltens erreicht haben, können wir den Schritt zur Anerkennung der Tatsache vollziehen, daß für den anderen Menschen das gleiche gilt. Ihn ebenfalls als werdendes Geistwesen zu erfühlen, bildet die allererste Brücke von Mensch zu Mensch, ist gewissermaßen das soziale "Uratom"; und erst von dieser Stufe aus können wir auf die weiteren geisteswissenschaftlichen Angaben eingehen, die uns den sozialen Ansatz in Denken, Fühlen und Wollen verständlich und möglich machen.
Wie also finden wir im Denken und Vorstellen, das durch die Notwendigkeit, sich selbst gegenüber der einschläfernden Gewalt des anderen Ich wachzuhalten, antisozial wirkt, den sozialen Ansatz? Wir finden ihn dadurch, daß wir in dieses Denken nicht nur den anderen Menschen, sondern auch seine soziale Bedeutung für uns aufnehmen. Ganz einfache Gedanken gilt es nun in aller Besonnenheit vor das Bewußtsein zu stellen. Es sind Gedanken, die sich auf alle die Zusammenhänge beziehen, durch die wir als Erdenmenschen in Wahrheit leben. Dabei kommt es vollem darauf an, sie nicht nur als Selbstverständliches, schon Gedachtes aufzufassen, sondern sie in ihrer vollen Bedeutung auf die eigene Seele wirken zu lassen.
Wir leben in dem gesamten Umfang unseres irdischen Daseins im Zeitalter der arbeitsteiligen Wirtschaft von der Arbeit unserer Mitmenschen. Nahrung, Kleidung, Wohnung, Zivilisation und Kultur, alles, was wir brauchen und verbrauchen, entsteht aus der Arbeit anderer Menschen, genauso wie andere Menschen aus unserer Arbeit leben. Wir nehmen in unsere Gedanken diesen Tatbestand in seiner vollen Bedeutung frei auf, und der soziale Akt, der sich daran anschließt, ist die daraus erwachsende Dankbarkeit an Bekannt und Unbekannt. Wer das niemals in seinem Bewußtsein vollzieht, wird in Denken und Danken nicht sozial sein können. Übt man sich aber in diesem Akt der Selbsterziehung, dann wird man ihn sogar über die Menschenwelt hinaus erweitern können und sich all dessen bewußt werden, was man der gesamten Natur vom Himmel bis zur Erde, den in ihr wirkenden Naturwesen verdankt. Andererseits lernen wir auch erfassen, wieviel unseres seelisch-geistigen Werdens wir anderen Menschen verdanken, denen wir begegnet sind und begegnen werden. Selbst der so umfassend genial begabte Goethe hat zum Ausdruck gebracht, daß er seinen Werdegang vor allem den Anregungen und Gaben anderer Menschen verdanke.
Diese Sozialisierung des Denkens läßt sich noch weiter vertiefen, sobald wir das Mitwirken einer unsichtbaren geistigen Welt an unserem Werden in Schuld und Schicksal und noch mehr an unserem Menschsein als solchem danken vorstellen. Wir können uns in ganz nüchterner Erkenntnis selbst darüber belehren, indem wir uns sagen: Mein irdisches Leben verdanke ich der Arbeit meiner Mitmenschen, mein seelisch-geistiges Werden und Entfalten menschlichen Begegnungen, auch solchen, die mir vielleicht Ungutes angetan haben; mein natürliches Dasein verdanke ich dem Walten der Natur, und mein Menschsein als solches der Gottheit. Erst in Verarbeitung, im Zu-eigen-Machen alles dessen, was mir gegeben ist, liegt der eigene Anteil an meinem Werden.
Welches ist die Voraussetzung dafür, daß ein solches Denken innerhalb eines sozialen Organismus zur Geltung kommen kann? Die Antwort auf diese Frage finden wir bei Rudolf Steiner in folgenden Ausführungen: "Sozialisierung kann sich nur beziehen auf die äußere Gesellschaftsstruktur. Die kann aber in unserem fünften nachtatlantischen Zeitraum eigentlich nur in einer Bändigung der antisozialen Vorstellungsinstinkte geschehen. Das muß eine Widerlage haben, das muß durch irgend etwas ins Gleichgewicht gebracht werden. Ins Gleichgewicht aber kann das nur gebracht werden dadurch, daß alles, was aus früheren Zeiträumen, in denen es berechtigt war, an Knechtung der Gedanken, an Überwältigung der Gedanken eines Menschen durch den anderen stammt, daß der mit der zunehmenden Sozialisierung aus der Welt geschafft wird. Daher muß die Freiheit des Geistelebens neben der Organisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse, in der Zukunft stattfinden. Diese Freiheit des Geisteslebens allein mach möglich, daß wir in dem andern den Menschen sehen, der vor uns steht, nicht den Menschen im allgemeinen."
