Anthroposophie        =           Dreigliederung

Impuls - Reaktion - Inkarnation   1919 - 1969 - 2019    Geschichte - Quellen - Material

Anhang 18a

Als Ergänzung und zur Erläuterung der zahlreichen Symbole, die in den vorliegenden Seiten dargestellt sind, sei hier eine wesentliche Arbeit gebracht, die ein Freund Hans Erhard Lauers verfaßt hat:

 

Fred - Rudolf Erdmann Alfred Poeppig, 1900-1974 

Ursymbole der Menschheit

unter besonderer Berücksichtigung der Rosenkreuzersymbolik

Verlag Die Kommenden, Freiburg im Breisgau 1972

(Siehe auch das unter Anhang 18b Poeppig: Symbole  eingestellte Büchelchen von Hermann Beckh: "Vom Geheimnis der Stoffeswelt - Alchymie")

 

Zur Einführung

"Die Welt ist unendlich; es ist dem Menschen nötig, sie in Symbolen zu ergreifen."

 

   Dies Wort des Mystikers Cardanus erhebt unsere Seele mit einem Schwingenschlag zu jener Warte, von wo aus Symbole erst ihren Sinn bekommen. Symbole sind Fenster zur Ewigkeit. Man kann sie nur lesen, wenn man sich selbst in einen Bewußtseinszustand versetzt, von dem aus alles Vergängliche zum Gleichnis eines Unvergänglichen wird. Wer diesen Bewußtseinsakt nicht vollziehen kann, für den bleibt die Sprache der Symbole ein Buch mit sieben Siegeln.

   Aber gibt es nicht in jedes Menschen Leben >Augenblicke, wo er dem Weltgeist näher ist als sonst<? Wo ein höheres Auge in uns erwacht, das weiter, umfassender und tiefer in die Weltengründe schaut, als es der Augen-Blick des Alltags vermag? Wo uns die Runenzeichen unseres Schicksalsbuches aufgehen und wir die weisheitsvolle Fülle der Welt zu ahnen beginnen? Dann schließt sich alles von einer höheren Wart zu einem großen Ganzen zusammen. Und wir erkennen, daß das Universum nicht nur ein zerstückelter Leichnam lebloser Atome ist, sondern die Fülle schöpferischer Urbilder in sich birgt.

   Die Sprache der Symbole will uns zu diesem Bewußtsein erwecken. Es ist ein Einweihungsakt; der gleiche, den uns der ägyptische Mythos von Osiris schildert, dessen Leichnam, von seinem Bruder Typhon zerstückelt und zerstreut, von seiner Gemahlin und Schwester Isis gesammelt und geborgen, zu neuem Leben erweckt wird. Horus, der neu erstandene Osiris, kann im Menschen geboren werden, wenn er diesen Akt nacherlebt und aus dem zerstückelten toten Sinnesbewußtsein zum Geistbewußtsein sich erhebt.

   So erschließt uns die Symbolik das Erkenntnisauge für tiefe geistige Weltvorgänge. Das Symbol in seiner Bildhaftigkeit steht näher der geistigen Wirklichkeit als der Begriff. Es bildet die Mitte zwischen dem künstlerischen Bilde und dem Begriff. Das künstlerische Bild spricht unmittelbar zu uns. Das Symbol in seiner Zeichensprache muß erst entsiegelt werden. Es muß gelesen werden genau so wie die "Geheimschrift" unseres Lebens. Denn auch die göttlichen Baumeister, die am Weltenbau, wie an der Führung unseres Lebens beteiligt sind, bedienen sich dieser Sprache. Daher tritt uns die geistige Welt zuerst in der Sprache der Symbole als imaginative Bilder entgegen. Das >Lesen in der okkulten Schrift< als Stufe auf dem rosenkreuzerischen Schulungswege führt den Geistesschüler in diese höhere Wirklichkeit ein.

   Doch auch vom allgemeinen menschlichen Gesichtspunkt erzieht und stärkt die Beschäftigung mit der Zeichensprache der Symbole unsere Seelenkräfte. Blicken wir die Welt nur an durch die Brille der Sinneswirklichkeit, so verlieren wir uns in die sich widersprechende Vielfalt der tausend Gestalten. Schauen wir gleichsam vom Gipfel der Pyramide herab, so schließt sich alles zur Einfalt zusammen. Wir verlieren uns nicht, sondern wir finden uns am Herzen der Welt.

