Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

II,11 Ahrimans Wirken im Leben nach dem Tode

   Um tiefer verstehen zu können, was Ahriman mit seiner Inkarnation auf der Erde erreichen will, müssen wir auf das Leben nach dem Tode derjenigen Menschen einen Blick werfen, die auf der Erde nur materialistisch dachten und fühlten: "Hier auf Erden herrschen die materialistischen Gedanken. In der geistigen Welt als Karma daraus, herrscht gewissermaßen als die Folge, als die materialistische Folge, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen kann: die Verirdischung der spirituellen Leiblichkeit des Menschen" ("Das Geheimnis des Lebens nach dem Tode" GA153/157). Was heißt das: die Verirdischung der spirituellen Leiblichkeit des Menschen? Geht der Ätherleib während des irdischen Lebens eine zu starke Verbindung ein mit dem physischen Leib, dann verliert er seine eigene Macht und Gestaltungskraft, nimmt die Gesetzmäßigkeit des physischen Leibes an. Er erstarrt und verfestigt sich immer mehr. Das ist ein großes Ziel des Doppelgängers im Menschen. Dadurch bindet sich der Mensch an die Kräfte der Erde. Nach dem Tode, wenn der physische Leib abgelegt worden ist, kann der Ätherleib sich nicht auflösen, weil in ihm noch die Gesetzmäßigkeit des Erdenleibes, seine Verfestigung, seine Verdichtung nachwirkt. Dadurch kann ein solcher Mensch sich nicht aus der Ätherumgebung der Erde lösen, um sich zu den höheren Sphären des Daseins zu erheben. Er bleibt für lange Zeit an die Erde gefesselt und muß dem Ahriman dienen.

   In der nachatlantischen Zeit verdunkelte sich nicht nur das Erdensein für die Menschen mehr und mehr - das begann schon mit dem Sündenfall - sondern auch das Leben nach dem Tode, bis hin zur griechischen Kulturepoche. Da war die Welt nach dem Tode so verdunkelt, daß der Grieche lieber ein Bettler S44 auf Erden sein wollte, als ein König im Reiche der Schatten. Während der drei Tage zwischen Tod und Auferstehung weilte Christus in der Unterwelt bei den Toten, die sich nicht mehr von der Erde zur Geisteswelt erheben konnten. Er legte Ahriman, der in diesem Reiche eine große Macht errungen hatte, in Fesseln, öffnete damit den Toten das Tor zur göttlichen Welt. Aber - und das ist die Tragik - doch nur für die Menschen, welche begannen, sich mit dem Christusimpuls zu durchdringen: "Aus dem, was gesagt worden ist, können Sie entnehmen, daß sozusagen gerade durch die Erscheinung des Christus - wenn wir den Ausdruck gebrauchen wollen - Ahriman in Fesseln gelegt worden ist -, allerdings nur für diejenigen, die immer mehr versuchen, das Christus-Mysterium zu durchdringen. Und immer weniger wird der Schutz in der Welt sein gegen den Einfluß Ahrimans außerhalb der Kräfte, die vom Christus-Mysteriums ausströmen. In gewisser Weise geht unsere Zeit - und viele Erscheinungen künden das an - diesen Einflüssen Ahrimans entgegen" ("Die Christustat und die widerstrebenden geistigen Mächte" GA107). Das hat seine Folgen im Leben nach dem Tode. Der Mensch bleibt für eine lange Zeit an die Erde gebunden und strömt von dorther zerstörende Kräfte in die Welt, wie ich bereits darstellte: "So daß durch solche Menschen, die also durch ihr Leben innerhalb des physischen Leibes sich nach dem Tode noch lange hineinbannen in die irdisch-physische Welt, zerstörende Kräfte innerhalb der physischen Welt geschaffen werden" (GA107).

   Es ist schon eine wichtige Erkenntnis, wenn man durchschaut, daß Ahriman die Menschen auf der Erde so präparieren will, daß sie nach ihrem Tode in seinem Bereich bleiben müssen. Bleibt der Mensch im gegenwärtigen Denken, dann verfestigt er seinen Ätherleib; die Folge ist, daß er sich erst ganz allmählich auflöst. Solange bleibt der Tote im Reiche Ahrimans, im ätherischen Teil der Erde. Aber doch kann er sich immer wieder aus dem Bereich Ahrimans lösen, weil Karma und Reinkarnation ihn, wenn auch ihm selbst unbewußt, durch das Leben nach dem Tode weiterführen, bis er wieder beginnt, zur Erde hinunterzusteigen. Ahriman möchte aber die Menschen ganz in seinem Wirkenskreis halten, auch nach dem Tode. Das ist ihm bisher nicht gelungen. Ein Schritt in dieser Richtung ist folgender. Es gibt Gruppen im Westen, welche den englisch-sprechenden Völkern die Weltherrschaft sichern möchten. Dadurch gewinnt die Sprache und die Art zu denken in diesen Gruppen eine Bedeutung und eine Macht: "Für viele Menschen ist ja gerade heute im materialistischen Zeitalter das Denken gewissermaßen in der Sprache enthalten. Die Menschen denken heute im materialistischen Zeitalter fast S45 gar nicht mit Gedanken, sondern ungeheuer stark in der Sprache, in Worten..., nach dem Tode hat man die Aufgabe, sich loszumachen von den Wortbezeichnungen" ("Das Geheimnis des Lebens nach dem Tode" GA153/157).