In dem Maße, wie durch die Freiheit des Geisteslebens das denkende menschliche Bewußtsein zur Entfaltung sozialer Kräfte angeregt wird, entsteht eine zweite Möglichkeit, die sich auf das menschliche Fühlen bezieht. Das Antisoziale des Fühlens kommt ja dadurch zustande, daß wir uns in Sympathie oder Antipathie ein verzerrtes Bild von dem anderen Menschen machen und es zur Grundlage für unser Gefühlsurteil ihm gegenüber gebrauchen. Andererseits dürfen wir Sympathie und Antipathie keineswegs ausschalten, da sie die Gefühlsbeziehung zu dem anderen Menschen herstellen. Es liegt also in diesen Gefühlsregungen ein Doppeltes: Auf der einen Seite verbinden sie mich mit dem anderen, sind Wahrnehmungsorgane, auf der anderen Seite subjektivieren sie das Wahrgenommene. Der soziale Impuls besteht nun darin, daß wir lernen, das durch Sympathie und Antipathie Wahrgenommene nicht auf uns selbst beziehen, und den energischen Versuch machen, die Bedeutung für den anderen Menschen als ein werdendes, sich selbst suchendes geistiges Wesen herauszufinden. Was mir am anderen Menschen nämlich sympathisch oder unsympathisch auffällt, verbinde ich zwar für mich mit einer ganz bestimmten Vorstellung, er aber mit einer durchaus davon verschiedenen. Vermag ich nun zu begreifen, was seine Wesensäußerungen ihm selbst sind, so beginne ich mit ihm mitzufühlen und dadurch das verzerrte Bild, das Sympathie und Antipathie mir von ihm hervorgerufen haben, zu korrigieren. Ich werde erfahren, daß der andere Mensch mit seiner Konstitution, seinen Schwächen und Vorzügen, seinem Schicksal genauso ein ringendes Wesen ist wie ich.
Auch dieser Ansatz der sozialen Kraft im Fühlen ist einer Erweiterung und Vertiefung fähig. Denn so, wie ich im eigenen seelischen Ringen um meine geistige, moralische Existenz an die Sphäre herankomme, in der ich auf die Hilfe des Göttlichen rechnen kann, ebenso werde ich erleben können, daß diese auch dem anderen Menschen gilt, weil auch mein Menschenbruder ein Kind Gottes ist. Darum sagt Rudolf Steiner einmal, die aus Matthäus (25.40) bekannten Worte des Christuswesens könnten in der heutigen Zeit umgewandelt heißen: "Was du verstanden hast von dem geringsten meiner Brüder, das hast du von Mir verstanden."