   Daher findet der Mensch leichter das Tor zur Ewigkeit des Geistes und zu sich selbst, wenn er an der Bildsprache der Symbole sich dazu erzieht, die Welt und sein Leben >sub specie aeternitatis< (im Lichte der Ewigkeit) zu schauen. Zu diesem Schauen möchte dies Buch erziehen helfen.

Fred Poeppig 

 

Vom Wesen und Ursprung der Symbole

  Jede Kultur ist im Kultus verankert, woher ihr Name stammt. Die formprägenden Kräfte drücken sich in Zeichen und Symbolen aus, in Brauchtum und Sitte, in Satzung, in Ritus. So stehen am Ausgangspunkt jeder Kultur bestimmte magische Willensmotive, welche sich im Kultus manifestieren und die Seelen bilden und erziehen.

  Je weiter der Blick in die Vergangenheit dringt, um so mehr wird er gefangengenommen von der magischen Willenswelt, wie sie uns aus den ägytpischen Pyramiden und den indischen Tempeln entgegentritt. Der Hauch des Ewigen, Unvergänglichen berührt uns au diesen umwitterten Denkmälern der Vergangenheit. Dieselbe Welt einer magischen Willenskultur begegnet uns in den Zeichnungen und Gemälden der Steinzeithöhlen in Südfrankreich, Spanien und Afrika. Oft kehren Szenen aus dem Jagdleben wieder. In einiger Entfernung von dem Schützen, der mit gespanntem Bogen auf einen Strauß zielt, steht eine Frau mit erhobenen Händen. Sie bittet um Schutz und Beistand der Götter. Von ihrem Schoß geht eine Linie wie eine Nabelschnur, die nach unten zu über den Boden verläuft und in den Solarplexus des Schützen mündet. Es ist das sichtbare Zeichen jener kultischen Willenskräfte, welche die Frau mit dem Manne verbinden und eine geheime Magie herstellen. Die Nabelschnur zur großen Weltenmutter wie zur Unterwelt war damals noch nicht zerrissen, wodurch sich der prähistorische Mensch in seinem Willen noch mit dem göttlichen Willen verbunden fühlte.

  Diese Nabelschnur hatte den atlantischen Menschen mit dem als Golfstrom die Atlantis umgebenden Ätherorganismus der Erde verbunden. Er fühlte sich darin wie in eine Mutterhülle eingebettet. Dadurch erlebte er, wie das Leben der Götter in seine Willenskräfte hineinströmte. Er war noch ein Teil ihres kosmischen Willens. Er setzte in seinen Taten das Göttergeschehen fort. Daraus wird ersichtlich, daß von dem heutigen Bewußtsein in jenen Zeiten nicht die Rede sein kann. Willensdurchflutete Weltenbilder branden in seinem Wärmeorganismus an ihn heran und erfüllen seine Seele mit beseligenden oder furchterregenden Bildern. -

Felszeichnung

Die Felszeichnungen der frühen Menschheit geben uns eine Kenntnis davon, wie auch die täglichen Verhandlungen als kultische Verrichtungen empfunden wurden. Hier geht von der die Gottheit anrufenden Frau eine symbolische Nabelschnur hin zu dem Jäger. Uehli: 'Atlantis und das Rätsel der Eiszeitkunst' Hoffmann Verlag Stuttgart

  In einem solchen kosmischen Weltbewußtsein ist der Mensch mehr oder weniger passiv seiner Umwelt hingegeben. Das Götter-Erleben fließt wie von selbst in ihn hinein. Er fühlt sich als Instrument des Weltenwillens. Priester und Eingeweihte verrichten für ihn den Kultus als Mittler zu den Göttern. Er selbst fühlt noch kein Bedürfnis, sich bewußt mit dem Göttlichen zu verbinden, da er sich noch unbewußt im Schoß der Götter erlebt. Es muß ein erschütterndes Erlebnis gewesen sein, als der erste Mensch die kosmische Nabelschnur, die ihn mit den Göttern verband, sich lockern und reißen fühlte. Im Bilde des opfernden Kain steht dieses Urerlebnis vor uns. Während Abel, der noch mit den Mondenkräften Jahwes verbunden ist, die Tiere seiner Herde opfert, ist Kain, der Tat- und Willensmrnsch, einer anderen Weltenordnung zugehörig. Jahwe, der Mondengott, nimmt daher sein Opfer, die in der Sonne gereiften Früchte seines Ackers, nicht an. Und im Erlebnis des Zurückgestoßenwerdens, des Auf-sich-selbst-gestellt-seins - der ersten Gottverlassenheit - zuckt der tödliche Blitz aus der prometheischen Brust und tötet den Bruder, welcher noch nicht aus der göttlichen Weltverbundenheit sich gelöst hat. Von Kain, dem ausgestoßenen Fremdling, der als erster Heimatloser Scholle und Sippe verlassen muß, stammt Henoch, der eine Stadt baut, welche die erste Mysterienstätte umschließt. Es ist jene Erkenntnisströmung, die dem Tod seinen Stachel entwindet, um ihn im dreitägigen Todesschlaf der Einweihung zur Erkenntniswaffe umzuwandeln. Damit ist der erst Schritt auf dem Wege zur Rückeroberung der verlorenen göttlichen Willenswelten getan.

