Die sieben Ich-bin-Worte
Durch die Zeichen, die man auch als >Wunder< bezeichnet, werden durch die Tat Christi die Kräfte der Wiedergeburt und geistigen Erneuerung entsiegelt. Sie stellen den Willensschritt des Christus dar, dem Heilkräfte entströmen. Sie sind zugleich die Urbilder für die sieben christlichen Sakramente. Entsiegeln wir ihre versiegelten Kräfte, so werden sie zu Marksteinen für den menschlichen Lebenslauf, die uns an den großen Wendepunkten Halt und Sicherheit verleihen.
Am Beispiel des vierten Zeichens, der Speisung der 5000 (Joh.6) kann gezeigt werden, worum es sich handelt. Zwei Abirrungen drohen uns bei einer Exegese, die das Wesen der Menschwerdung Christi nicht richtig ins Auge faßt. Einerseits liegt die Gefahr darin, diese Speisungsszene nur als ein übersinnliches Geschehen aufzufassen, das also >nur< eine Vision darstellt für die an den Christus herankommende Menschheit des 5. Zeitalters, worauf die symbolische Zahl der 5000 weist (nach der alten okkulten Zahlenmystik). Andererseist wird es zu einem bloßen >Mirakel<, das nur einmal geschehen ist und das sich unserem Verständnis entzieht. Beide Deutungen müssen einseitig bleiben und daher am Wesen der >Zeichen< vorübergehen.
Das Charakteristische der >Fleischwerdung des Wortes< liegt nun darin, daß die übersinnlichen Bildekräfte, die einst im Mythos geschaut wurden, durch Christus auf die Erde gekommen sind und sich damit verbunden haben. Was zur Moseszeit die Kinder Israels im nächtlichen Schlaf als Mannas (oder Manhu) erlebten, wodurch sie gespeist wurden, das lebt jetzt in der Christussubstanz, in welche die Fülle der kosmischen Sternenkräfte einströmt. Es ist ein sinnlich-übersinnliches Geschehen, das sich hier den Menschen mitteilt und offenbart. Bei dieser Speisung durchdringt sich der physische Vorgang mit dem übersinnlichen Geschehen. Dieser Vorgang wird uns dann im zweiten Teil des 6. Kapitels an dem Wort vom >Brot des Lebens< zum inneren Verständnis gebracht. Die Speisung ist wertlos, wenn sie nicht im Ich aufgenommen wird. Aktiv muß der Mensch diese Christussubstanz in sich aufnehmen, damit sie sich nicht nur äußerlich seinem physischen Leib mitteilt, sondern vo allem seinem geistigen Ich-Wesen: >Wirket Speise, nicht die vergänglich ist, sondern die da bleibt und fließet in das ewige Leben!° (6,27).
Die Christustat ist für alle Menschen geschehen. Allen spendet sie ihre belebenden Kräfte. Soll aber auch das Ich als Ausdruck des geistigen Menschen dadurch erneuert werden, so muß der Mensch bewußt daran teilnehmen. Die >Fische-Menschen< der 5. Kultur, worauf das Symbol der beiden Fische hindeutet, können nur gespeist werden, wenn sie diese Speise in ihre bewußtes Ich aufnehmen. Denn dann, wenn die Sonne im Zeichen der >Fische< steht, ist der Mensch in die >Bewußtseinsseele< eingetreten. Die alten Symbole und Sinnbilder verlieren ihre Wirkung, wenn sie nicht durch den Geist neu erschlossen werden. Es ist unsere Zeit, deren Krise sich in dem anschließenden >Skandal von Kapernaum< ankündigt, wo alle Jünger von ihm abfallen. Sie vermögen den Übergang von der medialen Art der Kommunion zur bewußten Aufnahme in ihr erwachtes Ich nicht mitzumachen. Hellseherisches Wahrnehmen verbindet sich hier mit irdischem Geschehen. Das gerade macht den Charakter der Zeichen aus: der Mensch muß sie selbst entsiegeln, wenn ihre Heilkräfte sich in ihm verwirklichen sollen. - Wieviel von alter Magie, die der vorchristliche Mensch im träumenden Zustand aufnahm, auch heute noch im Sakramentalismus waltet und wie der Schritt zu ihrer Entsiegelung noch nicht vollzogen ist, geht aus manchen >Zeichen< unserer Zeit hervor. Die Zeichen müssen gelesen, entsiegelt und durch den Willen verwirklicht werden. Das kann heute nur durch ein geistiges Verständnis ihrer okkulten Hintergründe geschehen. Sonst verliert die Menschheit die lebenspendenden heilenden Kräfte, die von der Christustat ausgehen. (33. Gottfried Hierzenberg: Der magische Rest. Ein Beitrag zur Entmagisierung des Christentums, Patmos Düsseldorf).