Solange wir im Anschauen unserer Menschenwesenheit beim Wahrnehmen, Denken und Fühlen bleiben, verfügen wir über ein gewisses Maß an Bewußtheit. Nun ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Geisteswissenschaft die auf den Willen bezogene. Im Wollen selbst sind wir schlafend, das heißt unbewußt. Andererseits konnten wir vorhin sehen, daß auch die sozialen Vorgänge im Menschenwesen solche des Schlafes sind. Damit berühren sich diese beiden Fragen. Der menschliche Wille wird von drei Seiten her angefacht. Das eine sind die Regungen, die aus unserer Organisation als Instinkte, Triebe und Begierden aufsteigen; das andere ist die Anregung des Willens durch Vorstellungen, die ihn motivieren. Wir haben schon davon gesprochen, daß derlei zunächst zu antisozialem Verhalten führt. Nun gibt es aber auch Gefühle, die in den Willen übergehen können. Indem man den Ansatz bedenkt, der für das Soziale im reinen Mitfühlen mit dem anderen Menschenwesen, dessen innerstem Streben und Ringen zu einem unverfälschten Bild, zu einem echten Verständnis des anderen Menschen führt, läßt sich von hier aus auch der Ansatz für die Entwicklung sozialer Kraft im Wollen finden. Es ist insofern ein Ansatz, als ich nur bis zu einem gewissen Grade dieses Gefühlsverständnis für den Mitmenschen zu entwickeln vermag, da ich ja nicht in der Lage bin, bis dorthin mit meinem Fühlen vorzudringen, wo der andere selbst ein fühlendes und wollendes Wesen ist. Gewiß steigt auch bei ihm aus dem Wollen das wahre Wesen immer wieder auf, aber dieser Quellgrund ist sowohl für mich als auch für ihn selbst im Schlafenden, Unbewußten verborgen. Es ist ein Geheimnis, ein Mysterium. Jeder Versuch, in den Bereich einzudringen, den Rudolf Steiner, ein Wort von Jean Paul zitierend, auch >das verhangene Allerheiligste< im Menschen nennt, ist zum Scheitern verurteilt. Kein Psychologisieren, weder im Sinne der modernen Tiefenpsychologie noch im Sinne irgendeiner Selbstbetrachtung, führt dort hinein. Wir werden gerade nicht sozial, wenn wir in den schlafend verborgenen Ich- und Willensbereich eindringen wollen, denn dann vergewaltigen wir den Mitmenschen. Man wird vielmehr sozial, wenn man darauf verzichtet und das tiefste Wesen des anderen Menschen, um mit einem Wort von Novalis zu sprechen, in den "Geheimniszustand" versetzt und den Willen des anderen für sich selbst unberührbar macht. Dann erst werden wir in jeder menschlichen Beziehung auf die jeweils mögliche Selbstoffenbarung dessen warten lernen, was der andere Mensch will. Etwas aber kann immer zur Willensbegegnung führen: Man kann fragen. Vielleicht fühlt sich der andere Mensch durch die Frage sogar in sich selbst angeregt, etwas aus seinem >verhangenen Allerheiligsten< zur Erscheinung zu bringen. Im Grunde wird unser Wille nur sozial, wenn wir liebevoll herauszufinden versuchen, was der andere Mensch eigentlich will; dann erst vermögen wir den eigenen Willen dem Willen des anderen zur Verfügung zu stellen. Er wird sich von uns echt gefragt, aber auch echt freigelassen fühlen; wir werden uns ihm wollend liebevoll bezeigen. Wie soll soziales Leben denn verwirklicht werden, wenn nicht Mensch dem Menschen Möglichkeit gibt, sein Wollen zu offenbaren? Auf jede andere Weise muß Vergewaltigung entstehen.
In dem Maße, wie wir an diese Tatbestände herankommen, ist wiederum eine Vertiefung in das Religiöse hinein möglich, denn das geistige Urbild für das Willensverhältnis von einem Wesen zu einem anderen ist für uns Menschen in der Erscheinung des Christuswesens gegeben worden. Die Art, wie Er sich zum Willen des Menschen verhält, ist im Grunde immer eine Frage: "Willst du gesund werden?" - "Liebst Du mich?", oder eine Antwort auf eine bereits gestellte Frage des Menschen und damit ein Eingehen auf den Willen des Menschen.
Es bedarf allerdings einer großen Kraft, auf die Willensoffenbarung warten, sie wirklich berücksichtigen zu können. Aber diese Kraft erwächst aus dem rechten Gefühlverständnis für den anderen Menschen und aus dem vollen Bewußtsein um das Mysterium des menschlichen Ich. Sowohl die wahre Brüderlichkeit als auch die wahre Freiheit der Menschen untereinander, das heißt das wahre Zeichen des Individualismus - jetzt als Quelle des Sozialen -, liegen hier verborgen.