  Der prometheische Zug dieses Mythos rührt an das Geheimnis der Emanzipation des menschlichen Willens von dem kosmischen Weltenwillen. Dieser Geburtsakt zur Entfaltung des eigenen Willens konnte nicht ohne tiefe dramatische Erschütterung vor sich gehen. In der Prometheussage spiegelt sich ein ähnliches Erlebnis wider. Der plötzlich aus dem göttlichen Weltengrund entlassene Mensch fühlt sich heimatlos, doch aus der Heimatlosigkeit vermag sich der Blitz der Erkenntnis zu entzünden. Erst in der Gottverlassenheit gebiert sich der freie Menschenwille und mit ihm der kultische Drang zur Rückverbindung: Die Re-ligio, welche in dieser vorgeschichtlichen Epoche noch magisch-willenshafter Natur ist. So führt die Entbindung aus dem kosmischen Weltenwillen zur menschlichen Rückverbindung in der magischen Kultushandlung gegenüber dem als göttlichen Vater- oder Mutterschoß erlebten Weltenwillen.

  Gewisse Völker verharren noch lange Zeit in der passiven Hingabe der Abelströmung, die noch länger mit dem Weltengrund verbunden bleibt, während die Kainsströmung bereits auf der alten Atlantis zur Begründung einer Mysterienströmung führt, die gleichsam von der Erde aus durch das Feuer der im Ich entzündeten Erkenntnis die geistige Welt dem Bewußtsein de Menschen zurückerobern will. Dieser Strömung, welche die Erde umgestaltet, sollte die Aufgabe zufallen, den Menschen zu immer bewußteren Stufen des geistigen Lebens zu führen. Auf dieser Stufe entsteht die geschichtliche Erinnerung aus dem prähistorischen >Raumgedächtnis< der Denkmäler der Steinzeit. In dieser Periode herrscht noch das Primat des Wollens: "Dennoch darf in diesem sich steigernden Primat des Wollens vor dem Erkennen, des Strebens nach Zukunftszielen vor dem erinnernden Bewahren der Vergangenheit die Wurzel jener Grundeigenschaft gesehen werden, durch welche die Geschichte sich von der Vorgeschichte unterscheidet." (1. - Hans Erhard Lauer: Geschichte als Stufengang der Menschwerdung. Band I,S...: Erkenntnis und Erinnerung, Freiburg i.Br. 1956)

  Können wir so die Religion als Ergebnis der Emanzipation des menschlichen Willens ansehen, und zwar in ihrer ersten magischen Form, so entsteht durch die Emanzipation des Fühlens von dem kosmischen Fühlen die Kunst und damit zugleich jene zweite Stufe des religiösen Erlebens, die den Götterwillen im Orakel der Augurenpriester zu erkennen sucht. Solange die Nabelschnur des Fühlens noch nicht vom All-Erleben gelöst war, empfand sich der Mensch in Wind und Wetter, im Götteratem der Jahreszeiten, noch mit dem All als der Weltenseele verbunden. Der Jogi in der alt-indischen Kultur erlebte im gefühlsgetragenen Atemstrom den göttlichen Atem Brahmas. Darauf beruht ja der indische Joga, daß der Jogi im Atemstrom sein Fühlen in Übereinstimmung mit den kosmischen Weltenrhythmen bringt. Was uns als künstlerische Werke aus den indischen, babylonisch-assyrischen und ägyptischen Tempelkulturen entgegentritt, sind in Wirklichkeit noch keine selbständigen Kunstwerke, sondern Symbole und Zeichen einer Götterschrift, die dem inspirierten Erleben entsprungen sind. Die Bilderschrift ist ein letzter Rest dieser Bewußtssinsstufe. Erst beim Übergang von der spätägyptischen Periode zur früh-griechischen entsteht die Kunst als Ausdruck der freien schöpferischen Persönlichkeit.