   Schon auf der Erde muß man sich davon lösen, wenn man zu den eigentlichen Ideen kommen will: "Wie oft zeigte ich Ihnen, wie man versuchen muß, durch Beleuchtung von allen Seiten, durch den Gebrauch der verschiedenartigsten Worte gerade vom Worte freizukommen, um zum Begriff zu kommen. Geisteswissenschaft emanzipiert uns in gewissem Sinne von der Sprache. Das tut sie im vollsten Maße. Daher bringt sie uns in diejenige Sphäre hinein, die wir gemeinschaftlich haben mit den Toten (GA153/157). Der Mensch muß nach dem Tode, um frei zu werden von der volksgebundenen Erdensprache und der dadurch bedingten Art zu denken, eine Verbindung mit den Erzengeln suchen. Dadurch erhalten die Toten die Möglichkeit, in einem Menschheitsbewußtsein zu erwachen. Aber in diesen Gruppen wird nicht aus der Menschheit heraus gedacht, sondern aus ihrem Gruppeninteresse. Wirkt man aus dem Interesse und den Zielen eingeengter Gruppen heraus, dann hat das seine Folgen im Leben nach dem Tode: "Denn durch das, was da angestrebt wird, wird erreicht, daß die menschliche Individualität, die sich hineinlebt in die geistige Welt, durchdrungen wird von der Hierarchie der Angeloi, aber nicht hinaufsteigt zu der Hierarchie der Archangeloi. Es wird gewissermaßen angestrebt, die Hierarchie der Archangeloi abzusetzen von der menschlichen Entwicklung" (GA153/157). Man muß sich vergegenwärtigen: "Die Emanzipation von der Sprache hängt also innig zusammen mit dem Hineinwachsen in die Substantialität der Archangeloi." Nun können aber die Toten nicht allein im Leben nach dem Tod "gespeist" werden von Angeloi, sie müssen für die ausfallenden rechtmäßigen Archangeloi einen Ersatz haben: "Und sie erhalten wirklich ein Äquivalent: sie werden durchsetzt von dem, was von den auf der Archangeloistufe zurückgebliebenen Archai kommt" (GA153/157). Anstatt von den richtigen Archangeloi durchdrungen zu werden, werden sie von anderen Wesen durchdrungen, die auch auf der Archangeloistufe stehen, aber zurückgebliebene Archaiwesen sind: "Das heißt, sie werden im eminentesten Sinne ahrimanisch durchsetzt." Damit hat man etwas ganz besonderes vollzogen: "Und mit diesem hat man erreicht eine ahrimanische Unsterblichkeit."

   Man muß bei solcher Schilderung bedenken, daß es im Westen okkulte Gruppen gibt, die verschiedenen Zielen folgen. Hier spricht Rudolf Steiner von einer Gruppe, vielleicht einer sehr wichtigen: "Sie können ja allerdings sagen: S46 Wie können Menschen so töricht sein, geradezu absichtlich sich loszumachen von der normalen Entwicklung und in eine ganz andere geistige Entwicklung hineinzudringen? Aber das ist ein sehr kurzsichtiges Urteil; das ist ein Urteil, welches gar nicht denkt, daß aus gewissen Impulsen heraus die Menschen die Sehnsucht bekommen können, in anderen Welten ihre Unsterblichkeit zu suchen als in denen, die wir als die normalen bezeichnen! Man muß versuchen, das Unbegreifliche zu verstehen; daß es Menschen gibt, die sagen: ...wir wollen nicht weiter Christus als den Führer haben (der ja der Führer ist durch die normale Welt), wir wollen einen anderen Führer haben, wir wollen gerade in Opposition treten zu dieser normalen Welt" (GA153/157). Trägt man diese Gedanken eine zeitlang mit sich herum, dann erkennt man, daß es Menschen gibt, die durch dieses nachtodliche Erleben aus der von den guten Göttern geleiteten Entwicklung herausfallen und fortan andere Wege gehen werden. Ahriman versucht, die Erdenmenschen von ihren Ursprungsgöttern zu trennen, um sie für seinen eigenen Planeten zu gewinnen, den er sich bis zum Erdenende bilden will. Ahriman, der in vieler Beziehung das, was die Jahvegottheit berechtigt tat, an sich riß und in seinem Sinn fortführte, verbindet sich mit den alten Mondenkräften.

   "Und dann wird eine Zeit kommen, wo sich diejenigen, die sich so an den materialistischen Verstand halten, mit den Mondenmächten verbinden, und die Erde, wenn sie Schlacke, Leichnam geworden ist, mit dem Monde zusammen umgeben. Denn diese Wesen, diese Menschen, die sich mit dem materialistischen Verstand durchaus verbinden wollen, die wollen ja nichts anderes, als das Leben der Erde festhalten, verbunden bleiben mit dem Leben der Erde, nicht in der richtigen Weise aufsteigen vom Leichnam der Erde zu dem, was dann das Seelisch-Geistige der Erde wird" ("Sturz der Geister der Finsternis" GA177). Da stehen vor uns zwei Weltperspektiven, zwei Entwicklungsmöglichkeiten. Wir stehen mit dem strengsten Empfinden vor einer unendlichen Tragik in der menschlichen Entwicklung: die Menschheit wird sich trennen und verschiedene Wege gehen! Die einen werden mit der ersterbenden Erde, mit dem Leichnam der Erde gehen und eine Stufe zurücksinken, die anderen werden mit der wahren spirituellen Erde gehen, um eine höhere Stufe des Menschenwerdens anzustreben. Das bereitet Ahriman vor. Das wird mit seinem Erscheinen auf Erden apokalyptische Wirklichkeit: Ein Teil der Menschen wird, bildlich gesprochen, das Mal des Tieres, der andere Teil das Zeichen Gottes an der Stirn tragen.


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