Im Übergang vom Antisozialen zum Sozialen im individuellen Menschen durch Selbsterkenntnis und Selbsterziehung allein kann heute im Zeitalter des Individualismus die Grundforderung für das soziale Leben gesehen werden. Es muß im Sinne der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners als ein Mißverständnis erachtet werden zu meinen, daß diese Grundforderung in den Einrichtungen liege, die von den gesellschaftlichen Verhältnissen, vom sozialen Organismus herkommen. Die soziale Grundforderung richtet sich ausschließlich an den einzelnen Menschen. Ihn aber kann nichts und niemand sozialisieren, es sei denn er selbst, wenn auch mit Hilfe und dem Beistand seiner Mitmenschen. Soziale Einrichtungen sozialisieren nicht den Menschen, sondern nur dasjenige, was zwischen Menschen ausgetauscht wird, zwischen ihnen hin und her geht, was von dem einen Menschen für den anderen geleistet wird. Rudolf Steiner sagt: "Richten Sie da oder dort dies oder jenes ein - wenn Sie die Menschen nicht hineinsetzen, die im Sinne unseres Zeitalters denken, dann können Sie die beste oder die schlechteste Einrichtung machen, sie werden beide entweder zum Heil oder zum Unheil ausschlagen, je nachdem Sie Menschen hineinsetzen. Worauf es heute ankommt, ist, daß der Mensch wirklich begreife: Er muß werden, er kann nicht auf irgend etwas geben, was er schon ist, er muß fortwährend ein Werdender sein. Er muß sich auch dazu verstehen, wirklich in die Wirklichkeit hineinzuschauen. Dem ist man aber sehr, sehr abgeneigt..."
Die soziale Grundforderung besteht in der Selbsterkenntnis und Selbsterziehung des Menschen und dem Grundgefühl, sich selbst und seine Mitmenschen als werdende Wesen zu erleben. Soziale Einrichtungen sind nur dann richtig, wenn sie so verfaßt sind, daß diese Grundforderung in ihnen enthalten ist und sich in ihnen entfalten kann. Da der Austausch zwischen Mensch und Mensch in seiner Gesamtheit ein Dreifaches ist, entsteht das Bild eines sozialen Organismus, der dreigliedrig eingerichtet werden muß. Die Geisteswissenschaft betrachtet die Gesamtheit der Vorgänge, die sich zwischen den Menschen abspielen, als den Austausch von Gütern. Auf dem wirtschaftlichen Feld sind es die materiellen Güter, auf dem geistigen Feld geistige Erkenntnisse, künstlerische Produktionen und religiöse Lebenseinrichtungen, und in den rechtlichen Beziehungen der Menschen untereinander sind es die Vorgänge des gerechten Ausgleichs der Rechte und Pflichten im Sinne einer Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung alles dessen, was Menschenantlitz trägt. Diese zwischenmenschlichen Vorgänge, Inhalte und Güter geschehen erst dann gesund, wenn jedes der oben genannten drei Gebiete seinen ureigenen Gesetzmäßigkeiten folgen kann. Die materiellen Güter müssen brüderlich erzeugt und verwaltet werden; die geistigen Güter müssen in Freiheit erzeugt und übergeben werden; die Rechte und Pflichten der rein menschlichen Beziehungen untereinander müssen dem Gesetz der Gleichberechtigung folgen. -
Indem man diese Ideen und Erkenntnisse zur Aufgabe sozialer Einrichtungen zu machen versucht, entsteht allzuleicht das oben erwähnte Mißverständnis. Die Dreigliederung des sozialen Organismus, von der die Geisteswissenschaft spricht, darf nur so gedacht werden, daß der Mensch niemals als Objekt an ihr teilhat, vielmehr nur die unter Menschen ausgetauschten Güter, Beziehungen und Inhalte:
1.) Alles geistige Produzieren, alles geistige Ernähren und alles geistige Genießen muß unter Menschen freigemacht werden; aber nicht der Mensch, denn freimachen kann sich der Mensch nur selbst.
2.) Es müßte der entscheidende Schritt getan werden, auch noch die Arbeit als das letzte dessen, was heutzutage vom Menschen sozialisiert ist, aus dem wirtschaftlichen Felde so herauszulösen, daß sie nicht mit Geld, sondern nur wieder mit Arbeit ausgetauscht und ausgeglichen wird. -
3.) Auch die Ordnung als das dritte, mittlere Gebiet darf sich nur auf das Geschehen zwischen den Menschen beziehen, denn ordnen kann sich der Mensch nur selbst. (Nummerierung KK).