  Das Wesen dieser zweiten Stufe des religiösen Bewußtseins offenbart sich als elementarische Religion im Griechentum sowie bei den germanisch-keltischen Völkern: Im Vogelflug, in bestimmten Zeichen der Natur wird der Wille der Götter erkundet. Die Sibylle des Delphischen Orakels war in ihrem ekstatischen Bewußtseinszustand ganz diesen elementarischen Naturgewalten hingegeben, die durch sie sprachen.

Erst mit der Emanzipation des Denkens, etwa im 5. vorchristlichen Jahrhundert, entsteht aus dem inspirierten Bilderbewußtsein das abstrakte Denken der Philosophie und damit die letzte Stufe des religiösen Bewußtseins in der Bekenntnis-Religion. Der Hinduismus kennt noch heute kein festumrissenes Glaubensbekenntnis, das erst durch das zum freien Selbstbewußtsein erwachende Ich im Christentum entsteht.

  Was ist mit dieser Übersicht über die einzelnen Stufen des religiösen Bewußtseins, wie sie sich durch die fortschreitende Emanzipation der menschlichen Seelenkräfte vom Götterwillen manifestiert, ausgesprochen? - Der Ursprung und das Wesen der Symbole, welche stehengebliebene Runenzeichen magischer Kulthandlungen darstellen! Symbole sind Zeichen von geistigen Kräfteströmungen, die im ätherischen Organismus des menschlichen >Leibestempels< verankert sind, nicht etwa willkürlich Ausgedachtes, sondern tief im geistigen Weltengrund verwurzelt. Sie sind Tore zu den Kraftquellen der magischen Götterwelt, weshalb man mit ihnen >zaubern< konnte, das heißt magische Wirkungen zu entfesseln vermochte, im guten wie im bösen Sinne. Dies ergibt sich am Beispiel des Swastika-Symbols (Hakenkreuz). Auf der magischen Stufe wurde es als das Sonnenrad erlebt, das im Menschen die Wortmagie der Sprache bewirkt. Der Inder erschaute dieses Symbol beim Erwachen der geistig-ätherischen Strömungen, wie sie dem sechzehnblättrigen Chakram des geistigen Sprachzentrums des Kehlkopfs zugrunde liegen. In dem Augenblick, wo der Mensch an die Schwelle zur geistigen Welt herankommt, sieht er dieses Organ in wunderbaren ätherischen Farbenströmungen sich bewegen. In seinen Farbenfluten betritt er die geistige Welt. So ist das Swastika-Zeichen im Menschen der mikrokosmische Ausdruck für die in der Welt wirkende und schaffende makrokosmische Logoskraft! (Von hier aus versteht man, wie das umgekehrte, in entgegengesetzter Richtung sich bewegende Symbol des >Hakenkreuzes< des Nationalsozialismus das schwarzmagische Symbol für die anti-christlichen Kräfte des Gegen-Logos darstellt.)

  Nun lassen sich die Symbole nach ihrem Ursprung und nach ihrer inneren Bedeutung in drei Stufen gliedern. Diese Stufen entsprechen den drei religiösen Bewußtseinsstufen, die wir hier skizziert haben. Die einzelnen Symbole beziehen sich, je nach ihrem bildhaften oder Zeichencharakter, auf eine dieser religiösen Stufen, deren geistigen Extrakt sie gleichsam darstellen. Sie bilden eine Runenschrift, herausgeboren aus einem real-okkulten Erleben, deren einzelne Buchstaben genauso zu Schriftzeichen sich zusammenfügen und als solche gelesen werden können wie die Buchstaben der gewöhnlichen Schrift. Stellen wir zur Übersicht und vorläufigen Orientierung diese drei Stufen der symbolischen Bilder und Zeichen nach ihrer historischen Entwicklung vor uns hin.

 

1. Stufe der magischen Willenshandlungen

  Von dieser religiösen Bewußtseinsstufe stammen die eigentlichen Ursymbole, die im Wesen der menschlichen Organisation verankert sind. Man kann sie als Runenzeichen des versiegelten Willens bezeichnen, die heute durch die moderne Geisterkenntnis entsiegelt werden müssen, so daß sie uns zu Schriftzeichen werden, durch die wir in der geistigen Welt lesen lernen. Hierzu gehören: das Kreuz, das Swastika-Zeichen, das Pentagramm, das Hexagramm sowie der Siebenstern, ferner die ägyptischen Symbole, das Sonnenkreuz (Tao-Zeichen), das Tarok usw. Ferner das pythagoräische Quadrat, das die Vierheit des Menschen nach seinem physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich symbolisiert mit dem Dreieck als Symbol für die höheren Geistesglieder (Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch). Allen diesen Symbolen ist es eigen, daß sie eine unmittelbare Beziehung zum Menschen haben, und daher aus dem Wesen des Menschen abgeleitet werden können.