Die sieben Ich-Bin-Worte
Wie stark das Johannesevangelium gerade auf diese Aufgabe hinweist, geht besonders aus den sieben Ich-Bin-Worten hervor. Das Gottes-Ich enthüllt sich in diesen Worten am unmittelbarsten, indem es seine eigene Wesenheit in ihnen gleichnishaft ausspricht. Doch nicht um eine >Versiegelung< im Sinne einer alten symbolischen Geheimsprache handelt es sich hier, sondern um ein >offenbares Geheimnis<, das wir durch unser Ich entsiegeln müssen. Das Gottes-Ich spiegelt sich in der Sinneswelt, um sich selbst in seiner ewigen Natur auszusprechen. Die vergängliche Welt wird ihm so zum Gleichnis des Unvergänglichen. So werden ihm Brot und Wein, Tür und Hirte, Tod und Leben, das Licht und der Weinstock zu Sinnbildern für sein unaussprechliches Wesen. Die alte Symbolik ist hiermit an ihr Ende gekommen. Fortan hat sie nur Berechtigung, wenn sie auf dem geistigen Erkenntnishintergrund entsiegelt wird. Alle Symbolik, welche diesen Weg durch das Ich umgehen will, bindet den Menschen an das Unterbewußte und stellt sich so seiner freien Entfaltung entgegen. Auch hier erweist sich der Christus als der Offenbarer der alten Geheimlehren. Erwidert er doch selbst dem Hohenprister: >Ich habe öffentlich vor aller Welt gesprochen. Allezeit habe ich in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen, und habe keine Geheimlehre verkündet. Warum fragst du mich? Frage die, welche gehört haben, was ich zu ihnen gesprochen habe. Siehe, sie wissen es, was ich ihnen verkündigt habe!< (Joh. 18,20-21). In meinen Schriften über das Johannesevangelium und das Vaterunser habe ich den Nachweis erbracht, daß jedes dieser Wort sich auf eines der menschlichen Wesensglieder bezieht, so daß sie eine Wegzehrung darstellen, durch die der Mench durch Aufnahme der Christuskraft seine ganze Wesenheit umwandeln und vergeistigen kann - so wie die Sonne sich in uns spiegelt, im Sinne der Verse Christian Morgensterns:
>Die Sonne will sich sieben Mal spiegeln
in allen unsern sieben Leibesgliedern:
daß sie ihr siebenmal ihr Bild erwidern.
Die Sonne will uns siebenmal entsiegeln.<
Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, auf jedes dieser Ich-Worte einzugehen. Sie bilden eine Himmelsleiter, die von Brot und Wein umrahmt, durch das Licht, die Türe, den guten Hirten zur Auferstehung und zum wahren Leben führt, worin sich die kosmische Wegzehrung im Ich offenbart. Es ist die neue Speisung im Zeichen der Fische, die der Mensch durch sein Ich vollziehen muß. So mündet die alte Symbolik hier unmittelbar in das Christus-Ich ein. Menschen-Ich und Christus-Ich begegnen sich. Der Mensch empfängt die Kraft, in allem Vergänglichen das unvergänglich Geistige zu erblicken. Durch die ihm von Christus verliehene Kraft er zum Entsiegler der Urbilder des Lebens, die ihm aus der ganzen Schöpfung entgegenkommen. Dadurch hilft er mit an der Vergeistigung der Erde...
Auch in diesem Organismus der sieben Ich-Bin-Worte verbirgt sich ein okkulter Hintergrund. Unschwer kann man die einzelnen Stufen der kosmisch-planetarischen Entwicklung in ihnen erkennen, welche die Stufen der Erdenentwicklung sind, wie sie in der >Geheimwissenschaft< von Rudolf Steiner beschrieben sind und in den sieben Wochentagen ihr Abbild haben. Eine tiefe Weisheit ergibt sich in diesem Zusammenhang für denjenigen, der diese Hintergründe kennt. So steigt diese kosmische Stufenfolge vom Brot (der Saturnentwicklung) als dem festen Fundament der ganzen Erdenentwicklung zum Licht der Sonnenentwicklung auf, um im vierten Wort vom Hirten den eigentlichen Mittelpunkt der Menschheitsentwicklung zu finden und sich im siebten Wort wieder mit dem Weltengerund zu verbinden, wo sich das Ich durch das Christusblut mit dem Vater
wieder verbunden weiß. So subtil sind solche scheinbar zufälligen Worte in ihren Kompositionen, daß sie kosmischen Weltgesetzen entsprechen (Näheres findet der Leser in meiner Schrift >Das Vaterunser als Menschheits- und Erkenntnisgebe<, wo ich auch auf diese Zusammenhänge hingewiesen habe).
1. Brot Saturn (Samstag)
2. Licht Sonne (Sonntag)
4. Hirte Erde Mars (Dienstag
5. Auferstehung Erde Merkur (Mittwoch, mercredi)
6. Weg - Wahrheit - Leben Jupiter (Donnerstag, jeudi)
7. Weinstock Venus (Freitag, vendredi)
Da die Erdenentwicklung im okkulten Sinne in eine erste und eine zweite Hälfte zerfällt, wobei in der ersten durch die Marskräfte die Ich-Entwicklung vorbereitet, in der zweiten durch die Merkurkraft diese vergeistigt wird, so steht das vierte und das fünfte Wort für die Erdenentwicklung, was besonders anschaulich in dem Bild des >guten Hirten< zum Ausdruck kommt als dem eigentlichen Mittelpunktswort der sieben Ich-Bin-Worte.
Das Johanneische Zeitalter, in das wir im Zeichen Michaels heute eingetreten sind, verlangt von uns die Entsiegelung der alten Symbole, wie sie im Alten und Neuen Testament zu uns sprechen. Die Kraft dazu empfangen wir durch das Johannesevangelium, das uns Christus als den großen Enthüller und Offenbarer der esoterischen Geheimnisse der antiken Mysterien schildert.