Darum sagt Rudolf Steiner: "Daher ist es so notwendig, daß der Mensch in diesem Zeitraum mit seinem ganzen Wesen ausgegliedert wird von der sozialen Ordnung. Sonst kann das eine und das andere nicht rein sein. - Sehen Sie, in früheren Zeitaltern hatte man Stände, hatte man Klassen. Unser Zeitalter kann isch nicht mehr die Menschen in Klassen einteilen, sondern es muß den Menschen in seiner Gesamtheit gelten lassen und in eine solche soziale Struktur hineinstellen, daß nur das von ihm Abgesonderte sozial gegliedert ist... Im griechisch-lateinischen Zeitalter konnte noch das Sklaventum herrschen, da war der eine der Herr, der andere der Sklave, da waren die Menschen eingeteilt. Heute haben wir als Rest gerade dasjenige, was den Proletarier in solche Aufregung versetzt. daß seine Arbeitskraft Ware ist, daß also etwas, was in ihm ist, noch äußerlich organisiert ist. Das muß weg. Und nur dasjenige kann sozial gegliedert werden, was nicht am Menschen hängt: seine Position, der Ort, an den er hingestellt ist, nicht etwas, was in ihm selbst ist."
Das Verständnis dafür, daß die Sozialisierung des Menschen seine eigene freie Tat sein muß und nur das sich vom einzelnen Menschen ablösende "Gut", das vom einen zum andern Menschen übergeht, durch Einrichtungen sozialisiert werden kann, führt zur Begriffsbestimmung der Frage von Individualismus und Gemeinschaft. Durch die Sozialisierung der Güter und deren Austausch entsteht Gemeinsamkeit um uns und außer uns. Dieser Bereich ist durch die Ideen für die Dreigliederung des sozialen Organismus bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet worden. Die Menschheit hat diese Impulse nur nicht erkannt und ergriffen. Statt dessen versucht man heute, soziale Formen zu entwickeln, die den Menschen selbst gewaltsam "sozialisieren". Hier liegt die Ursache für das Chaos unserer Zeit. Durchschaut man das aber, dann wird man gewahr, daß die Sozialisierung des Menschen durch sich selbst auf allen vier Gebieten des menschlichen Seelenlebens, im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen, letztlich ein religiöses Problem ist.
Wir haben vorhin zu sehen versucht, wie das Sozialwerden unseres Innenlebens immer an die Grenze des Göttlichen in uns rührt. Gerade im Zeichen des Individualismus wird der notwendigerweise antisoziale Einzelmensch durch die Begegnung mit dem Göttlichen brüderlich, denn dieser Impuls geht als Christusimpuls aus dem Willen der Gottheit selbst hervor. Der einzelne Mensch wird sozial in dem Maße, wie der Christus in ihm wirksam wird. Wahre Brüderlichkeit ist Religion nicht nur gegenüber der Gottheit, sondern auch gegenüber den Mitmenschen und gegenüber der Natur. Schaut man auf den dreigliedrigen sozialen Organismus, dann kann man sagen: Gemeinsamkeit außer uns - Individualismus in uns - und durch den Christus in uns Brüderlichkeit, individuelle soziale Kraft. Das Gemeinsame außer uns und um uns vergewaltigt unseren Individualismus nicht, sondern gibt ihm die Möglichkeit, sich sozial zu betätigen. Der Christus in uns gibt uns die Möglichkeit, mehr und mehr brüderlich zu werden, die sozialen Kräfte zu erringen - zu erüben - zu betätigen.
Man könnte sich vorstellen, daß in einer größeren Gruppe von Menschen die Gedanken der Dreigliederung Fuß fassen würden. Es würde dann die Mehrheit diese Gruppe vielleicht mißachten, ablehnen oder bekämpfen. Wie würde die Gruppe sich selbst fühlen? An dieser Stelle erscheint ein weiteres Grundproblem der sozialen Frage, und zwar die Gefahr des Sektiererischen, die alle menschlichen Gruppierungen bedroht, welche sich von anderen durch ihnen angehörende Gemeinsamkeiten unterscheidet. Zu diese Schwierigkeit hat sich Rudolf Steiner in folgender Weise geäußert: "Die andere Erscheinung ist die Sektiererei in irgendeiner Form. Es ist ja eine tiefe Neigung vorhanden, gerade in solchen Bewegungen, die sich auf das Geistige beziehen, Sektiererei zu betreiben. Ob diese Sektiererei sich nun aus kleinen Cliquen herausentwickelt, die mit sektiererischem Charakter, wenn auch in sehr inferioren Dingen, auftreten, oder ob direkt Sektiererei getrieben wird, darauf kommt es nicht an...