  Dasselbe läßt sich von den architektonischen Formen der antiken Tempel sagen, wie der Pyramiden und der Sphinx. Besonders reich an solchen Symbolen war der Salomonische Tempel mit dem Ehernen Meer, der Bundeslade, den beiden beschützenden Cherubim sowie den Säulen Jachim und Boas für Geburt und Tod, die dann zu Grundlage der späteren Freimaurersymbolik wurden, wie Winkelmaß, Senkblei, Zirkel und Waage, Hammer und Kelle. Stellte doch der Salomonische Tempel ein Sinnbild des menschlichen Leibes als des Tempels der Gottheit dar, worauf der Christus hinweist (Joh.2,21).

  In gewisser Beziehung können auch die Tierkreiszeichen und die Planetenzeichen zu dieser Stufe gerechnet werden, insofern sie die Beziehung des Menschen zum Kosmos zum Ausdruck bringen. Doch bilden sie zum Teil den Übergang zur zweiten Stufe des religiösen Erlebens.

  Ein Ursymbol ist ferner die Schlange, wie sie in doppelter Windung am Hermes- oder Äskulapstab erscheint sowie in den nordischen Schlangenrunen. Sie geht auf prähistorische Zeiten zurück, wo der Mensch noch durch >die Schlange< erkannte, indem sich seine Wesenheit seelisch in die Erde erstreckte und so zu einem Wahrnehmungsorgan wurde.

 

2. Stufe der elementarischen Zeichensprache

  Die Symbole dieser zweiten Stufe urständen nicht mehr in der magischen Kulthandlung der intuitiven Willenssphäre, sondern tragen mehr einen Zeichencharakter, wie wir ihn bereits bei den Symbolen der Tierkreiszeichen kennenlernten. Sie sind mit der inspirativen Sphäre der elementarischen Welt verwandt, zu der sie in Beziehung stehen. Hierzu sind in erster Linie die alchimistischen Zeichen der Rosenkreuzer zu zählen für die Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer, Sulphur, Merkur und Salz sowie alle gleichnishaften Handlungen, die zu Sinnbildern erhoben werden können: Säen und Ernten, Geburt und Tod, Zusammenfügen und Scheiden, Meer und Land und so weiter. Auch die Sprache hat einen bildhaft-symbolischen Charakter und offenbart am anschaulichsten den sinnbildlichen Zeichencharakter dieser elementarischen Stufe.

 

3. Stufe der Ideogramme

  Hier stehen wir an der Grenze der imaginativen Bildsphäre zur begrifflichen Deutung, die der Emanzipation des Denkens vorausgeht. Bekanntlich finden sich die rätselhaften Zeichen der Ideogramme an den Felswänden der nordamerikanischen Gebirge wie in Alaska, von Sibirien bis Australien und Afrika. Eine sinnvolle Deutung dieser rätselhaften Hieroglyphen hat Ernst Uehli in seinem Werk über die Atlantis gegeben. Danach stammen diese Zeichen von späteren Wanderungatlantiern, deren Bewußtsein an der Grenze des ätherischen Bilderbewußtseins stand. Zum Teil erinnern diese Figuren an ätherische Strömungen und rhythmische Lemniskaten, zum Teil an Ornamente und Arabesken. Das begriffliche Element ist jedenfalls darin schon deutlich zu spüren.

  Diese dritte Stufe des verklingenden Bilderbewußtseins nähert sich schon stark unserem intellektuellen Bewußtsein, wenn es auch noch deutlich die Nachklänge des imaginativen Erlebens trägt. Es findet seinen Niederschlag in den Tarok-Figuren wie in den Diagrammen des chinesischen Orakelbuches J-Jing, wenn dieses auch aus einem älteren Bewußtseinszustand stammt. Das Wesentliche aber der symbolischen Bild- und Zeichensprache dieser dritten Stufe ist die damit verbundene intellektuelle Deutung und Auslegung, wie sie in den Kommentaren von J-Jing dargestellt sind. Hier sind die Zeichen nur Buchstaben, die erst durch die verstandesmäßige Auslegung ihren Sinn enthüllen.

  Mit dieser Stufe sind die Arabesken des Islams verwandt, die den imaginativen Charakter schon abgestreift haben. Ebenso wie die arabischen Ziffern, die wir ja, wie schon der Name sagt, den Arabern verdanken. Nachdem der Mensch von den göttlichen Willens- und Gefühlskräften soweit emanzipiert ist, daß sein gegenständliches Wahrnehmungsbewußtsein nicht mehr den Willen der Götter, sondern nur noch ihr Werk erlebt, muß sein Geist sich dazu aufschwingen, die Runen und Zeichen der Göttersprache neu zu entziffern. Dann wird ihm die Welt zum Gleichnis eines Unvergänglich-Ewigen. In diesem Sinne können uns die Symbole zu Fenstern und Toren werden, die uns tiefe Weltgeheimnisse offenbaren, durch die wir den Zugang zur geistigen Welt neu gewinnen. Daher bildet das >Lesen der okkulten Schrift< eine wichtige Stufe auf dem rosenkreuzerischen Schulungswege. Gewisse okkulte Erfahrungen und Tatsachen der geistigen Welt lassen sich nur in Symbolen unmittelbar aussprechen. Denn die Bildersprache der Symbole und Zeichen besitzt die Eigenchaft, daß sie nicht wie der Begriff eine festgeprägte, eindeutige Auslegung zuläßt, wobei das lebendige Wesen des Erkenntnisinhaltes verabstrahiert und seiner anschaulichen Fülle beraubt wird, sondern eine mehrfache Auslegung voraussieht und der geistigen Welt dadurch viel näher steht. Der Geistesforscher muß auch heute seine okkulten Erfahrungen au der okkulten Schrift erst in die Begriffssprache übersetzen, wenn er sich über seine Forschungsergebnisse seinen Mitmenschen gegenüber verständlich machen will.

  Daher neigen Menschen, die innere Erfahrungen auf geistigem Gebiet haben, dazu, diese in Form von Symbolen aufzuschreiben, wie es zum Beispiel bei Jung-Stilling der Fall war, in dessen Tagebüchern seine inneren Erlebnisse in einer zum Teil von ihm selbst erdachten symbolischen Bildsprache verzeichnet sind. So kann man geisteswissenschaftliche Erkenntnisse viel prägnanter und anschaulicher durch symbolische Zeichen sich notieren als in der gewohnten Begriffssprache. Die letztere ist im Zeitalter der Bewußtseinsseele und in der Naturwissenschaft zwar erforderlich, da gewisse okkulte Tatsachen heute der Menschheit enthüllt werden müssen, so daß die übersinnlichen Wahrheiten allen Menschen zugänglich gemacht werden können, was aber nur in der Sprache des Denkens möglich ist. Aber das Einleben in die höheren Welten erzieht das Denken zu einem künstlerischen Anschauen und Erleben, so daß der Mensch lernt, weite Zusammenhänge im künstlerischen Bilde zusammenzuschauen. Und damit ist er schon auf dem Wege zum imaginativen Bildererleben und zur okkulten Schrift.

  Es soll in diesen Beiträgen der Versuch unternommen werde, das sehr umfangreiche Gebiet der Symbolik geisteswissenschaftlich zu durchleuchten, und zwar auf dem Hintergrund des hier entworfenen Schemas. Wir sind uns selbstverständlich dabei der Mangelhaftigkeit dieses Versuches bewußt, um so mehr, als vieles auf diesem Gebiet Neuland ist, das erst noch der Forschung erschlossen werden muß, wenn man nicht ganz im Vorhof einer rein intellektuellen Deutung stehenbleiben will, wie es zum Teil in dem sonst sehr verdienstvollen Sammelwerk über die >Symbolik der Religionen< herausgegeben von Ferdinand Herrmann (Anton Hiersemann, Stuttgart) der Fall ist. Eine Deutung der Symbolik ohne die Erkenntnis und Anerkennung einer konkreten übersinnlichen Welt in ihrer Beziehung zum Menschen ist eine ebensolche Unmöglichkeit wie ein Verständnis des Christentums ohne den Glauben an eine göttliche Welt.

  Der Wert dieser Arbeit, die wir in diesen Beiträgen veröffentlichen, kann als eine Anregung betrachtet werden, um neue Wege auf diesem Gebiet zu beschreiten, die dem einzelnen Lesser vielleicht auch neue Perspektiven und Einsichten schenken, um auf dem weiten Feld der Menschen- und Selbsterkenntnis um einen Schritt weiterzukommen.