...Es sollte schon jeder mit sich zu Rate gehen mit Bezug auf diese Frage: Wieviel steckt in mir noch Sektiererisches? Denn die moderne Menschheitsbewegung geht darauf aus, alles Sektiererische auszutreiben, nicht sektiererisch zu sein, nicht abstrakt zu sein, sondern menschenfreundlich zu sein, weite, nicht enge Gesichtspunkte zu gewinnen... Und die weiteren Horizonte sind uns vor allen Dingen nötig, das unbefangene Hinblicken auf die Wirklichkeit".
"Man muß schon die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit haben, zu wissen, daß man drinnensteckt in dem gegenwärtigen sozialen Prozesse und daß man nicht bloß durch irgendwelche Selbsttäuschung herauskommt, sondern daß man sein Möglichstes tun soll, damit der soziale Prozeß im Ganzen zur Gesundung kommt. Der einzelne kann sich nicht helfen - so wie die Menschheit heute entwickelt ist -, sondern er muß das Seinige dazutun, um der armen Menschheit mitzuhelfen. Nicht darauf kommt es heute an, daß wir uns sagen: ich will ein guter Mensch sein, uns hinsetzen, Gedanken aussenden, die alle Menschen lieben, und so weiter, sondern darauf, daß wir, in diesem sozialen Prozesse drinnenstehend, uns verstehen, daß wir das Talent entwickeln, auch schlecht zu sein mit der schlechten Menschheit; nicht weil das gut ist, schlecht zu sein, sondern weil eine soziale Ordnung, die überwunden werden muß, den einzelnen eben dazu zwingt, so zu leben. Nicht von der Illusion, wie brav, wie gut wir sind, sollen wir leben wollen, und uns die Finger ablecken, wie wir selber besser sind als die anderen, sondern wir sollen wissen, wie wir drinnenstehen in der sozialen Ordnung, und uns keinen Illusionen hingeben, desto mehr wird der Elan in uns Platz greifen, mitzuarbeiten an dem, was zur Gesundung des sozialen Organismus führt, die Fähigkeiten uns zu erobern, aufzuwachen aus dem Schlafzustand, der die heutigen Menschen so tief umfangen hat."
Aus diesen Worten Rudolf Steiners geht nun allerdings etwas sehr Merkwürdiges hervor: Es hat die Gemeinsamkeit um uns nicht nur dort Gültigkeit, wo wir mit Menschen gleicher Denkungsart, gleicher Gesinnung, auch gleicher geistiger oder seelischer Güter verbunden sind, sondern auch dort, wo sie sich auf die ganze mit uns lebende Erdenmenschheit bezieht, in der Einrichtungen und Vorgänge vorhanden sind, die wir selbst als schlecht bezeichnen müssen. Sich von diesen so abzusetzen, daß man mit ihnen nichts zu tun haben will, bedeutet Sektiererei. Und wenn Rudolf Steiner so extrem formuliert, "daß wir das Talent entwickeln, auch schlecht zu sein mit der schlechten Menschheit", so bedeutet das die schärfste Form der Vermeidung alles Sektiererischen, der Vermeidung jeglicher Art von antisozialem Gruppenegoismus. -
Schaut nicht auch hier das Auge der Gottheit auf uns, die sich mit "Zöllnern und Sündern" an einen Tisch setzt? Und man kann ja wirklich die Frage haben, wodurch das Sektiererische eigentlich entsteht: Ist es nicht ein Verhalten, das etwas Gemeinsames für sich persönlich in Anspruch nimmt, so, als wäre der einzelne schon das, was als geistiges oder seelisches Gut Gemeinsamkeit ist? Es neigen religiöse, geistige oder weltanschauliche Gemeinschaften immer zu Sektiererei. Wenn aber die Gemeinsamkeit um uns, das heißt sowohl der gesunde als auch der kranke Organismus, nur durch das "Christus in uns" im Zeichen der Individualität gedacht, gefühlt und gewollt werden kann, erhebt sich hier für unsere gesamte Betrachtung die Frage nach den Gemeinschaften, die auf dem Felde des geistigen Lebens entstehen. Wie ist es mit der geistigen Gemeinschaft im Zeichen des Individualismus?
Bei dieser Frage steht nun wieder das Urbild des Anfangs vor uns, das Urbild von Pfingsten. Wieso ist Pfingsten auf der einen Seite das Fest der freien Individualität, auf der anderen Seite das Fest der Gemeinschaft in der Sphäre des Heiligen Geistes? - Schauen wir zum Schluß noch einmal auf die innere Auseinandersetzung, die aus Selbsterkenntnis und Selbsterziehung das Antisoziale in uns mit dem Sozialen in Wechselwirkung bringt. Wenn ich auf dem Wege des Denkens von der Selbstbehauptung zur denkenden Erkenntnis dessen übergehe, wovon der Mensch lebt, dann ist das tiefste Denken die Dankbarkeit und Andacht der Gottheit gegenüber, der ich mein wahres Ich verdanke, das in dem Maße in mir wirksam wird, in dem der Christus in mir wirksam wird. - Es gibt ein Dichter-Wort über den Menschen: "Dein tiefstes Denken wird Andacht sein, die sich in Gott will senken". - Und wenn ich im Fühlen auf dem Wege zu dem wahren Bild des anderen Menschen dessen Ringen als werdendes Geistwesen erlebe und in Zusammenhang bringe mit meinem eigenen tiefsten Ringen, dann komme ich auch dort an den Punkt, wo ich nun nicht nur mein wahres Ichwesen dem Christus verdanke, sondern auch wahrnehmen kann, wie dieses Christuswesen im Sinne des Satzes "Was ihr verstanden habt von dem geringsten meiner Brüder, das habt ihr von mir verstanden" in dem anderen Menschen und in mir mit jedem Menschenwerden voll mitfühlt und miterlebt. Der Christus in mir ist der mich mit mir Schaffende, er ist aber auch der mich mit mir Mitfühlende, und ebenso in jedem anderen Menschen. Und wenn ich wollend mich selbst und den anderen Menschen mir zum Geheimnis mache, dessen Offenbarung wollend und fragend erwarte, dann wird mir wiederum das Christuswesen zu dem, der mich fragt und der im Fragen seinen Willen mit meinem Willen verbindet. - Schiller hat das einmal so ausgedrückt: "Nehmt die Gottheit auf in euren Willen - und sie steigt von ihrem Weltenthron."
Was also heißt "Christus in mir", "Christus in uns" im Zeichen des Individualismus? Es heißt, daß gerade dort, wo der Mensch mit seinen antisozialen Kräften in das Allerindividuellste hineinarbeitet, der einzigartige geistige Ort in ihm entsteht, in dem das Christuswesen sich voll mit dem individuellen Menschen-Ich verbindet. Dies ist die Flamme auf dem Haupte und im Herzen der durch den Christus zu sich selbst befreiten Individualität. Das Zeichen des Individualismus wird zum Zeichen des Christus im Ich. Das Unfaßliche aber daran ist - und das ist das Mysterium des Christus-Ich -, daß Er eben doch immer derselbe eine Christus ist. In dem Maße, wie Er selbst dieses sein Mysterium in uns enthüllt, sendet Er in uns den Geist, der als Geist der Wahrheit uns eine Gemeinsamkeit erlebbar macht, die zwar über uns, aber auch uns allen gemeinsam ist. Es ist die die Gemeinschaft jener Menschen, die als deren Glieder im Sinne des Credo der Christengemeinschaft "den Christus in sich fühlen". In dieser Gemeinschaft über uns weht das Brausen des Heiligen Geistes. - So dürfen wir auch hier mit Rudolf Steiner formulieren: "Gemeinsamkeit über uns - Christus in uns."
Gemeinschaft im Zeichen des Individualismus:
Christus in uns - Gemeinsamkeit um uns und außer uns in allen sozialen Verhältnissen.
Christus in uns - Gemeinsamkeit über uns in allen geistigen Verhältnissen.
Christus in uns - Gemeinsamkeit unter uns in allen unseren Beziehungen zur geschaffenen Natur.
In diesen drei Verhältnissen steht der einzelne Mensch als Erdenmensch, als sich entwickelndes, werdendes Wesen real darin, und es hängt im Zeitalter der Bewußtseinsseele ausschließlich von ihm selbst ab, wie weit er an der Fortbildung dieser Verhältnisse mitarbeiten will
Dann erst kann sich der einzelne in Einsicht und Freiheit in die Ordnungen, die im Gemeinsamen liegen, entsprechend seinen individuellen Möglichkeiten einfügen.
Und es wird immer neu Pfingsten. Oder, wie es Rudolf Steiner auch formuliert hat: Welten-Pfingsten.
(Gelbe Markierungen und Hervorhebungen von Karl-Heinz Kaesebier)
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